Nur Zitate (Seite 249)
Abstammung
Wir sind nur Blüten an einem Baum:
Ein jeder träumt seinen Blütentraum
Und weiß nicht viel vom Andern;
Wir brechen hervor aus Zweiglein und Ast,
Wir fühlen der Blätter und Blättchen Getast
Und der Winde und Wolken Wandern.
Der Baum der Menschheit, der uns trägt,
Der Sturmwind Tod, der uns niederfegt,
Sind's, die unser Dasein umründen.
Wir stammen aus Erde und Himmelslicht,
Mehr wissen auch unsere Weisesten nicht:
Den Stamm konnte keiner ergründen.
Ludwig Scharf
Laß dich tragen
von den Fragen – in die Antwort tragen.
Wir sehnen uns nach Antworten,
ohne zu erkennen,
daß es die Fragen sind, die uns bewegen,
die uns vorwärtsbringen.
Laß dich tragen
von den Fragen – in die Antwort tragen.
Manchmal machen sie uns Angst, die Fragen.
Doch sie sind unsere Freunde,
wenn sie ehrlich sind.
Laß dich tragen
von den Fragen – in die Antwort tragen.
Wir stellen uns vor, daß es die eine Antwort gibt.
Doch unsere Fragen öffnen den Weg
zu unserer ureigenen...
Helga Schäferling
Das erste Liebeswort
Das war der süßeste der Laute!
Sie sprach's, das erste Liebeswort;
Im Herzen nun trag ich das traute
Tiefselige Geheimnis fort.
Allein, wo berg' ich meine Wonne,
Daß ich sie wohl behüten mag?
Dein Licht verhülle, läst'ge Sonne!
Verstumme, lärmbewegter Tag!
Weltfern sei meines Glückes Fülle
Begraben, wo sie nichts verrät
Und nur durch Nacht und heil'ge Stille
Des süßen Wortes Nachhall weht.
Adolf Friedrich Graf von Schack
Wie wenn im frost'gen Windhauch tödlich
des Sommers letzte Blüte krankt,
und hie und da nur, gelb und rötlich,
ein einzeln Blatt im Windhauch schwankt,
so schaudert über meinem Leben
ein nächtig trüber kalter Tag,
warum noch vor dem Tode beben,
o Herz, o Herz, mit deinem ew'gen Schlag!
Sieh rings entblättert das Gestäude!
Was spielst du, wie der Wind am Strauch,
noch mit der letzten welken Freude?
Gib dich zur Ruh, bald stirbt sie auch.
Adolf Friedrich Graf von Schack
Schmerzen
Körperlich –
Psychische Schmerzen –
Ziehen, Stechen, Zerreißen –
treiben mir Tränen in die Augen.
Wut, Einsamkeit, Trauer und Angst
läßt Leere in mir entstehen.
Wo soll ich nur mit all diesen Schmerzen hin?
Nicht zu Euch,
denn Ihr wollt die »Alte«
sehen, hören und fühlen.
So bleiben sie eben dort vergraben,
wo sie hingehören;
In und bei mir.
Alexandra Savnik
Ohne Dich
Gefühle,
die kaum erwidert wurden.
Ängste,
die jeder für sich durchlebte.
Freude,
die größtenteils geteilt wurde.
Trauer,
die mir schien nur ich erlebte.
Wege,
die wir getrennt liefen.
Zusammen – leben,
wohl eher Aus – ein – ander – leben.
Ein – sam – keit,
welche ich nun durchlebe.
ohne Dich
Doch lieber ohne Dich,
als mit Dir,
aber ohne mich.
Alexandra Savnik
Gib nur mit reinem Sinne
Und dann sei ohne Bangen,
Wie deine Gabe werde
Der Menschen Sinn empfangen.
Es fiel herab vom Himmel
Ein reiner Regentropfen
Hin auf ein glühend Eisen: –
Da war er schnell vergangen.
Es fiel herab vom Himmel
Ein zweiter Regentropfen:
Den sah als Perle Tau still
Man an der Rose hangen.
