Seele Zitate (Seite 5)
Stille Gedichte
Es gibt eine Art von stillen Gedichten,
Die nichts erfinden und nichts berichten,
Die wie mit schlanken, blassen, weichen
Fingern über die Stirn dir streichen,
Die wie ein Hauch mit zagem Wehn
Träumend öffnen der Seele Türen
Und schwebend durch deine Seele gehn,
Worte hauchend im Verwehn,
Die dich jählings zu Tränen rühren.
Hugo Salus
Die Zeit
Noch kommt mit der Unsterblichkeit gepaart
die Zukunft ewig strömend zu dir her
und schafft auf ihrem unbewegten Meer
in dir den Wellenschaum der Gegenwart;
sie prallt in unergründlich schneller Fahrt
aufgischtend an deiner Seele Wehr
und bricht durch dich in einem Sturze, der
schon als Vergangenheit sich offenbart.
Bis eines Tages sich der Schaum zerstreut
und deiner Seele Balkenwerk zerfällt –
und Strom ist nicht mehr Strom, still steht die Zeit :
fort strömt die Zeit und trägt die...
Gustav Sack
Durch Liebe ward das Bittre süß und hold,
durch Liebe ward das Kupfer reines Gold,
durch Liebe ward die Hefe rein und klar,
die Liebe bot der Krankheit Heilung dar,
durch Liebe wird belebet, wer entschlafen,
durch Liebe werden Könige zu Sklaven…
Die Liebe macht das tote Brot zur Seele,
macht ewig, die vergängliche, die Seele!
Rumi
Jetzt gehn die Lüfte manchesmal als trügen
sie unsichtbar ein Schweres welches schwankt.
Wir aber müssen uns mit dem begnügen
was sichtbar ist. So sehr es uns verlangt
hinauszugreifen über Tag und Dasein
in jenes Wehen voller Wiederkehr.
Wie kann ein Fernes so unendlich nah sein
und doch nicht näher kommen? Nicht bis her?
Das war schon einmal so. Nur damals war
es nicht ein zögerndes im Wind gelöstes
Vorfrühlingsglück. Vielleicht kann Allergrößtes
nicht näher bei uns sein, so wächst das...
Rainer Maria Rilke
Lieben
I.
Und wie mag die Liebe dir kommen sein?
Kam sie wie ein Sonnen-, ein Blütenschein,
kam sie wie ein Beten? – Erzähle:
Ein Glück löste leuchtend aus Himmeln sich los
und hing mit gefalteten Schwingen groß
an meiner blühenden Seele....
II.
Das war der Tag der weißen Chrysanthemen, –
mir bangte fast vor seiner schweren Pracht...
Und dann, dann kamst du mir die Seele nehmen
tief in der Nacht.
Mir war so bang, und du kamst lieb und leise, –
ich hatte grad im Traum an dich gedacht.
Du...
Rainer Maria Rilke
Worte sind …
Worte sind das Bild der Seele,
farbenfroh, sehr bunt und offen,
sie durchwandern uns're Kehle,
sagen das, was wir erhoffen.
Worte sind das Bild des Lebens,
eingerahmt in Freud und Leid
des Nehmens und des Gebens,
jedoch auf unbestimmte Zeit.
Worte sind das Bild des Herzen,
glühend heiß und voller Liebe,
aufgelegt sogar zum Scherzen,
offen für das Weltgetriebe.
Worte sind das Bild der Träume,
meist tugendhaft, aber auch wild,
kennen weder Zeit noch Räume,
sie sind nun mal der...
Horst Rehmann
Weinende Seele
Es ist still, ich hör nur den Wind,
seh am Himmel ein Wolkenmeer,
und am Weg ein weinendes Kind,
das rennt einem Ball hinterher.
Erinnerung stürzt auf mich ein,
und erweckt die Vergangenheit,
in der ich so hilflos allein,
erlebte viel Kummer und Leid.
Was geschah ist lange schon her,
hat meinen Kindheitstraum zerstört,
doch das Geschehene wiegt schwer,
weil mein Flehen niemand gehört.
Nichts von dem hab ich je erzählt,
es blutet noch heute mein Herz,
weil diese Erinnerung...
Horst Rehmann
Du hattest Furcht
Der süßen Träume einer
– flüchtigster –,
du mir zur Seite –
Mangoblütenduft
in schweren, dichten Wellen um uns her.
