Weise Zitate (Seite 9)
Es kamen grüne Vögelein
Geflogen her vom Himmel,
und setzten sich im Sonnenschein
In fröhlichem Gewimmel
All an des Baumes Äste,
Und saßen da so feste
Als ob sie angewachsen sein.
Sie schaukelten in Lüften lau
Auf ihren schwanken Zweigen,
Sie aßen Licht und tranken Tau,
Und wollten auch nicht schweigen,
Sie sangen leise, leise
Auf ihre stille Weise
Von Sonneschein und Himmelblau...
Friedrich Rückert
Herbst
Eine trübe, kaltfeuchte Wagenspur:
Das ist die herbstliche Natur.
Sie hat geleuchtet, geduftet und trug
Ihre Früchte. – Nun ausgeglichen,
Hat sie vom Kämpfen und Wachsen genug. -
Scheint's nicht, als wäre alles Betrug
Gewesen, was ihr entwichen?
Das Händesinken in den Schoß,
Das Unbunte und Leise,
Das ist so schön, daß es wiederjung
Beginnen kann, wenn Erinnerung
Es nicht klein macht, sondern weise.
Ein Nebel blaut über das Blätterbraun,
Das zwischen den Bäumen den Boden bedeckt.
Wenn...
Joachim Ringelnatz
Ferngruß von Bett zu Bett
Wie ich bei dir gelegen
Habe im Bett, weißt du es noch?
Weißt du noch, wie verwegen
Die Lust uns stand? Und wie es roch?
Und all die seidenen Kissen
Gehörten deinem Mann.
Doch uns schlug kein Gewissen.
Gott weiß, wie redlich untreu
Man sein kann.
Weißt du noch, wie wir's trieben,
Was nie geschildert werden darf?
Heiß, frei, besoffen, fromm und scharf.
Weißt du, daß wir uns liebten?
Und noch lieben?
Man liebt nicht oft in solcher Weise.
Wie fühlvoll hat dein spitzer...
Joachim Ringelnatz
Volksweise
Mich rührt so sehr
böhmischen Volkes Weise,
schleicht sie ins Herz sich leise,
macht sie es schwer.
Wenn ein Kind sacht
singt beim Kartoffeljäten,
klingt dir sein Lied im späten
Traum noch der Nacht.
Magst du auch sein
weit über Land gefahren,
fällt es dir doch nach Jahren
stets wieder ein.
Rainer Maria Rilke
Als Mahl beganns
(aus: Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke)
Als Mahl beganns. Und ist ein Fest geworden, kaum weiß man wie. Die hohen Flammen flackten, die Stimmen schwirrten, wirre Lieder klirrten aus Glas und Glanz, und endlich aus den reifgewordnen Takten: entsprang der Tanz. Und alle riß er hin. Das war ein Wellenschlagen in den Sälen, ein Sich-Begegnen und ein Sich-Erwählen, ein Abschiednehmen und ein Wiederfinden, ein Glanzgenießen und ein Lichterblinden und ein...
Rainer Maria Rilke
Der Tod der Geliebten
Er wußte nur vom Tod, was alle wissen:
daß er uns nimmt und in das Stumme stößt.
Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen,
nein, leis aus seinen Augen ausgelöst,
hinüberglitt zu unbekannten Schatten,
und als er fühlte, daß sie drüben nun
wie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten
und ihre Weise wohlzutun:
Da wurde ihm die Toten so bekannt,
als wäre er durch sie mit einem jeden
ganz nah verwandt; er ließ die andern reden
und glaube nicht und nannte jenes Land
das...
Rainer Maria Rilke
Herbst
Es lockt der Herbst mit Frucht und Wein,
will Erntedank zum Abschluß sein
und in den Wäldern wird es still,
weil bald der Winter
kommen will.
Die Jahreszeit
auf ihrer Reise
begrüßt das Land
auf seine Weise,
verklärt den Blick
und läßt sinnieren,
im Hauch der Kälte,
die wir spüren.
Ingrid Riedl
Der Zufriedene
Zwar schuf das Glück hienieden
Mich weder reich noch groß,
Allein ich bin zufrieden,
Wie mit dem schönsten Los.
So ganz nach meinem Herzen
Ward mir ein Freund vergönnt,
Denn Küssen, Trinken, Scherzen
Ist auch sein Element.
Mit ihm wird froh und weise
manch Fläschchen ausgeleert!
Denn auf der Lebensreise
ist Wein das beste Pferd.
Wenn mir bei diesem Lose
Nun auch ein trüb'res fällt,
So denk' ich: keine Rose
Blüht dornlos in der Welt.
