Weise Zitate (Seite 10)
Wie heimlicher Weise
Ein Engelein leise
Mit rosigen Füßen
Die Erde betritt,
So nahet der Morgen.
Jauchzt ihm, ihr Frommen,
Ein heilig Willkommen,
Herz, jauchze du mit!
In ihm sei's begonnen,
Der Monde und Sonnen
Am blauen Gezelte
Du Vater, du rate,
Du lenke und Wende!
Herr, die in die Hände
Sei Anfang und Ende,
Sei alles gelegt.
Eduard Mörike
Nimmersatte Liebe
So ist die Lieb'! So ist die Lieb'!
Mit Küssen nicht zu stillen:
Wer ist der Tor und will ein Sieb
mit eitel Wasser füllen?
Und schöpfst du an die tausend Jahr,
und küssest ewig, ewig gar,
du tust ihr nie zu Willen.
Die Lieb', die Lieb' hat alle Stund
neu wunderlich Gelüsten;
wir bissen uns die Lippen wund,
da wir uns heute küßten,
das Mädchen hielt in guter Ruh,
wie's Lämmlein unterm Messer;
ihr Auge bat: Nur immer zu,
je weher, desto besser!
So ist die Lieb' und war...
Eduard Mörike
Es pfeift der Wind. Was pfeift er wohl?
Eine tolle närrische Weise.
Er pfeift auf einem Schlüssel hohl,
bald gellend und bald leise.
Die Nacht weint ihm den Takt dazu
mit schweren Regentropfen,
die an der Fenster schwarze Ruh
am End eintönig klopfen.
Es pfeift der Wind. Es stöhnt und gellt.
Die Hunde heulen im Hofe. –
Er pfeift auf diese ganze Welt,
der große Philosophe.
Christian Morgenstern
Die Zeitungen haß' ich allermeist:
Sie schwächen, sie verfaden den Geist.
Es ist, als ob man täglich speise
gemischten Salat "auf polnische Weise"
oder - was noch schlimmer als dies –
man hörte täglich Potpourris.
Der einz'ge Trost, daß wir nicht sehn,
wie diese Hochgenüsse entstehn.
Christian Morgenstern
Der Abend leget warme
hernieder seine Arme
und wo die Erde zu Ende
da ruhen seine Hände…
Die Mücklein summen leise
in ihrer hellen Weise
und alle Wesen beben
und singen leis vom Leben…
Es ist nicht groß, es ist nicht breit,
s’ ist eine kleine Spanne Zeit
und lange währt die Ewigkeit…
Paula Modersohn-Becker
Sonntagmorgen
Träumerische Sonntagsstille!...
Fernes, festliches Geläut,
Goldner Duft auf allen Wipfeln,
Tropfen Tau im Gras verstreut.
In verlass'ner Waldkapelle
Bebt ein Glöcklein trauernd leise,
Ob auch rings die Schöpfung jauchzet,
Einsam singt es seine Weise.
Und ich weiß, was sie bedeutet...
Durch mein ganzes Leben zieht
Solch ein Sang – es ist des Schmerzes
Nimmer endend Klagelied.
Ja, du strahlst und prangst im Lichte,
Wunderbare Gotteswelt!
Doch das Herz mit seinem Leide...
Eugenie Marlitt
Was unabwendbar auch im raschen Flug der Zeiten
Das wechselnde Verhängnis jedem bringt,
Ob heit're Tage sich, ob trübe sich verbreiten,
Des Lebens Wohlfahrt steiget oder sinkt –
Ein Glaube ist's, nach dem der Weise handelt,
Und eine Hoffnung, der sein Herz sich weiht:
Vertrau' auf den, der in Gewittern wandelt
Und mild im Sonnenstrahl erfreut!
Er winkt! Sein Sturm erwacht, und seine Blitze fliegen,
Der Donner rollt, es bebt der Hochgebirge Schoß,
Die Eiche stürzt, doch die Orkane wiegen
Der...
Siegfried August Mahlmann
Das Letzte
Erkenntnis in so reicher Weise
Erringt der Mensch, er dringt mit Muth
Hinauf an des Polarmeers Eise
Und durch der Palmenküste Gluth.
Er sieht der Erde letzte Grenzen,
Klimmt in der Berge tiefsten Schacht,
Und sein Gedanke wird ergänzen,
Was ihm Erfahrung eingebracht.
Die Schwingen seiner Forschung tragen
Ihn kühn bis zu der Sterne Lauf;
Den Tod, den Schlußstein aller Fragen,
Dies Räthsel löst der Tod nur auf.
Hermann Ritter von Lingg