Seelen Zitate (Seite 6)
Von allen Seelen die geschaffen –
Hab eine ich – erwählt –
Wenn Sinn von Geist sich trennt –
Und Ausflucht – nicht mehr zählt –
Wenn das was ist – und das was war –
Für sich – und wahrhaft – steht –
Und dieses kurze Erdenstück –
Wie Treibsand – ist verweht –
Wenn Formen ihre Schönheit zeigen –
Und Nebel weggewallt,
Siehe die Urform – die ich meine –
Vor aller Lehmgestalt!
Emily Dickinson
Zweier Seelen Lied
Lieber Morgenstern,
lieber Abendstern,
ihr scheint zwei
und seid eins.
Ob der Tag beginnt,
ob die Nacht beginnt,
findet euer Schein
in uns Zweien die Liebe wach.
Lieber Abendstern,
lieber Morgenstern,
hilf uns Tag für Tag
eins sein, bis die letzte Nacht uns eint.
Richard Fedor Leopold Dehmel
Was bebt und bangt so wehe
Mein Herz empor,
Wenn ich dort oben sehe
Der Sterne Chor?
Wie freie Seelen winken,
So bannt den Blick
Ihr wandelbares Blinken:
Steig an zum Glück.
Wie reine Geister glänzen,
So mahnt ihr Licht:
Steig auf aus deinen Grenzen,
Sie wehrens nicht.
Und immer dann dies Beben,
Und immer mehr.
O Stäubchen, Menschenleben,
Und doch zu schwer?
Richard Fedor Leopold Dehmel
Himmelfahrt
Schwebst du nieder aus den Weiten,
Nacht mit deinem Silberkranz?
Hebt in deine Ewigkeiten
mich des Dunkels milder Glanz?
Als ob Augen liebend winken:
alle Liebe sei enthüllt!
als ob Arme sehnend sinken:
alle Sehnsucht sei erfüllt –
strahlt ein Stern mir aus den Weiten,
alle Ängste fallen ab,
seligste Versunkenheiten,
strahlt und strahlt und will herab.
Und es treiben mich Gewalten
ihm entgegen, und er sinkt –
und ein Quellen, ein Entfalten
seines Scheines nimmt und bringt
und...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Die Liebe war nicht geringe.
Sie wurden ordentlich blaß;
Sie sagten sich tausend Dinge
Und wußten noch immer was.
Sie mußten sich lange quälen,
Doch schließlich kam's dazu,
Daß sie sich konnten vermählen.
Jetzt haben die Seelen Ruh.
Bei eines Strumpfes Bereitung
Sitzt sie im Morgenhabit;
Er liest in der Kölnischen Zeitung
Und teilt ihr das Nötige mit.
Wilhelm Busch
Nachtgang
Wir gingen durch die stille milde Nacht,
dein Arm in meinem, dein Auge in meinem.
Der Mond goß silbernes Licht über dein Angesicht,
wie auf Goldgrund ruhte dein schönes Haupt.
Und du erschienst mir wie eine Heilige,
mild, mild und groß und seelenübervoll,
heilig und rein wie die liebe Sonne.
Und in die Augen schwoll mir ein warmer Drang,
wie Tränenahnung.
Fester faßt' ich dich und küßte, küßte dich ganz leise.
Barthold Hinrich Brockes
Liebesnacht im Haine
Um uns her der Waldnacht heilig' Rauschen
Und der Büsche abendlich' Gebet,
Seh ich dich so lieblich bange lauschen,
Wenn der West durch dürre Blätter weht.
Und es ist so traulich dann, so stille
Wenn ihr zarter Arm mich fest umschlingt
Und ein einz'ger liebevoller Wille
Unsrer Seelen Zwillingspaar durchdringt.
Fest an dich gebannt, in dich verloren,
Zähle ich an deines Herzens Schlag
Liebesstammelnd jeden Schritt der Horen.
Scheidend küsset uns der junge Tag.
Clemens Brentano
Ach wir Armen! Die Jünglinge lieben nicht, wie wir lieben:
Wenn Verlangen sie quält, trösten einander sie sich,
Suchen Freunde, vertrauen dem Freunde den Kummer der Seele,
Suchen Zerstreuung, sehn Auen und Menschen und Kunst.
Und wir eingeschlossene, kleinmütige Seelen,
Einsam zehren wir uns liebend und sehnend ins Grab.
Agathias
Bei heißer Hitze heißt es ab in den Schatten. Überhitzte Seelen und Körper schreien so oft nach Abkühlung, bekommen sie aber nicht! Der Mensch erkennt diese Alarmzeichen vielmals zu spät. Und schon ist in der Hitze des Wortes etwas gesagt, das man eigentlich gar nicht sagen wollte. Nichts wird aber so heiß gesagt wie es eigentlich gemeint sein sollte. Und doch wünsche ich mir bei vielen Menschen, daß sie endlich etwas heißer werden würden. Heißer auf Leben, heißer auf Gerechtigkeit und noch...
Stefan Wittlin