Christian Ludwig Reissig
Lebenszeitraffer
Unter dem Herzen werden wir getragen,
schreiend blicken wir ins Licht der Welt,
können uns nich wehren, nichts erfragen,
sind tatenlos dem Erdendasein eingesellt.
Unsere Eltern lehren uns das Laufen,
vermitteln Charakter und Verstand,
lassen schnellstens uns noch taufen,
unsere Zukunft liegt in Gottes Hand.
Wir werden weise, erleben täglich mehr,
erfahren Kummer, Liebe, Pein und Leid,
der Körper zehrt am Älterwerden sehr,
zum jähen Ende ist es nicht mehr weit.
Viel zu schnell...
Horst Rehmann
Das Leben
Das Leben ist mal gut, mal schlecht,
kein Mensch soll sich beklagen,
manchmal erscheint es ungerecht,
man soll's mit Fassung tragen.
Mal wird gelacht, mal wird geweint,
mal laut und mal ganz leise,
oftmals allein und auch vereint,
jeder macht's auf seine Weise.
Oft zeigt man Mut, oft Wut und Zorn,
der Mensch hat es im Blute,
trotz allem blickt er gern nach vorn,
und sieht am End das Gute.
Man lebt auf dieser schönen Welt
mal im Glück und mal in Not,
häufig wird man auch...
Horst Rehmann
Bewunderung, die Muse des Gesanges,
Gebeut mir stets, daß ich das Höchste preise.
Drum rühmt ich Künstler, Fürsten, Fraun und Weise,
Dem Zuge folgend eines großen Hanges.
Dich nenn ich nun die Seele dieses Dranges,
Den sonn'gen Gipfel meiner Lebensreise,
Den Mittelpunkt, um den ich lobend kreise,
Bestrickt vom Schwindel des Planetenganges.
Doch wenn vor Liebe deine Worte beben,
O so verleihst du, Freund! mir mehr in diesen,
Als meiner Kunst beschieden ist zu geben.
Zwar hat auch dir die Welt...
August Graf von Platen Hallermund (Hallermünde)
Alle Menschen seh ich leben...
Alle Menschen seh ich leben
Viele leicht vorüberschweben
Wenig mühsam vorwärtsstreben
Doch nur Einem ist's gegeben
Leichtes Streben, schwebend leben.
Wahrlich der Genuß ziemt Toren
In der Zeit sind sie verloren
Gleichen ganz den Ephemeren
In dem Streit mit Sturm und Wogen
Wird der Weise fortgezogen
Kämpft um niemals aufzuhören
Und so wird die Zeit betrogen
Endlich unters Joch gebogen
Muß des Weisen Macht vermehren.
Ruh' ist Göttern nur gegeben
Ihnen ziemt der...
Novalis
Zauber der Erinnerungen,
Heil'ger Wehmut süße Schauer
Haben innig uns durchklungen,
Kühlen unsre Glut.
Wunden gibt's, die ewig schmerzen,
Eine göttlich tiefe Trauer
Wohnt in unser aller Herzen,
Löst uns auf in eine Flut.
Und in dieser Flut ergießen
Wir uns auf geheime Weise
In den Ozean des Lebens
Tief in Gott hinein;
Und aus seinem Herzen fließen
Wir zurück zu unserm Kreise,
Und der Geist des höchsten Strebens
Taucht in unsre Wirbel ein.
Novalis
Weisheitsregel
Für zwei Dinge hier auf Erden
Schwärmt der Weise kolossal,
Um vor Schmutz bewahrt zu werden:
Für Galoschen und Moral.
Ja, die Gummischuhe tragen
Einen sicher durch den Dreck,
Und in andern Lebenslagen
Dient Moral demselben Zweck.
Wo es reinlich und manierlich
Zugeht in dem Jammertal,
Läßt der Mensch zu Haus natürlich
Die Galoschen und Moral.
Wenn er dahingegen nieder
In den Pfuhl des Lasters tritt,
Nimmt er selbstverständlich wieder
Eines von den beiden mit.
A. de Nora (Pseudonym für Anton Alfred Noder)
Die Kartoffel
Es ist für uns Materielle
Nur eine Kartoffel die Welt,
Von der der Weise die Pelle
Fürsorglich herunter schält.
Denn eine von unsern Devisen
Ist die: Kartoffel und Welt,
Sind beide nicht zu genießen,
Wenn man sie nicht richtig quellt.
Der idealistische Stoffel,
Der alles für herrlich hält,
Verzehrt die ganze Kartoffel
Natürlich unabgepellt.
Doch liegt sie ihm dann im Magen,
So jammert er und erzählt,
Wie schwer für ihn zu ertragen
Oft diese so "rohe" Welt!
Wir aber genießen...
A. de Nora (Pseudonym für Anton Alfred Noder)