Vergessen Zitate (Seite 16)
Daß deine Hand auf meiner Stirne liegt,
Wenn mich das Sterben in der Wiege wiegt,
Die leis' hinüber ins Vergessen schaukelt,
Von schwarzen Schmetterlingen schwer umgaukelt,
Ein letzter Blick in deine braunen Sonnen:
Vorüber strömen all unsere Wonnen
In einer bittersüßen Letztsekunde;
Ein letzter Kuß von deinem warmen Munde,
Ein letztes Wort von dir, so liebeweich:
Dann hab' ich, eh ich tot, das Himmelreich
Und tauche selig in den großen Frieden:
Der Erde Holdestes war mir beschieden.
Otto Julius Bierbaum
Mai
Nun aber hebt zu singen an
Der Mai mit seinen Winden.
Wohl dem, der suchen gehen kann
Und bunte Blumen finden!
Die Schönheit steigt millionenfach
Empor aus schwarzer Erden;
Manch eingekümmert Weh und Ach
Mag nun vergessen werden.
Denn dazu ist der Mai gemacht,
Daß er uns lachen lehre.
Die Herzen hoch! Und fortgelacht
Des Grames Miserere!
Otto Julius Bierbaum
Wie lange noch, Herr?
Willst du in Ewigkeit mich vergessen?
Wie lange noch
verbirgst du dein Antlitz vor mir?
Wie lange soll ich sorgen in meiner Seele,
mich ängstigen in meinem Herzen täglich?
Wie lange soll mein Feind Gewalt haben über mich?
Ja, darauf vertraue ich, daß du gnädig bist,
mein Herz jauchzt über deine Hilfe!
Singen will ich dem Herrn,
der mir so große Wohltat erwiesen hat.
Bibel
Ich werde Deine Augen nie vergessen,
Auch wenn ich selbst Dich nie mehr sehen kann.
Bei ihrem Aufschlag blickte unermessen
Mich wie im Himmel Deine Seele an.
Sie strahlten ruhig wie die blaue Ferne
Des Firmaments an einem klaren Tag.
Und doch so warm als winkten mir die Sterne
In süßer Nacht bei ihrem Niederschlag.
Max Bewer
Du sagtest mir in jener Stunde
Daß meine Seele reich ist…
Ich glaube fast, daß mir im Grunde
Nur alles, – alles – gleich ist.
Ich freu' mich jeder Seelenblüte,
Die fremden Athem haucht,
Seit jeder Kelch, der mir entglühte,
Erstarrt ist und verraucht…
Und fremde Blumen muß ich warten,
– Das lag mir einst so fern! –
… Weil ich den eig'nen, todten Garten
Vergessen will, so gern!
Lisa Baumfeld
Liebe darf ich dir nicht schenken
Liebe? – Liebe darf ich dir nicht schenken:
Ach! das strenge Schicksal will es nicht,
Meiden muß ich dich – dies wird dich kränken,
Aber dich vergessen werd' ich nicht.
Ach! Die Zeit wird deine Triebe lenken,
Folge guter Jüngling deiner Pflicht,
Ewig werth macht mir dein Angedenken,
Was für mich in deinem Herzen spricht.
Ein Gefühl, geläuterter als Liebe,
Grenzenlos wie deine Zärtlichkeit,
Freundschaft, wie vielleicht kein Mann sie beuth,
Sei Ersatz für...
Gabriele von Baumberg
Anonymus
In Gedanken längst vergessen, auf Liniertem noch so nah,
Fand ich dich in einer Truhe - schon vom Alter angefressen -
Staubbeladen deine Ruhe, weil das Licht dich übersah.
Und mit zittrig, klammen Fingern lös ich Bänder in das Einst,
Schmecke Äpfel auf dem Feuer, seh die Jahre sich verringern, .
Es erwacht das Ungeheuer, und ich höre wie du weinst.
Zeiten werden blass und dunstig - Filme spulen sich zurück,
Knisternd spinnen dunkle Fäden ihre Netze, fein und listig,
Kitten alle...
Margot S. Baumann
Kannst du das Schönste nicht erringen,
so mag das Gute dir gelingen.
Ist nicht der große Garten dein,
wird doch ein Blümchen für dich sein.
Nach Großem drängt's dich in der Seele?
Daß sie im Kleinen nur nicht fehle!
Tu heute recht – so ziemt es dir;
der Tag kommt, der dich lohnt dafür!
So geht es Tag für Tag; doch eben
aus Tagen, Freund, besteht das Leben.
Gar viele sind, die das vergessen:
Man muß es nicht nach Jahren messen.
Eduard von Bauernfeld
Der alte Friedhof
Verfallener Friedhof, am einsamen Ort,
Nun geht der Pflug bald über dich fort.
Noch hüllen mit traulichem Dämmerschein
Die alten Linden dich friedlich ein.
Verwitterte Steine nur ragen auf,
Wo die Hügel versanken im Zeitenlauf.
Und alles umwuchert Gras und Strauch,
Und drüber weht des Vergessens Hauch.
Ein einziges Grab ist an diesem Ort,
Drauf blühen die Veilchen und Rosen noch fort.
Wenn Lenzluft weht um dieses Grab,
Wankt her ein Mütterlein am Stab.
Sie trauert noch dem...
Paul Barsch
Frühling
Nun ist die Welt in Rosen erwacht,
Gelöst ist die liebliche Fraue.
In Stücken zerbrach der Stirnreif der Nacht,
Und im Morgen lacht
Der blühende Wald und die Aue.
An die Reise nun geht der rieselnde Quell,
Es schimmert die Näh' und die Ferne.
O Tag, sei du mein Trautgesell
Vielhold und hell,
Dir wollt' ich dienen so gerne.
Auf Lerchenschwingen steigt mein Gesang,
Sich über den Wolken zu wiegen.
Doch was im tiefsten Herzen erklang,
Nie laut sich erschwang,
Das wahr' ich getreu und...
Wilhelm Arent
Muttertraum
Die Mutter betet herzig und schaut
Entzückt auf den schlummernden Kleinen.
Er ruht in der Wiege so sanft und traut.
Ein Engel muß er ihr scheinen.
Sie küßt ihn und herzt ihn, sie hält sich kaum.
Vergessen der irdischen Schmerzen,
Er schweift in der Zukunft ihr Hoffnungstraum,
So träumen Mütter im Herzen.
Der Rab' indes mit der Sippschaft sein
Kreischt draußen am Fenster die Weise:
Dein Engel, dein Engel wird unser sein,
Der Räuber dient uns zur Speise.
Hans Christian Andersen