Es fiel herab vom Himmel
Ein dritter Regentropfen:
Den hat in ihre Schale
Die Muschel aufgefangen.
Die sah man drauf als schönste
Und reinste Perle selber,
von allen hoch bewundert,
Im...
Daniel Sanders
Das Märchen vom Glück
Das Märchen vom Glück, das ich euch sag',
Dauert gerad' einen Herzensschlag;
Dürft drum mein Märchen nicht töricht schelten,
So tief ihr's faßt, so tief wird's euch gelten!
Und dies ist mein Märchen: Das echte Glück
Bleibt nur gerad' einen Augenblick.
Einmal hat's einer am Ärmel genommen
Und hielt's gefangen in seinem Haus,
Da hat es grau-graue Haare bekommen;
Und wie das Glück graue Haare bekommen,
Da sah es genau wie das Unglück aus …
Mein Märchen, es dauert so lang'...
Hugo Salus
Mancherlei Sorgen und mancherlei Schmerzen
Quälen uns wahrlich aus eigener Schuld.
Hoffnung ist Labsal dem wundesten Herzen,
Duldende stärket gelassne Geduld.
Wenn euch die Nebel des Trübsinns umgrauten,
Hebt zu den Sternen den sinkenden Mut;
Heget nur männliches, hohes Vertrauen!
Guten ergeht es am Ende doch gut.
Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
Im Zeichen des Kampfes geboren,
such' ich den Frieden nicht;
ich fühl' mich matt, verloren,
wo man vom Glück nur spricht.
Ich liebe die strengen Stirnen
wo schwer der Gedanke wohnt,
gleich den ragenden Silberfirnen,
nah' denen die Sonne thront.
Ich liebe gewappnete Hände,
ein streitbares, herbes Wort,
das suchend geht, ob's nicht fände
der Echtheit und Wahrheit Hort.
Ich kann nicht anders und sage:
So bin ich, Gott helfe mir,
so bleib' ich bis meine Tage
erschöpft sind auf Erden hier.
Edith Gräfin Salburg
Herbst
Der du die Wälder färbst,
Sonniger, milder Herbst,
Schöner als Rosenblühn
Dünkt mir dein sanftes Glühn.
Nimmermehr Sturm und Drang,
Nimmermehr Sehnsuchtsklang;
Leise nur atmest du
Tiefer Erfüllung Ruh.
Aber vernehmbar auch
Klaget ein scheuer Hauch,
Der durch die Blätter weht,
Daß es zu Ende geht.
Ferdinand von Saar
Böse Jahre
In meinem Leben gab es böse Jahre –
Wie jene aus der Bibel waren's sieben –
Da hat mich ein Verhängniß umgetrieben,
Ich wandelte – und lag doch auf der Bahre.
Nicht ein Erinnern, das ich voll bewahre
Aus jener Zeit, wo, ohne Frucht geblieben,
Mein Geist in ödem Denken sich zerrieben,
Und Gram und Sorge bleichten meine Haare!
Gleich schwerem Traum zerfloß ihr dunkles Walten,
Und auf vernarbte Wunden kann ich zeigen,
Kaum wissend mehr, von wem ich sie erhalten.
Nur manchmal, einzeln...
Ferdinand von Saar
Die Pappeln
Wie lieb' ich euch,
Leise schwankende Pappeln,
Die ihr gesammelten Wuchses
Zum Himmel aufstrebt!
Freilich wohl
Erreicht ihr ihn nicht –
Aber hoch empor ragt ihr
über niedres Gestrüpp nicht bloß
Und den verkrüppelten Fruchtbaum:
Auch die mächtige Eiche,
Die schattenspendende Linde
Laßt ihr unter euch.
Und mit ihnen
Die dumpfen Wohnungen der Menschen,
Deren kurzer Blick, dem Nützlichen zugewandt,
Nur selten an euch, den Nutzlosen,
Empor sich hebt,
Indes ihr,
Weithin überschauend die...
Ferdinand von Saar