Seele Zitate (Seite 21)
Notturno
Und immer die dunkle Stimme,
Die mich allnächtlich ruft –
Und immer der sterbenssüße,
Schwüle Narzissenduft –
Immer das müde Lächeln,
Das mir die Seele stahl,
Immer wieder die alte,
Brennende Heimwehqual.
Immer nur ein Gedanke –
Du – und nichts anderes mehr,
Himmel und Erde versunken –
Lieb' ich dich denn so sehr?
Ach, ich möcht' schlafen – entrinnen
Dieser unseligen Nacht –
Aber die dunkle Stimme
Ruft mich in jeder Nacht.
Leon Vandersee
Sehnsucht
O meiner Heimat goldne Einsamkeit,
du Jugendeiland, grün und still und weit,
darin die Märchen meiner Kindheit gehen –
einmal nur möchte ich dich noch wiedersehn!
Einmal nur möchte ich wandern Hand in Hand
mit meiner Liebe durch das ferne Land –
du Seele, die ein Gott für mich erschuf,
hörst du daheim den bangen Sehnsuchtsruf?
Leon Vandersee
Nun such ich immer den einen Klang
und find ihn doch nimmer mein Lebenlang.
Ich lausche, ob nicht ein Tönen erwacht,
das meine Lieder unsterblich macht –
ob heimlich nicht schon die Schwingen regt
ein Lied, das alle Herzen bewegt,
das fromm und rein in der Seele erblüht
und dennoch Funken und Flammen sprüht –
ein Lied, das den Schmerz zur Ruhe singt
und doch wie ein Schrei der Sehnsucht klingt!
Nun such ich und such ich mein Lebenlang
immer und ewig den einen Klang …
Leon Vandersee
Die Geliebte
Die ich mir zum Mädchen wähle,
Soll von aufgeweckter Seele,
Soll von schlanker Länge sein.
Holde Sanftmut, Witz im Scherze
Rührt mein Herze,
Nicht ein glatt Gesicht allein.
Allzu jung taugt nur zum Spielen.
Fleischig sei sie anzufühlen,
Und gewölbt die weiße Brust.
Die Brünette soll vor allen
Mir gefallen:
Sie ist dauerhaft zur Lust.
Setzt noch unter diese Dinge,
Daß sie artig tanz' und singe:
Was ist solchem Mädchen gleich?
Sagt, ihr Menschenkenner, saget:
Wers erjaget,
Hat der...
Johann Peter Uz
Poetenbegräbnis
Abseits des Weges grub man ihn ein,
Zwei Männer standen am Schragen,
Ohn Sing und Sang im Tannenschrein
Hat man ihn fortgetragen.
Hoch war sein Dach in lichtleerer Welt,
Sein Tun: nur nächtliches Schreiben.
Er war ein Dichter und ohne Geld:
"Was soll so nutzloses Treiben?"
Denn niemand weiß, wie ihm glühte der Kopf,
Wenn die Seele in Flammen gestanden:
"Er war ein seltsam-verrückter Tropf
Und wurde daran zuschanden."
Und keines Menschen Mund hat geklagt
Ob unverstandenem...
Wilhelm Uhlmann-Bixterheide
Der Ungenannten
Auf eines Berges Gipfel,
Da möcht ich mit dir stehn,
Auf Täler, Waldeswipfel
Mit dir herniedersehn;
Da möcht ich rings dir zeigen
Die Welt im Frühlingsschein
Und sprechen: wär's mein eigen,
So wär es mein und dein.
In meiner Seele Tiefen
O sähst du da hinab,
Wo alle Lieder schliefen,
Die je ein Gott mir gab!
Da würdest du erkennen:
Wenn Echtes ich erstrebt,
Und mag's auch dich nicht nennen,
Doch ist's von dir belebt.
Ludwig Uhland
Immer wieder kehrst du Melancholie,
O Sanftmut der einsamen Seele.
Zu Ende glüht ein goldener Tag.
Demutsvoll beugt sich dem Schmerz der Geduldige,
Tönend von Wohllaut und weichem Wahnsinn.
Siehe! es dämmert schon.
Wieder kehrt die Nacht und klagt ein Sterbliches
Und es leidet ein anderes mit.
Schaudernd unter herbstlichen Sternen
Neigt sich jährlich tiefer das Haupt.
Georg Trakl
Geh nicht vorüber am Erdenleid!
Das Auge offen, die Arme weit,
die Füße eilend und stark die Hand,
sei du ein Bote von Gott gesandt!
Geh nicht vorüber am Erdenleid!
Hörst du, wie einsam die Seele schreit?
Siehst du, wie heimlich die Träne rinnt?
Sei Gottes Bote und tröste lind!
Geh nicht vorüber am Erdenleid!
Das Meer der Leiden ist tief und weit,
so mancher ringt mit der dunklen Flut;
wirf ihm ein Seil zu und mach ihm Mut!
Eva von Tiele-Winckler
Haß
Im Innern gezüchtet als Larve des Bösen
sorgsam behütet von meiner Verschlossenheit
genährt an der Brust des Mißverständnisses,
gestärkt durch Artgenossen im derben Spiel aus anderen
sucht er ausgewachsen
die Freiheit aus der Enge.
Entsteigt aus der Tiefe der Seele
quetscht mir beim Aufstieg das Herz,
lähmt den Verstand
benutzt mich Hilflosen für sein böses Treiben
schiedet meine Worte zu erbarmungslosen Dolchen
springt dem anderen mit meiner Faust in sein Gesicht.
Und stirbt....
Nico Szaba
Wohin?
Wohin, du rauschender Strom, wohin?
»Hinunter, hinab die Bahn.
Will rasten, weil ich müde bin,
Im stillen Ozean.«
Wohin, du wehender Wind, wohin?
»Weit, weit hinein ins Land.
Will ruhen, weil ich müde bin,
An einer Felsenwand.«
Wohin, du ziehende Wolke, wohin?
»Ich weiß ein dürres Feld!
Dort ward mir, weil ich müde bin,
Ein Ruheplatz bestellt.«
Wohin, du fliehender Vogel, wohin?
»Tief in des Waldes Reich!
Will suchen mir, weil ich müde bin,
Zur Rast einen sicheren Zweig.«
Und du, meine...
Julius Karl Reinhold Sturm
Du gehst an meiner Seite hin
Und achtest meiner nicht;
Nun schmerzt mich deine weiße Hand,
Dein süßes Angesicht.
O sprich wie sonst ein liebes Wort,
Ein einzig Wort mir zu!
Die Wunden bluten heimlich fort,
Auch du hast keine Ruh.
Der Mund, der jetzt zu meiner Qual
Sich stumm vor mir verschließt,
Ich hab ihn ja so tausendmal,
Viel tausendmal geküßt.
Was einst so überselig war,
Bricht nun das Herz entzwei;
Das Aug', das meine Seele trank,
Sieht fremd an mir vorbei.
Theodor Storm