Schône Zitate (Seite 30)
Noch ist's dem Frühling nicht gelungen,
Dem duftenden, sich uns zu nahn,
Schnee füllt die Schluchten, Niederungen,
Noch rasselt in den Dämmerungen
Das Fuhrwerk auf gefrorner Bahn.
Rot perlt auf hohen Lindenzweigen.
Kaum wärmt der Mittagssonne Hauch.
Ein erstes Gelb die Birken zeigen,
Jedoch die Nachtigallen schweigen
Noch im Johannisbeerenstrauch.
Vom Neugeborenwerden künden
Die Kraniche, die weiterziehen,
Und ihrem Flug folgt, bis sie schwinden,
Die Schöne in den Steppengründen,
Der...
Afanassi Afanassjewitsch Fet
Was will ich mehr!
Noch halt mit beiden Händen ich
Des Lebens schöne Schale fest,
Noch trink und kann nicht enden ich
Und denk nicht an den letzten Rest.
»Doch einmal wird die Schale leer,
Die letzte Neige schlürftest du.«
So trank ich doch, was will ich mehr,
Dem Tod ein volles Leben zu.
Gustav Falke
Solange Recht regiert und schöne Sitte,
Du schlicht und gläubig gehst in sichrer Mitte,
Da trittst du siegreich zwischen Molch und Drachen,
Und wo du ruhst, da wird ein Engel wachen.
Doch wenn die Kraft, die wir ›Uns selber‹ nennen,
Die wir mit Schaudern raten und nicht kennen,
Gebundne Bestien, wie geklemmt in Mauern,
Die nach der alten Freiheit dunkel lauern –
Wenn die rebellisch sich von dir lossagen,
Gewohnheit, Glauben, Sitt und Recht zerschlagen,
Und stürmend sich zum Elemente...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Vorbei
Das ist der alte Baum nicht mehr,
Der damals hier gestanden,
Auf dem ich gesessen im Blütenmeer
Über den sonnigen Landen.
Das ist der Wald nicht mehr, der sacht
Vom Berge rauschte nieder,
Wenn ich vom Liebchen ritt bei Nacht,
Das Herz voll neuer Lieder.
Das ist nicht mehr das tiefe Tal
Mit den grasenden Rehen,
In das wir Nachts viel tausendmal
Zusammen hinausgesehen. –
Es ist der Baum noch, Tal und Wald,
Die Welt ist jung geblieben,
Du aber wurdest seitdem alt,
Vorbei ist das schöne...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Lorelei
Es ist schon spät, es wird schon kalt,
was reitst du einsam durch den Wald?
Der Wald ist lang, du bist allein,
du schöne Braut! Ich führ dich heim!
»Groß ist der Männer Trug und List,
vor Schmerz mein Herz gebrochen ist,
wohl irrt das Waldhorn her und hin,
o flieh! du weißt nicht, wer ich bin.«
So reich geschmückt ist Roß und Weib,
so wunderschön der junge Leib,
jetzt kenn ich dich – Gott steh mir bei!
Du bist die Hexe Lorelei.
»Du kennst mich wohl – vom hohen Stein
schaut still mein...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Aus der Heimat hinter den Blitzen rot,
Da kommen die Wolken her,
Aber Vater und Mutter sind lange tot,
Es kennt mich dort keiner mehr.
Wie bald, wie bald kommt die stille Zeit,
Da ruhe ich auch und über mir
Rauschet die schöne Waldeinsamkeit,
Und keiner mehr kennt mich auch hier.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Auf einer Burg
Eingeschlafen auf der Lauer
Oben ist der alte Ritter;
Drüber gehen Regenschauer,
Und der Wald rauscht durch das Gitter.
Eingewachsen Bart und Haare,
Und versteinert Brust und Krause,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der stillen Klause.
Draußen ist es still und friedlich,
Alle sind ins Tal gezogen,
Waldesvögel einsam singen
In den leeren Fensterbogen.
Eine Hochzeit fährt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenscheine,
Musikanten spielen munter,
Und die schöne Braut die weinet.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Das Bilderbuch
Von der Poesie sucht Kunde
Mancher im gelehrten Buch,
Nur des Lebens schöne Runde
Lehret dich den Zauberspruch;
Doch in stillgeweihter Stunde
Will das Buch erschlossen sein,
Und so blick ich heut hinein,
Wie ein Kind im Frühlingswetter
Fröhlich Bilderbücher blättert,
Und es schweift der Sonnenschein
Auf den buntgemalten Lettern,
Und gelinde weht der Wind
Durch die Blumen, durch das Herz
Alte Freuden, alten Schmerz -
Weinen möcht ich, wie ein Kind!
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Du gleichst den tauig frischen Morgen
Du gleichst den tauig frischen Morgen,
Eh' noch die goldne Sonn' erwacht:
Noch ruht die schöne Welt verborgen
Im Silberduft der Frühlingsnacht.
Bald wird im rosigen Lichte glühen
Dein liebes Kindesangesicht -
Und herrlich wird die Welt erblühen
In erster Liebe Sonnenlicht.
Bruno Eelbo
Der Halbpoet
Es ist die allergrößte Pein,
Ein Halbpoet geboren sein,
Zu tragen in sich unerhellt
Das Chaos einer ganzen Welt,
Aus dessen Gähren, dessen Ringen
Kein ganzes Leben will entspringen.
Zu steh'n in heißen Durstesqualen
Im Zauberborn des Idealen,
Das Schöne liebend zu bereifen,
Heran zur höchsten Klarheit reifen,
Im Reinen wandeln und im Wahren –
Ohnmächtig es zu offenbaren.
In dir ein Schaffen unbewußt,
Ein lautlos Schrei'n in deiner Brust,
Ein Wogen, Keimen, Knospensprengen,
Ein...
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach