Sucht Zitate (Seite 6)
Leise rauschend durch Ruinen
Zieht der Abendwind,
Flüstert alte, düst're Märchen,
Die vergessen sind.
Von den Bäumen herbstestraurig,
Sinkt nun Blatt auf Blatt,
Sucht in der Ruine Schweigen
Eine Grabesstatt.
Fallen wird auch sie,
Die trotzig manch' Jahrhundert stand,
Ziehen werden, wo sie ragte,
Nebel übers Land.
»Märchenhaft ist dieses Leben!«
Seufzt der Abendwind:
In der heißen Brust erglommen
Mir zwei Wünschlein sind:
Meinem Leben eine Seele,
Die sich meiner eint,
Meinem Grabe eine...
Ernst Ziel
Das Mädchen spricht
Es spürt mich Einer in allem Rosenduft,
Ahne ich manchmal. Und er sucht mich auch
In Fliederblüten und den blauen Glocken.
Aber ich weiß mich selber nicht.
Ich will ihm gerne beide Hände reichen;
Nur meine Glieder sind so unbeschwert,
Daß ich mir immer wie ein Wind entgleite.
Ich glaube, daß ich noch nicht geboren bin.
Maria Luise Weissmann
Da ging ich an dem Bach zu fischen
Mit meiner Angel hin,
Und hörte hinter Erlenbüschen
Die schöne Nachbarin.
Ich ließ die Angel an dem Bach,
Und ging dem lieben Mädchen nach.
So einsam, Mädchen? Darf ich stören?
Hier sitzt man kühl und frisch.
»O gern! Ich suchte Heidelbeeren
In dieses Tals Gebüsch.
Allein die Mittagssonne sticht,
Auch lohnet es die Mühe nicht.«
Johann Heinrich Voß
Die Freude fällt uns in die Hände;
Die bloße Kunst nur, sich zu freu'n
Die will geübt, errungen sein!
Wenn sie auch jeder Narr verstände,
Dann wär sie für Weise nicht;
Die Freud'entflieht berauschten Tagen
Mit weggewandtem Angesicht.
Sie fliehet, weil wir nach ihr jagen,
Der Tor erlebt sie, fühlt sie nicht.
Sie liebt die stiller'n Seelenlagen,
Hebt Wehmuth selbst zu sich hinauf
Und sucht uns in bewölkten Tagen
In unser'm eig'nen Herzen auf.
Christoph August Tiedge
Haß
Im Innern gezüchtet als Larve des Bösen
sorgsam behütet von meiner Verschlossenheit
genährt an der Brust des Mißverständnisses,
gestärkt durch Artgenossen im derben Spiel aus anderen
sucht er ausgewachsen
die Freiheit aus der Enge.
Entsteigt aus der Tiefe der Seele
quetscht mir beim Aufstieg das Herz,
lähmt den Verstand
benutzt mich Hilflosen für sein böses Treiben
schiedet meine Worte zu erbarmungslosen Dolchen
springt dem anderen mit meiner Faust in sein Gesicht.
Und stirbt....
Nico Szaba
Frauen-Ritornelle
Blühende Myrte –
Ich hoffte süße Frucht von dir zu pflücken;
Die Blüte fiel, nun seh ich, daß ich irrte.
Schnell welkende Winden –
Die Spur von meinen Kinderfüßen sucht ich
An eurem Zaun, doch konnt ich sie nicht finden.
Muskathyazinthen –
Ihr blühtet einst in Urgroßmutters Garten;
Das war ein Platz, weltfern, weit, weit dahinten.
Dunkle Zypressen –
Die Welt ist gar zu lustig:
Es wird doch alles vergessen.
Theodor Storm
Die Wahrheit ist des Himmels erstes Kind;
Nur sie ist schön, in nackten Reizen schön
Wie Eva, eh' die Schlange sie belog.
Wer sie mit Einfalt sucht, mit Inbrunst liebt,
Den tränket sie, dem öffnet sie den Blick,
Den hebt sie über jedes Leiden, schenkt
Geduld im Leben und im Tode Ruh',
Der Dämmrung Ruhe vor dem Morgenrot.
Nur Einfalt, keusche Einfalt findet sie,
Einfalt, die im reinen Herzen nur
Mit lautrem Öl der Inbrunst Flammen nährt.
Friedrich Leopold Graf zu Stolberg-Stolberg
Das Gastmahl
Mir träumt, ich säß an einem langen Tisch
In meiner Heimat, oben unterm Nußbaum.
Vor meinen Augen wuchsen aus dem Anger
Traute Gestalten, reichten mir die Hand
Zum Gruß und setzten fröhlich sich zum Mahl.
Ich sprach: "Die Zahl ist voll, laßt uns beginnen."
Da kam verspätet eine schöne Frau.
Sie suchte, zählte und errötete.
"Ist hier für mich kein Plätzchen?" "Nein", verbot ich.
Da senkte sie die Stirn und lief geschwind
Dem Tisch entlang hinüber nach dem Nußbaum.
Dort, auf dem...
Carl Spitteler
Glück ist ein vieldeutig Wort,
So ich's recht versteh'–
Dieser sucht's im sichern Port,
Der auf hoher See.
Vielen heißt es: Ruhm und Ehr',
Ein'gen: Lieb' und Treu,
Blinder Thoren zahllos Heer
Jagd nach goldner Spreu.
Doch der hat es voll und ganz,
Dessen Leben nie
Trübet eine Dissonanz,
Glück ist — Harmonie.
Clotilde von Schwartzkoppen