Weisheits Zitate (Seite 15)
Suleika
Nicht im Rosenschmuck der Jugend
fand ich dich und liebt ich dich,
grau schon ringelten die Locken
um der Stirne Weisheit sich,
doch in deinem Kusse lodert
ungezähmte Jugendkraft,
stimmt die Harfe meiner Seele
zur Musik der Leidenschaft. –
Deine grauen Haare bergen,
was in deiner Seele ruht,
wie die Asche des Vulkanes
Zeuge ist der innern Glut,
und aus deiner Augen Tiefen,
sprühet blitzend, göttlich rein,
ewig junges Leben kündend,
deines Geistes Feuerschein.
Clara Müller-Jahnke
Wintersaat
In des Kornfelds kahl Gebreite
tiefe Furchen reißt der Pflug.
Weißer Nebel hüllt die Weite,
hüllt den Wald in Schleiertuch.
Nur der Landmann noch beim Säen
steht, vom letzten Licht umloht, –
und ein schreiend Volk von Krähen
hebt sich scheu ins Abendrot.
Aus dem bunten Spiel der Zeiten
wird uns letzte Weisheit kund,
...
Clara Müller-Jahnke
Ein Schemen nur ist die Welt,
Ein Werk aus Rost und Schimmel,
Des Schicksals Woge steigt und fällt,
Bald schmerzgefurcht, bald lustgeschwellt –
Kein Segen, denn im Himmel!
Und was vom Helm des Ruhmes gleißt
Verschwimmt wie Schein am Himmel,
Was Hoffnung, Lieb' und Schönheit heißt
Sind Grabesblumen, bald vergreist –
Nichts Ew'ges, denn im Himmel!
Ach, arme Wand'rer, früh und spat
Sind wie im Sturmgetümmel;
Des Liedes Strahl, der Weisheit Rat
Erleuchten schwach den ird'schen Pfad –
Kein...
Thomas Moore
»Mehr Licht!«
»Mehr Licht. mehr Licht!« Die Finsternis
läßt mich nur zagend vorwärts gehn;
ich schreite langsam, ungewiß
und bleib oft ängstlich tastend stehn.
»Mehr Licht, mehr Licht!« Zwar leuchtet mir
die Weisheit dieser klugen Weit,
doch so, daß sie den Weg zu dir
verdunkelt, aber nicht erhellt.
»Mehr Licht, mehr Licht?« Am Glauben nur,
an ihm allein, allein gebrichts;
ihn scheut die irdische Natur
und mit ihm dich, den Quell des Lichts.
Karl May
Dummheit
Wer nur der Weisheit nachgespürt, den halt' ich noch für keinen Mann:
Doch wer die Dummheit ausstudiert, den seh ich für was Rechtes an!
Der Weisen Tun errät man leicht: man sieht da noch wann, wie, warum;
Bei Dummen kuckt man sich umsonst nach allen diesen Sachen um.
Der Dummheit Weg ist wunderbar; niemals erkennet man den Grund,
Und fänd' ihn einer richtig aus, so tät er aller Funde Fund!
Denn Dummheit ist die größte Macht, sie führt Heere stärkstes an;
Ich glaube, daß sie nie ein...
August Kopisch
Alle Weisheit meines Lebens
Hat das Eine mich gelehrt,
Lieb' ist sterblich! Ganz vergebens
Hoffst du, daß die Liebe währt!
Bist du treu, sie lachen deiner,
Ändern wie die Moden sich,
Änderst du dich, keift gemeiner
Eifersücht'ger Neid um dich.
Drum vermeide Hymens Falle,
Hoffe nie, ein Weib sei dein!
Aber lieb' und täusche alle,
Um nicht selbst getäuscht zu sein.
Nikolai Michailowitsch Karamsin
Dito
Ich bin mein eigner Kritikus,
Drum spart euch eure klugen Reden,
Sagt doch ein alter Pfiffikus:
Nicht jede Formel paßt auf Jeden.
Mir hätt es so, mir so behagt,
Schon gut, schon gut, ihr lieben Leute;
Ihr wißt ja, was das Sprichwort sagt,
Der Jäger pfeift, es bellt die Meute!
Doch daß ihr auch der Weisheit Schluß,
Der Wahrheit Wahrheit mögt erfahren,
Sagt jener selbe Pfiffikus:
Die Thorheit wächst oft mit den Jahren!
Hermann Oscar Arno Alfred Holz
Was ist die Welt?
Was ist die Welt? Ein ewiges Gedicht,
Daraus der Geist der Gottheit strahlt und glüht,
Daraus der Wein der Weisheit schäumt und sprüht,
Daraus der Laut der Liebe zu uns spricht,
Und jedes Menschen wechselndes Gemüth,
Ein Strahl ist's, der aus dieser Sonne bricht,
Ein Vers, der sich an tausend and're flicht,
Der unbemerkt verhallt, verlischt, verblüht.
Und doch auch eine Welt für sich allein,
Voll süß-geheimer, nie vernomm'ner Töne,
Begabt mit eig'ner, unentweihter...
Hugo von Hofmannsthal
Am Strome
Ich kann oft stundenlang am Strome stehen,
Wenn ich entflohen aus der Menschen Bann;
Er plaudert hier wie ein erfahrner Mann,
Der in der Welt sich tüchtig umgesehen.
Da schildert er mir seiner Jugend Wehen,
Wie er den Weg durch Klippen erst gewann,
Ermattet darauf im Sande schier verrann,
Und jedes Wort fühl' ich zum Herzen gehen.
Wie wallt er doch so sicher seine Bahn!
Bei allem Plänkeln, Hin- und Widerstreifen
Vergißt er nie: "Ich muß zum Ozean!"
Du, Seele, nur willst in der Irre...
Georg Herwegh