Süßes Zitate (Seite 31)
Frühling
Nun ist er endlich kommen doch
In grünem Knospenschuh;
"Er kam, er kam ja immer noch",
Die Bäume nicken sich's zu.
Sie konnten ihn all erwarten kaum,
Nun treiben sie Schuß auf Schuß;
Im Garten der alte Apfelbaum,
Er sträubt sich, aber er muß.
Wohl zögert auch das alte Herz
Und atmet noch nicht frei,
Es bangt und sorgt: "Es ist erst März,
Und März ist noch nicht Mai."
O schüttle ab den schweren Traum
Und die lange Winterruh:
Es wagt es der alte Apfelbaum,
Herze, wag's...
Theodor Fontane
Einem Kinde
Sei nicht traurig,
sei nicht traurig…
es ist heute nur
so trübe,
es ist heute nur
so schwer!
Morgen blitzt die Sonne wieder,
Rosen leuchten weiß und rot,
und mit lauter Lerchenliedern
jubelt's in den hellen Morgen,
jubelt's in den blauen Himmel
siegreich über Leid und Not…
quillt und schwillt mit jungen Kräften,
quillt und schwillt mit junger Lust
lebenswarm dir in die Brust;
weckt und wappnet deine Seele
glaubensfroh zu neuer Wehr…
Sei nicht zag drum,
sei nicht traurig…
es ist...
Cäsar Otto Hugo Flaischlen
Seelengeheimnis
Was tief im Grund sich birgt,
Keiner kann's künden,
Was heimlich Großes wirkt,
Wer will's ergründen?
Dir selber unbewußt
Liegt es verschleiert,
Bis es in tiefster Brust
Auferstehen feiert.
Kommt wie der Dieb so sacht,
Hebt sich zum Leben.
Fühlst es um Mitternacht
Rätselvoll weben.
Dann wird voll Graun dir klar
Dein innres Wesen,
Daß fremd du immerdar
Dir selbst gewesen.
Daß etwas in dir ist
Und lebt im stillen,
Was einzig Richtschnur ist
Für deinen Willen,
Daß frei wir keine...
Carl Hermann Busse
Vorüber
Nun ist es vorüber,
Nun ist es geschehn,
Die Donner verrollen,
Die Wolken verwehn.
Es leuchtet, es blitzet
Die Wiese, der Wald.
Was eben noch dunkel,
Wie hellt's sich so bald!
Nun ist es geschehen,
Nun ist es getan!
Es war ja ein Traum nur,
Es war nur ein Wahn!
Vom Zweige es träufet,
Die Wimper ab auch;
wie funkeln die Tropfen
An Blättlein und Aug'!
Wie leuchtet die Sonne
Mit glänzendem Schein,
Über Berg, über Tal,
Ins Herz mir hinein!
Wilhelm Raabe
Vorsatz
Ich will's dir nimmer sagen,
wie ich so lieb dich hab';
im Herzen will ich's still tragen,
will stumm sein wie ein Grab.
Kein Lied soll dir's gestehen,
soll flehen um mein Glück!
Du selber sollst es sehen,
du selbst in meinem Blick.
Und kannst du es nicht lesen,
was dort so zärtlich spricht,
so ist's ein Traum gewesen:
Dem Träumer zürne nicht.
Robert Eduard Prutz
Ich weiß nicht was
Ballade
Jüngst als Lisettchen im Fenster saß,
Da kam Herr Filidor
Und küßte sie,
Umschlang ihr weiches, weißes Knie;
Und sagt ihr was ins Ohr,
Ich weiß nicht was.
Dann gingen beide fort, er und sie,
Und lagerten sich hier,
Im hohen Gras
Und trieben's frei in Scherz und Spaß;
Er spielte viel mit ihr,
Ich weiß nicht wie.
Zum Spiele hatt er viel Genie,
Er trieb's gar mancherlei,
Bald so, bald so,
Da war's das gute Mädel froh,
Doch seufzte sie dabei,
Ich weiß nicht wie?
Das...
Novalis
Zur Dämmerstunde war's
Zur Dämmerstunde war's,
Zur schlimmen Zeit –
Und deine Rosen dufteten im Zimmer,
Ins Fenster brach der letzte Abendschimmer –
Und meine Sehnsucht ging so weit.
Ich suchte dich –
Wie dufteten die Rosen!
Und lechzend barg ich mein Gesicht hinein
Und sog die süßen, süßen Düfte ein –
Wie fühlt' ich deine Wünsche mich umkosen!
O kämst du jetzt,
Wie würde ich dich lieben!…
Ich ging und sperrte weit mein Fenster auf –
O Lust! da kamst die Straße du herauf,
Von gleicher...
Thekla Lingen
Die Ehebrecherin
Zum Herrn und Meister, der im Tempel lehrte,
Bringt einst das Volk ein sündig Weib herein.
"Was soll", so fragt es, "ihre Strafe sein,
Da Moses will, daß sie gesteinigt werde?"
Der Herr blickt auf mit ruhiger Gebärde.
"Wer lautern Herzens ist und wahr und rein,
Werf auf die Sünderin den ersten Stein!"
Er sprach's und schrieb stillschweigend auf die Erde.
Da standen jene plötzlich wie vernichtet
Und schlichen aus dem Tempel allzusammen;
Es wurden bald die heil'gen Hallen...
Karl Theodor Körner
Die Verschwiegenen
Ich habe wohl, es sei hier laut
vor aller Welt verkündigt,
gar vielen heimlich anvertraut,
was du an mir gesündigt.
Ich sagt’s dem ganzen Blumenheer,
dem Veilchen sagt’ ich’s stille,
der Rose laut, und lauter der
großäugigen Kamille.
Doch hat’s dabei noch keine Not,
bleib’ munter nur und heiter,
die es gewußt, sind alle tot,
und sagen’s nicht mehr weiter.
Hermann von Gilm, Ritter zu Rosenegg
Bekenntnis
Ich bin ein unglückselig Rohr:
Gefühle und Gedanken
Seh' rechts und links, zurück und vor,
In jedem Wind, ich schwanken.
Da liegt nichts zwischen Sein und Tod,
Was ich nicht schon erflehte:
Heut bitt' ich um des Glaubens Brot,
Daß morgen ich's zertrete.
Bald ist's im Herzen kirchenstill,
Bald schäumt's wie Saft der Reben,
Ich weiß nicht, was ich soll und will, –
Es ist ein kläglich Leben!
Dich ruf' ich, der das Kleinste du
In deinen Schutz genommen,
Gönn meinem Herzen Halt und...
Theodor Fontane
Der Kobold
In einem Häuschen, sozusagen –
(Den ersten Stock bewohnt der Magen) –
In einem Häuschen war's nicht richtig.
Darinnen spukt und tobte tüchtig
Ein Kobold, wie ein wildes Bübchen,
Vom Keller bis zum Oberstübchen.
Fürwahr, es war ein bös Getös.
Der Hausherr wird zuletzt nervös,
Und als ein desperater Mann
Steckt er kurzweg sein Häuschen an
Und baut ein Haus sich anderswo
Und meint, da ging es ihm nicht so.
Allein, da sieht er sich betrogen.
Der Kobold ist mit umgezogen
Und macht...
Wilhelm Busch
Was nennt ihr Leben?
Das alltägliche Geschäft des Daseins,
Sommer, Herbst und Winter.
Und wieder Frühling kommen sehn,
und wieder die Blumen morgen welken sehn,
die gestern in bunter Frische glühten?
Wenn die Jugend hinweggeschäumt ist,
mit gelieh'ner Glut den trägen Lauf des greisen Blutes zu spornen?
Das wär's allein, was uns die süße Mühe des Atmens wert macht?
Nein, mein Freund, es ist ein anderes.
Es ist der stille Blick,
den wir zurück in's Herz tun
– wenn wir dort ein trauliches...
Michael Beer
Wenn es doch wenigstens nur einen Schleier hätte, das garstige Laster, sich dem Auge der Welt zu entstehlen! Aber da blickt's schrecklich durch den gelben, bleifarbenen Augenring; da verrät sich's im totenblassen, eingefallenen Gesicht, und dreht die Knochen häßlich hervor – da stammelt's mit der halben, verstümmelten Stimme – da predigt's fürchterlich laut vom zitternden, hinschwankenden Gerippe – da durchwühlt es der Knochen innerstes Markt und bricht die mannhafte Stärke der Jugend.
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Beginn des Endes
Ein Punkt nur ist es, kaum ein Schmerz,
Nur ein Gefühl, empfunden eben;
Und dennoch spricht es stets darein,
Und dennoch stört es dich zu leben.
Wenn du es andern klagen willst,
so kannst du's nicht in Worte fassen.
Du sagst dir selber: »Es ist nichts!«
Und dennoch will es dich nicht lassen.
So seltsam fremd wird dir die Welt,
Und leis verläßt dich alles Hoffen,
Bis du es endlich, endlich weißt,
Daß dich des Todes Pfeil getroffen.
Theodor Storm
Die ganze Gelehrtengeschichte zeigt,
Daß einer des andern Schultern besteigt,
Denn das ist's, was eben dem Wissen frommt,
Daß immer ein Folgender weiter kommt.
Was aber ein Kunstwerk heißt, ein Gedicht,
Das überlebt sich auf Erden nicht,
Denn regt's auch vielleicht zu noch Größerem an,
So ist es damit nicht abgetan;
Und lauft ihr die ganze Welt herum,
Es ist und es bleibt ein Unikum.
Otto Sutermeister