Sturm Zitate (Seite 8)
Wenn aus dem innerst tiefsten Grunde
Du ganz erschüttert alles fühlst,
Was Freud' und Schmerzen jemals dir ergossen,
Im Sturm dein Herz erschwillt,
In Tränen sich erleichtern will
Und seine Glut vermehrt,
Und alles klingt an dir und bebt und zittert,
Und all die Sinne dir vergehn,
Und du dir zu vergehen scheinst
Und sinkst,
Und alles um dich her versinkt in Nacht,
Und du, in inner eigenem Gefühl,
Umfasset eine Welt:
Dann stirbt der Mensch.
Johann Wolfgang von Goethe
Sieh', alle Kraft dringt vorwärts in die Weite,
Zu leben und zu wirken dort;
Dagegen engt und hemmt von jeder Seite
Der Strom der Welt und reißt uns mit sich fort.
In diesem innern Sturm und äußern Streite
Vernimmt der Mensch ein schwer verstanden Wort:
"Von der Gewalt, die alle Wesen bindet,
Befreit der Mensch sich, der sich überwindet!"
Johann Wolfgang von Goethe
An das eigne Herz
Daß dich des Lebens Leid und Schmerz
Gleich einem Halm im Sturme wiege,
Gestatt' ich willig dir, mein Herz;
Doch daß du je dich beugst der Lüge,
Vebiet' ich dir!
Dir sei vergönnt, daß stets aufs Neu'
Du allen deinen Reichtum spendest,
Daß aber jemals Lieb' und Treu'
Du wie ein wertlos Gut verschwendest,
Vebiet' ich dir!
Verzeihen darfst du tausendmal,
Was gegen dich die Liebe sündigt.
Doch daß du dich verzehrst in Qual,
Wenn man dir kalt die Liebe kündigt,
Vebiet' ich dir!
Amélie Godin
Nun säume nicht, die Gaben zu erhaschen
Des scheidenden Gepränges vor der Wende.
Die grauen Wolken sammeln sich behende.
Die Nebel können bald uns überraschen.
Ein schwaches Flöten von zerpflücktem Aste
Verkündet dir, daß letzte Güte weise
Das Land (eh es im nahem Sturm vereise)
Noch hülle mit beglänzendem Damaste.
Die Wespen mit den goldengrünen Schuppen
Sind von verschlossnen Kelchen fortgeflogen.
Wir fahren mit dem Kahn im weiten Bogen
Um bronzebraune Laubes Inselgruppen.
Stefan George
Weil ich ohne Groll und Klage
Dies Geschick des Lebens trage
Und den Sturm zur Ruh beschwor:
Meint ihr, daß ich drum vergessen,
Was ich einst so reich besessen,
Was ich, ach, so früh verlor?
Zwar die Tränen sind zergangen,
Zu des Tags bewegtem Prangen
Lernt' ich lächeln, wie vorher;
Doch geräuschlos, tief im Herzen,
Gehn die nie verwund'nen Schmerzen
Wie ein leiser Strom durch's Meer.
Emanuel Geibel
Hoffnung
Hoffnung schlummert tief im Herzen
Wie im Lilienkelch der Tau
Hoffnung taucht, wie aus den Wolken
Nach dem Sturm des Himmelsblau;
Hoffnung keimt, ein schwaches Hälmchen,
Auch aus nackter Felsenwand;
Hoffnung leuchtet unter Thränen,
Wie im Wasser der Demant
Schon so tausendfach betrogen,
Armes, schwaches Menschenherz,
Immer wendest du dich wieder
Gläubig trauernd himmelwärts.
Wie Arachne unverdrossen,
Täglich neue Netze spannt,
Kreuze auch durch ihre Fäden,
Täglich rauh des Schicksals...
Franz Freiher von Gaudy
Wo alle Quellen münden
Ich weiß hinterm Erlbusch einen Platz,
einen Winkel, da möcht ich sterben –
Weißt auch warum? Da liegt mein Schatz,
da ging mein Glück in Scherben.
