Schatten Zitate (Seite 12)
Nun um mich her die Schatten steigen,
Stellst du dich ein, willkommnes Schweigen,
Du, aller tiefsten Sehnsucht wert.
Sehr hab ich unter Lärm und Last
Des Tags nach dir, du scheuer Gast,
Wie einem lieben Freund begehrt.
Das wirre Leben ist verklungen,
In Höhen ging und Niederungen
Längst jeder laute Schall zur Ruh.
Urstimmen, die der Tag verschlang,
Erklingen, mystischer Gesang –
Ja, süßes Schweigen, rede du.
Was über deinen stillen Mund
Aus einem rätseltiefen Grund
Mit leisem Murmeln quillt...
Gustav Falke
Zwei
Drüben du, mir deine weiße
Rose übers Wasser zeigend,
Hüben ich, dir meine dunkle
Sehnsüchtig entgegen neigend.
In dem breiten Strome, der uns
Scheidet, zittern unsre blassen
Schatten, die vergebens suchen,
Sich zu finden, sich zu fassen.
Und so stehn wir, unser Stammeln
Stirbt im Wind, im Wellenrauschen,
Und wir können nichts als unsre
Stummen Sehnsuchtswinke tauschen.
Leis, gespenstig, zwischen unsern
Dunklen Ufern schwimmt ein wilder
Schwarzer Schwan, und seltsam schwanken
Unsre...
Gustav Falke
Brahma
Der rote Schläger denkt, daß er schlüge,
und der Erschlagene denkt, er sei erschlagen:
Sie wissen nicht, wie heimlich ich es füge,
daß alle Dinge mich im Innern tragen.
Für mich ist nah, was ferne und versunken;
Sonne und Schatten geben sich nichts nach;
Götter erscheinen mir, die längst entschwunden;
ein und dasselbe sind mir Ruhm und Schmach.
Wer mich verleugnet, kennt nicht seine Lage:
Wenn er mich flieht, bin ich, was ihn beschwingt;
ich bin der Fragesteller und die Frage;
ich bin...
Ralph Waldo Emerson
Grabschrift
Im Schatten dieser Weide ruht
Ein armer Mensch, nicht schlimm noch gut.
Er hat gefühlt mehr als gedacht,
Hat mehr geweint als er gelacht;
Er hat geliebt und viel gelitten,
Hat schwer gekämpft und – nichts erstritten.
Nun liegt er endlich sanft gestreckt,
Wünscht nicht zu werden auferweckt.
Wollt Gott an ihm das Wunder tun,
Er bäte: Herr, o laß mich ruhn!
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach
Gedankliches
Ich sitze hier
in den Wäldern
im Schatten des Berges
dessen Namen ich nicht kenne
der Baumstumpf unter mir
drängt mir mit seiner harten Feuchtigkeit
Gedanken des Lebens in den Kopf
wenn ich in die Ferne sehe
zu einem von Gehölz verdeckten Horizont
um seine Grenzen zu verlassen
wohin werde ich gelangen
wenn ich von einem Horizont zum nächsten schwebe
die Unbegrenztheit der Unendlichkeit verlassend
in welchen Alleen werde ich sein
die alle noch immer nicht
das Alles sind
der...
Gerald Dunkl
Dann
Doch als du dann gegangen,
da hat sich mein Verlangen
ganz aufgethan nach dir ...
Als sollt' ich dich verlieren,
schüttelte ich mit irren
Fingern deine verschlossne Thür.
Und durch die Nacht der Scheiben,
ob du nicht würdest bleiben,
bettelten meine Augen, und –
Du gingst hinauf die Stufen
und hast mich nicht gerufen,
mich nicht zurück an deinen Mund.
Vernahm nur noch mit stieren
Sinnen dein Schlüsselklirren
im schwarzen Flur, und dann –
Traum ... bis die Schatten kamen,
wo wir im Park...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Und man erkennt: Verbindlichkeit ist Leben,
und jeder lebt so völlig wie er liebt:
Die Seele will, was sie erfüllt, hingeben,
damit die Welt ihr neue Fülle gibt.
Bei Tag, bei Nacht umschlingt uns wie ein Schatten
im kleinsten Kreis die große Pflicht:
Wir alle leben vom geborgten Licht
und müssen diese Schuld zurückerstatten.
Richard Fedor Leopold Dehmel
Der Stieglitz
Die Sonne blitzt, ein Distelfeld
belebt die stille Mittagswelt;
im starrgezackten Blättermeer
glühn purpurlockig kreuz und quer
die Blütenköpfe.
Und durch den eisengrauen Busch,
ein bunter Vogel, hupp, hupp, husch,
hüpft durch das wilde Staudenheer,
als ob es ohne Stacheln wär:
ein junger Stieglitz.
Wie wirr, wie wunderlich geschweift!
Ein leichtes Lüftchen kommt und greift
von Blütenspeer zu Blütenspeer
und wirft die Schatten hin und her;
weg ist der...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Blick ins Licht
Still von Baum zu Bäumen schaukeln
Meinen Kahn die Uferwellen;
Märchenblütenblau umgaukeln
Meine Fahrt die Schilflibellen,
Schatten küssen den Boden der Flut.
Durch die dunkle Wölbung der Erlen
- welch ein funkelndes Verschwenden -
Streut die Sonne mit goldenen Händen
Silberne Perlen
In die smaragdenen Wirbel der Flut.
Durch die Flucht der Strahlen schweben
Bang nach oben meine Träume,
Wo die Bäume
Ihre krausen Häupter heben
In des Himmels ruhige Flut.
Und in leichtem,...
Richard Fedor Leopold Dehmel
In der grünen Stille
Nun sind wir draußen in der grünen Stille
Und gehen sonder Wille für uns hin.
Nur Blätter sprechen laut um uns mit Sausen.
Es jagt vor uns des Morgenwindes Brausen,
Und Baum und Blätter wollen mit ihm fliehn.
Er ist ein Reiter, einer von den Kühnen,
Und Schatten winken hinter ihm im Grünen.
Vom Haselstrauch und Eichenlaub umgeben
Sind stille Winkel, wo kein Lufthauch geht;
Wo man sich taub hinlegt vom lauten Leben,
Und wo das Gras voll Sommerwärme steht.
Die Meisen zirpen...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Immerhin
Mein Herz, sei nicht beklommen,
Noch wird die Welt nicht alt.
Der Frühling ist wiedergekommen,
Frisch grünt der deutsche Wald.
Seit Ururvätertagen
Stehen die Eichen am See,
Die Nachtigallen schlagen,
Zur Tränke kommt das Reh.
Die Sonne geht auf und unter
Schon lange vieltausendmal,
Noch immer eilen so munter
Die Bächlein ins blühende Tal.
Hier lieg ich im weichen Moose
Unter dem rauschenden Baum,
Die Zeit, die wesenlose,
Verschwindet als wie ein Traum.
Von kühlen Schatten...
Wilhelm Busch
Herbststille
Lautlos schwebt das Wolkendach im Äther.
Ist der Herbstwind schon zur Ruh' gegangen?
Kein Gewild lauscht und kein Nachtanbeter
In den Schatten, die von Bäumen hangen.
Wachte außer mir noch eine Seele,
Ihre stillste Regung würd' ich hören.
Flög' ein Lichtstrahl nieder, ohne Fehle
Würd' im Dorf sein Schwung die Ruhe stören.
Da, ein Schlag! ein zweiter, ihm verbündet,
Mit den Händen mein' ich sie zu greifen.
Birnen fallen und ihr Schlag verkündet,
Daß die Früchte in der Stille reifen.
Jakob Boßhart