Nur Zitate (Seite 285)
Die Tellenschüsse
Ob sie geschehn? Das ist hier nicht zu fragen;
Die Perle jeder Fabel ist der Sinn,
Das Mark der Wahrheit ruht hier frisch darin,
Der reife Kern von allen Völkersagen.
Es war der erste Schuss eines Alleswagen,
Kind, Leib und Gut, an köstlichen Gewinn:
Blick' her, Tyrann! was ich nur hab' und bin,
Will ich beim ersten in die Schanze schlagen!
Und du stehst leer und heillos, wie du bist,
Und lässest fühllos dir am Herzen rütteln,
Und spiegelst lächelnd dich in meinem Blut?
Und...
Gottfried Keller
Abendlied
Augen, meine lieben Fensterlein,
Gebt mir schon so lange holden Schein,
Lasset freundlich Bild um Bild herein:
Einmal werdet ihr verdunkelt sein!
Fallen einst die müden Lider zu,
Löscht ihr aus, dann hat die Seele Ruh;
Tastend streift sie ab die Wanderschuh,
Legt sich auch in ihre finstre Truh.
Noch zwei Fünklein sieht sie glimmend stehn
Wie zwei Sternlein, innerlich zu sehn,
Bis sie schwanken und dann auch vergehn,
Wie von eines Falters Flügelwehn.
Doch noch wandl ich auf dem...
Gottfried Keller
Familienglück – o heilig stiller Tempel,
Der Liebe Kultus, der nur Liebe heischt,
Auf unser Dasein drückst erst du den Stempel,
Verbindest Herzen, wo die Welt zerfleischt.
Es ging das Paradies für uns verloren,
Der Cherub wehrt der Vermessenheit;
Doch ward ein neues Eden uns geboren
In deinen Träumen, traute Häuslichkeit! –
Eduard Ernst Heinrich Kauffer
Du bist im Strahlenkleide
Die Sonne, lieb und mild,
Du bist auf grüner Heide
Ein schön' Madonnenbild.
Der lichte Schein des Goldes
Erglänzt in deinem Haar:
Blau-Äugelein, du holdes,
O schütz' mich immerdar.
Ich sinke vor dir nieder
Voll sehnender Begier,
Und jedes meiner Lieder
Ist ein Gebet zu dir,
Ein Flehen nur, ein scheues,
Um Rettung aus Gefahr;
Blau-Äugelein, du treues,
O schütz' mich immerdar.
O diese Augen beide
So mild, so fromm, so gut,
Darüber das Geschmeide
Der zarten Wimper...
Eduard Ernst Heinrich Kauffer
Die veränderlichen Triebe der menschlichen Alter
Nach Puppen wird das Kind sich sehnen,
Der muntre Jüngling nach der Schönen,
Der Ruhm erhitzt des Mannes Fleiß,
Und Gold begehrt der matte Greis.
Bei so veränderlichen Trieben,
Wer wird sein wahres Glücke lieben?
Nur der, der Schöne, Ruhm und Geld
Für Puppen der Erwachsnen hält.
Abraham Gotthelf Kästner
Eine Sehnsucht sitzt im Herzen,
ich weiß nicht, wohin sie will.
Flieht sie zum Himmel, bleibt sie auf Erden?
Ich liege und halte still.
Sucht sie des Grabes Ruh oder das Leben?
Ich fühl's, sie läßt sich nicht stillen,
es ist eine Sehnsucht auf eigene Hand,
nur um der Sehnsucht willen.
Erik Axel Karlfeldt
Es ist nun einmal so auf dieser Erdenwelt,
Es gibt nur einen starken Hebel, der heißt: Geld!
Wer ihn nicht hat, darf in gedrückten Lagen
Zu deren Hebung auch den Versuch nicht wagen;
Die Tröstung ohne Macht ist eitles Betrügen,
Dem Schwachen ziemts, demütig sich zu fügen;
Es hört sich nichts possierlicher wohl an,
Als kluger Rat von einem armen Mann.
Wer nach dem Wort die Tat nicht auch kann zeigen,
Tut besser dran, bescheiden ganz zu schweigen.
Meschullam ben Kalonymos
Die Macht der Liebe
Überall wohin mein Auge blicket,
Herrschet Liebe, find' ich ihre Spur;
Jedem Strauch und Blümchen auf der Flur
Hat sie tief ihr Siegel eingedrücket.
Sie erfüllt, durchglüht, verjüngt und schmücket
Alles Lebende in der Natur;
Erd' und Himmel, jede Kreatur,
Leben nur durch sie, von ihr beglücket.
Johann Nepomuk Ritter von Kalchberg
Zwei Gräber
Sie liebten sich und mußten, ach, sich meiden!
Im Traum nur durften sie einander sehen,
Im Traume sich ihre Liebe eingestehen,
Denn eine weite Kluft lag zwischen beiden.
Da kam der stille Tod und machte Frieden,
Mit milder Hand versöhnt' er ihre Leiden,
Und während sonst im Tod die Menschen scheiden,
Hat sie der Tod vereinigt noch hienieden.
Sein Grab umklettern blüh'nde Rosenranken
Sie sind vom Hügel sanft hinabgestiegen,
Sich zärtlich an das Immergrün zu schmiegen,
Das ihrem...
Max Kalbeck
Erkenne Dich selbst bedeutet nicht:
Beobachte Dich.
Beobachte
Dich ist das Wort der Schlange.
Es bedeutet:
Mache Dich zum Herrn Deiner Handlungen.
Nun bist Du es aber schon,
bist Herr Deiner Handlungen.
Das Wort bedeutet also: Verkenne Dich!
Zerstöre Dich!
Also etwas Böses
und nur wenn man sich sehr tief hinabbeugt,
hört man auch sein Gutes, welches lautet:
"um Dich zu dem zu machen, der Du bist."
Franz Kafka
Das Kriechtier und der Mann von Welt
Bei der Arbeit Spitzenkraft,
die die andern Kräfte schafft,
in der Kneipe stolzer Feldherr,
nur zu Haus bei Mama fällt er
auf die Knie, um zu kuschen;
dort ein Held und hier in Puschen. –
Ein Kriechtier und ein Mann von Welt,
zwei Seelen treiben den Pantoffelheld.
Michael Marie Jung
Von der Teutschen Sprach
Wann eine Sprache man mit fremden Worten schmücket,
so scheint sie wie ein Weib, die ihr Gesicht geferbt;
wann man es recht besieht, so ist es ganz verderbt,
so ihrer zarten Hautt nur endlich Schaden bringet.
Die teutsche Sprach ist den andern Sprachen gleich,
und weren sie von Wort und Klange noch so reich,
drum laßt uns unsere Sprach in unserer Sprache reden.
Johanna Elisabeth von Baden-Durlach