Was Ich Will Zitate (Seite 9)
Wenn ich tot sein werde, so tut mir die Liebe und kratzt nicht alles hervor, was ich je gesagt, geschrieben oder getan. Ißt man denn an einem Apfel auch alles mit: die Kerne, das Kerngehäuse, die Schale, den Stängel? Also lernt auch mich essen und schlingt mich nicht hinunter mit alledem, was nun zwar zu mir gehört, aber von dem ich selbst so wenig wissen will, wie ihr davon sollt wissen wollen. Laßt mein allzu vergängliches Teil ruhen und zerfallen: Dann erst liebt ihr mich wirklich, habt...
Christian Morgenstern
Hab ich ein Recht, zu geben, was ich kann?
Darf ich in dieser Tränen Niederschlage
dich bleiben heißen. Die durchseufzten Tage
heben auf meinem Munde wieder an
zwischen dem Lächeln, das, wie du's beschwörst,
doch nicht zu leben wagt. O ich bin bang,
daß das nicht recht sein kann. Wir sind im Rang
nicht gleich genug für Liebende. Du hörst:
wer andres nicht zu geben hat, der muß
nicht Geber werden. Ein für alle Mal.
Dein Purpur bleibe rein von meinem Ruß
und unbeschlagen klar dein...
Rainer Maria Rilke
Des Kindes Seligkeit
Ich schlafe ein an meiner Mutter Brust;
o welche Wonne, welche selge Lust!
Die Mutter ist so fromm; sie ist so rein,
und ich will so wie sie auch immer sein.
Ich schlafe ein an meiner Mutter Brust;
o welche Wonne, welche selge Lust!
Sie ist so lieb; sie ist so mild, so gut;
ich sag ihr Alles, was mir wehe tut.
Ich schlafe ein an meiner Mutter Brust;
o welche Wonne, welche selge Lust!
Geht sie dereinst in Gottes Himmel ein,
wird sie mein Engel, o mein Engel sein!
Karl May
Man spricht immer von Originalität, allein was will das sagen! Sowie wir geboren werden, fängt die Welt an, auf uns zu wirken, und das geht so fort bis ans Ende. Und überall, was können wir denn unser Eigenes nennen, als die Kraft, das Wollen. Wenn ich sagen könnte, was ich alles großen Vorgängern und Mitlebenden schuldig geworden bin, so bliebe nicht viel übrig.
Johann Wolfgang von Goethe
Weil ich mein Wesen so mit Härte gürte,
Glaub' nicht darum, daß ich aus Härte bin!
Tief ruht in mir ein mildgewillter Sinn,
Den nur der rechte Zauber nie berührte.
Wirf einem, der die Hand nach heiliger Myrte
Sich auftun hieß, Unkraut und Dornen hin
Und reich dem Durste Wein, wo Galle drin –
Dies ist das Leben, das ich immer führte.
Von Angefaultem ward mir Übermaß
All meine Zeit. Was immer mir verfiel,
War nicht mehr rein und trug in sich den Fraß,
Kaum gut genug für ein betäubtes...
Anton Wildgans
An meinen Lehrer
Ich war nicht einer deiner guten Jungen.
An meinem Jugendtrotz ist mancher Rat
Und manches wohlgedachte Wort zersprungen.
Nun sieht der Mann, was einst der Knabe tat.
Doch hast du, alter Meister, nicht vergebens
An meinem Bau geformt und dich gemüht.
Du hast die besten Werte meines Lebens
Mit heißen Worten mir ins Herz geglüht.
Verzeih, wenn ich das Alte nicht bereue.
Ich will mich heut wie einst vor dir nicht bücken.
Doch möcht ich dir für deine Lehrertreue
nur einmal...
Joachim Ringelnatz
Das Alter
Nach der 11ten Ode Anakreons
Euch, lose Mädchen, hör ich sagen:
– Du bist ja alt, Anakreon.
Sieh her! du kannst den Spiegel fragen,
Sieh, deine Haare schwinden schon;
Und von den trocknen Wangen
Ist Blüt und Reiz entflohn. –
Wahrhaftig! ob die Wangen
Noch mit dem Lenze prangen,
Wie, oder ob den Wangen
Der kurze Lenz vergangen,
Das weiß ich nicht; doch was ich weiß,
Will ich euch sagen: daß ein Greis,
Sein bißchen Zeit noch zu genießen,
Ein doppelt Recht hat, euch zu küssen.
Gotthold Ephraim Lessing
Alles in dir
Du lehrest mich die Lieder singen,
Du hauchest den Gesang mir ein,
Du leihst der Seele höhre Schwingen;
Wer giebt mir Lieder? du allein.
In dir empfind' ich nur das Leben,
Du rufst die Seele aus dem Nichts,
Du giebst mir Glauben, giebst mir Streben,
Trägst mich hinauf in's Reich des Lichts.
O sage mir, mein hoher Meister,
Was ich dir opfernd weihen mag!
Im unermessnen Reich der Geister
Zieht dir, nur dir mein Wesen nach.
Befiehl, ich gehe in's Verderben,
In Nacht und Graus und...
Helene Branco, Pseudonym Dilia Helena
Schatten an der Wand
Von einer Kerze magischem Schimmer,
ein Schatten geworfen an meine Wand,
läßt dein Bild entstehen im Zimmer
vom kalten Hauch geführt durch Windes Hand.
Den Tränen nahe, erahne ich dich,
höre die Worte, die du zu mir sprichst:
"Von den Engeln verlassen, ergeb' ich mich
dem einzigen Gott, den du versinnbildlichst".
Du hast mich verlassen, bin nun allein,
dem Wahnsinn ergeben, will nicht ohne dich sein.
Der Schmerz ist geblieben von deinem Schwur,
mich nie zu verlassen, ist...
Gerd Groß
Sommer
Ihr singt von schönen Frühlingstagen,
Von Blütenduft und Sonnenschein,
Ich will nichts nach dem Frühling fragen,
Nein Sommer, Sommer muß es sein.
Wo alles drängt und sich bereitet
Auf einen goldnen Erntetag,
Wo jede Frucht sich schwellt und weitet
Und schenkt, was Süßes in ihr lag.
Auch ich bin eine herbe, harte,
Bin eine Frucht, die langsam reift.
O Glut des Sommers, komm! Ich warte,
Daß mich dein heißer Atem streift.
Gustav Falke