Aus deiner Seele drang ein leiser Ton,
ein Aeolsharfenton –,
auch meine Seele,
sie sang ihn mit!
Nacht sank herab,
die Blüten flammten auf
im Kelchglas –
meine Sehnsucht wuchs!
Dann kamst du wieder –,
deine Seelentür
war mir verschlossen –
und es starb ein Glück
noch in der Knospe!
Du hattest Furcht vor mir und vor der Liebe!
Hermione von Preuschen
Du liebst und schweigst
Du liebst und schweigst – O hätt ich auch geschwiegen,
Und meine Bicke nur an dich verschwendet!
O hätt ich nie ein Wort dir zugewendet,
So müßt ich keinen Kränkungen erliegen!
Doch diese Liebe möcht ich nie besiegen,
Und weh dem Tag, an dem sie frostig endet!
Sie ward aus jenen Räumen uns gesendet,
Wo selig Engel sich an Engel schmiegen.
Drum laß des Wahns mich, daß du liebst, mich freuen,
Damit die Seele nicht mir ganz veröde,
Und meinen Glauben möge nichts...
August Graf von Platen Hallermund (Hallermünde)
An …
Wie süß du meiner Seele bist,
Ich weiß es nicht zu sagen!
Was still in meinem Innern sprießt,
Will nicht an's Licht sich wagen.
Vom Lenze, der in meiner Brust
Geweckt ein neues Leben,
Vermag ich, wollend und bewußt,
Den Schleier nicht zu heben.
Es sei! Wozu versucht ich auch
Ihn absichtsvoll zu lüften?
Du merkst den warmen Frühlingshauch
An seinen linden Düften.
In meinen feuchten Augen siehst
Du Licht des Morgens tagen –
Wie süß du meiner Seele bist
Brauch' ich dir nicht zu sagen!
Betty Paoli
Gottlob! daß ich auf Erden bin
Und Leib und Seele habe;
Ich danke Gott in meinem Sinn
Für diese große Gabe.
Der Leib ist mir doch herzlich lieb
Trotz seiner Fehl und Mängel,
Ich nehme gern mit ihm vorlieb
Und neide keinen Engel.
Ich küsse gern mein braunes Weib
Und meine lieben Kinder,
Und das tut wahrlich doch mein Leib,
Und mir ist es gesünder,
Als wenn ich mit Philosophie
Die Seele mir verdürbe,
Denn ein klein wenig Not macht sie,
Die liebe Weisheit, mürbe.
Novalis
Mit Leib und Seel'
Manchmal im Traume meiner Nacht
Umschling' ich sie mit tiefer Glut
In ihrer ganzen nackten Pracht
Und tu, was heiße Liebe tut …
Doch wenn sie dann am Tage mir
Begegnet, keusch und rein wie je,
Schäm' ich so bitter mich vor ihr,
Daß ich ihr kaum ins Auge seh'.
Sie aber lächelt still und fein,
Als wüßte sie, was ich verhehl'
Und spräche: Kann es anders sein
Wenn du mich liebst mit Leib und Seel'?
Und hast du nie daran gedacht,
So keusch ich dir am Tage schien,
Ob nicht die...
A. de Nora (Pseudonym für Anton Alfred Noder)
Suleika
Nicht im Rosenschmuck der Jugend
fand ich dich und liebt ich dich,
grau schon ringelten die Locken
um der Stirne Weisheit sich,
doch in deinem Kusse lodert
ungezähmte Jugendkraft,
stimmt die Harfe meiner Seele
zur Musik der Leidenschaft. –
Deine grauen Haare bergen,
was in deiner Seele ruht,
wie die Asche des Vulkanes
Zeuge ist der innern Glut,
und aus deiner Augen Tiefen,
sprühet blitzend, göttlich rein,
ewig junges Leben kündend,
deines Geistes Feuerschein.
Clara Müller-Jahnke
Herbstliche Liebe
Meine Seele spinnt dich ein;
schimmernde Marienfäden
sollen ihre Häscher sein.
Ihre Schlingen fühlst du kaum.
Eine rote Märtyrkrone
brech ich dir vom Eschenbaum.
Deine Stirne küß ich bleich –
und so führ ich dich gefangen
mitten durch mein Schattenreich.
Du wirst ganz mein eigen sein,
wirst verbluten und verblühen –
meine Seele spinnt dich ein.
Clara Müller-Jahnke