Da liegt er, ach, schon so manches Jahr
in der kühlen Erde begraben;
der Sturm braust über den Hügel fort,
am Wegrain krächzen Raben.
Das Riedgras wächst und die Wolken ziehn,
manch Wandrer geht still vorüber,
die alte Friedhofmauer stimmt
seine Lebensfreude trüber.
Du Friedhofsmauer, du Rasenstreif,
wer wollt deinen...
Else Galen-Gube
Asyl
Wenn du ein tiefes Leid erfahren,
Tief schmerzlich, unergründlich bang,
Dann flüchte aus der Menschen Scharen;
Zum Walde richte deinen Gang!
Die Felsen und die Bäume wissen
Ein Wort zu sagen auch von Schmerz;
Der Sturm, der Blitz hat oft zerrissen
Die Felsenbrust, das Waldesherz.
Sie werden dir kein Trostwort sagen,
Wie hilfreich die Menschen thun;
Doch wird ihr Echo mit dir klagen
Und wieder schweigend mit dir ruh'n.
Ludwig August Frankl von Hochwart
Das Fischermädchen
Steht auf sand'gem Dünenrücken
Eine Fischerhütt' am Strand;
Abendrot und Netze schmücken
Wunderlich die Giebelwand.
Drinnen spinnt und schnurrt das Rädchen,
Blaß der Mond ins Fenster scheint,
Still am Herd das Fischermädchen
Denkt des letzten Sturms und - weint.
Und es klagen ihre Tränen:
"Weit der Himmel, tief die See,
Doch noch weiter geht mein Sehnen,
Und noch tiefer ist mein Weh."
Theodor Fontane
Erkenntnis
Es braucht wohl Jahre, um zu seh’n,
daß vieles gar nicht wichtig,
wer wenig hat – würd’ untergeh’n,
so meint man, wäre richtig.
Erst wenn der Jugend Sturm gelegt,
dann zieht man die Bilanz,
das Leben – uns dann klar belegt,
der Reichtum war nur Glanz.
Von tausend Dingen ringsumher
hat vieles keinen Sinn,
es macht nur unser Leben schwer,
es bleibt auch kein Gewinn.
Gewonnen hat – wer völlig frei
von Lasten dieser Welt,
man lernt auch den Verzicht dabei,
um den es...
Klaus Ender
Ist mir oft der Wunsch gekommen
Abzuschütteln diese Glieder,
Dieses Herz voll Sturm und Wunden –
Seid mir theuer, bittre Stunden,
Aber kehret niemals wieder!
Kannst du zwischen Zeilen lesen,
Steht es flammend dir geschrieben:
Nur der Wahnsinn flucht dem Leben,
Nur den Thoren macht es beben –
Wers begriffen, wird es lieben.
Ludwig Eichrodt
Das Alter
Hoch mit den Wolken geht der Vögel Reise,
Die Erde schläfert, kaum noch Astern prangen,
Verstummt die Lieder, die so fröhlich klangen,
Und trüber Winter deckt die weiten Kreise.
Die Wanduhr tickt, im Zimmer singet leise
Waldvöglein noch, so du im Herbst gefangen.
Ein Bilderbuch scheint alles, was vergangen,
Du blätterst drin, geschützt vor Sturm und Eise.
So mild ist oft das Alter mir erschienen:
Wart nur, bald taut es von den Dächern wieder
Und über Nacht hat sich die Luft...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Es saß ein Mann gefangen
Es saß ein Mann gefangen
Auf einem hohen Turm,
Die Wetterfähnlein klangen
Gar seltsam in den Sturm.
Und draußen hört' er ringen
Verworr'ner Ströme Gang,
Dazwischen Vöglein singen,
Und heller Waffen Klang.
Ein Liedlein scholl gar lustig:
Heisa, so lang Gott will!
Und wilder Menge Tosen,
Dann wieder totenstill.
So tausend Stimmen irren,
Wie Wind' im Meere geh'n,
Sich teilen und verwirren,
Er konnte nichts versteh'n.
Doch spürt' er, wer ihn grüße,
Mit Schaudern und mit...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff