Übers Leben Zitate (Seite 21)
Du und ich
Wunschlose Seligkeit
Strömt deine Nähe über mich.
Der Alltag wird zur Sonntagszeit,
Unsterblich schlingt das Leben sich
Um uns. Und Menschengöttlichkeit
Fühl' ich bei dir durch dich.
Was einst gewesen, weiß ich kaum.
Die enge Welt wird weiter Raum.
Und Holz wird Eisen, Eisen Holz
Und Stolz wird Demut, Demut Stolz.
Gar wunderbare Weisen
Singt dann bei seinem Kreisen
Mein Blut im Paradies für mich.
Es haben alle Wünsche Ruh', –
Ich weiß nicht mehr, wer bist dann du.
Ich weiß nicht...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Der Sämann säet den Samen.
Die Erde empfängt ihn und über ein kleines
wächset die Blume hinauf.
Du liebtest sie. Was auch dies Leben
sonst für Gewinn hat, war klein dir geachtet,
und sie entschlummerte dir.
Was weinest du neben dem Grabe
und hebst die Hände zur Wolke des Todes
und der Verwesung empor?
Wie Gras auf dem Felde sind Menschen
dahin, wie Blätter, nur wenige Tage
gehen wir verkleidet einher.
Der Adler besuchet die Erde,
doch säumt nicht, schüttelt vom Flügel den Staub
und kehret zur...
Matthias Claudius
Vor manchen, manchen Jahren,
als ich zuerst dich sah,
war eine Locke rabenschwarz,
braun deine Wange da.
Jetzt ist die Wange blässer,
wie Silber glänzt dein Haar,
und dennoch bist du lieber mir,
ja lieber, als mir der Jüngling war.
Des Lebens schroffe Hügel
erstiegen Hand in Hand
wir, wie es Wind und Wetter gab.
hin über Fels und Sand;
jetzt ist der Abend milder,
wir steigen sanft hinab,
und dort am Fluß erwartet uns zusammen
ein Brautgemach, das Grab.
Robert Burns
Das Schneegestöber
Wie die kleinen Flöckchen
Bei des Windes Weh'n
Hell im weißen Röckchen
Durcheinander dreh'n!
Wechseltänze schlingen
Sie auf luft'gem Plan;
In verworr'nen Ringen
Krümmt sich ihre Bahn.
Hast vergeb'nes Mühen,
Rasches Flöckchen dort;
Spottend dein im Fliehen
Schwebt das Liebchen fort.
Andre, die ersiegen
Sich die holde Braut,
Aneinander schmiegen
Sie sich sanft und traut.
Aber alle kommen
Endlich hin zur Ruh',
Wann die Sonn' erglommen,
Deckt ein Grab sie zu.
Wahres Bild des...
Adolf Bube
Lieb und Leid im leichten Leben
Sich erheben, abwärts schweben,
Alles will das Herz umfangen,
Nur Verlangen, nie erlangen.
In dem Spiegel all ihr Bilder
Blicket milder, blicket wilder
Jugend kann doch nichts versäumen
Fort zu träumen, fort zu schäumen.
Frühling soll mit süßen Blicken
Sie entzücken und berücken,
Sommer mich mit Frucht und Myrthen,
Reich bewirten, froh umgürten.
Herbst du sollst mich Haushalt lehren,
Zu entbehren, zu begehren,
Und du Winter lehr mich sterben
Mich verderben,...
Clemens Brentano
Das Kornfeld
Vom Sommerhauch berührt schwankt leis das Korn,
Wie Beter, gottergeben, stehn die Ähren.
Ich hör' von ferne Dengelhammerschlag,
Das goldne Wogen wird nicht lange währen.
Hier hat der Tod in jedem Halm gehaust,
Sie selber, die des Lebens Keime bergen,
Die Körner, sind im Sonnenbrand erstarrt
Und gleichen goldumwundnen kleinen Särgen.
Tot bist du, Korn, doch welch ein tröstlich Bild!
Wer möcht' sich nicht wie du zur Ruhe legen:
Als eine wohlgereifte Garbe, schwer
Von Lebensbrot und...
Jakob Boßhart
Das Leben geht vorüber wie die Welle,
Und Jugend währt nur einen Augenblick;
Die Freuden fliehen mit Gedankenschnelle;
Wie Wetterleuchten zuckt der Liebe Glück:
O Weiser, richte auf die Freudenquelle
Der lichten Gottheit deinen wachen Sinn,
Daß sich des Daseins dunkles Meer erhelle,
Und schiffe sicher durch die Wogen hin.
Bhartrihari
Treuer, heiliger Gott und Vater!
Verleihe mir Vernunft, dich zu erkennen,
Gefühl, dich zu spüren,
Geist, dich zu verstehen.
Gib mir Eifer, dich zu suchen,
Weisheit, dich zu finden,
Verlangen, dich zu lieben.
Schenke mir ein Herz, das über dich nachdenkt,
und Taten, die dich groß machen.
Gib mir Augen, dich zu sehen,
Ohren, dich zu hören,
eine Zunge, dich zu verkündigen,
Gewähre mir Geduld, auf dich zu warten,
deine heilige Gegenwart,
ein seliges Ende
und das ewige Leben.
Benedikt von Nursia
Still von unsichtbarer Hand
Sah die Welt sich schmücken,
Und es wandelt übers Land
Ruhiges Beglücken.
Unsre alte Erde weit
Sank in frommes Sinnen,
Ahnend ihrer heiligen Zeit
Keimendes Beginnen.
Bald ist alles in dem Rund
Werdens voll und Waltens,
Jede Scholle wird zum Grund
Schwelgenden Gestaltens.
Reichtum siehst du jeden Platz
Aus der Tiefe heben,
Schenkend zeigt versenkten Schatz
Jedes Stückchen Leben.
Ferdinand Ernst Albert Avenarius
Diese Blüthe der Empfindlichkeit, diese zärtliche Sympathie mit Allem, was lebt oder zu leben scheint, der Geist der Freude, der uns aus allen Gegenständen entgegenathmet, der magische Firniß, der sie überzieht und uns über einem Anblick, von dem wir zehn Jahre später kaum noch flüchtig gerührt werden, in stillem Entzücken zerfließen macht, – dieses beneidungswürdige Vorrecht der ersten Jugend verliert sich unvermerkt mit dem Anwachsen unserer Jahre und kann nicht wiedergefunden werden.
Christoph Martin Wieland