Nacht Zitate (Seite 6)
Ballade
Ein schwüler Garten stand die Nacht.
Wir verschwiegen uns, was uns grauend erfaßt.
Davon sind unsre Herzen erwacht
Und erlagen unter des Schweigens Last.
Es blühte kein Stern in jener Nacht
Und niemand war, der für uns bat.
Ein Dämon nur hat im Dunkel gelacht.
Seid alle verflucht! Da ward die Tat.
Georg Trakl
Die heilige Nacht
So ward der Herr Jesus geboren
Im Stall bei der kalten Nacht.
Die Armen, die haben gefroren,
Den Reichen ward's warm gemacht.
Sein Vater ist Schreiner gewesen,
Die Mutter war eine Magd.
Sie haben kein Geld nicht besessen,
Sie haben sich wohl geplagt.
Kein Wirt hat ins Haus sie genommen:
Sie waren von Herzen froh,
Daß sie noch in Stall sind gekommen.
Sie legten das Kind auf Stroh.
Die Engel, die haben gesungen,
daß wohl ein Wunder gescheh'n.
Da kamen die Hirten gesprungen
Und...
Ludwig Thoma
Gruß an die Nacht
Wie hast du mich so müde gemacht,
o Tag mit deiner leuchtenden Pracht,
mit deiner Farben buntem Schein,
mit deinen rauschenden Melodein.
Willkommen, o Nacht! und decke du
die Erde mit deinem Schleier zu,
laß schwinden die Farben, die Töne verwehn,
laß alles Leben um dich vergehn,
und lasse mich träumen allein mit dir,
vom leuchtenden Himmel hoch über mir.
Julius Karl Reinhold Sturm
O stille Nacht
Weihrauchduft
zieht durch die Zimmer –
die Rauhnacht weht vorbei ...
die Kerzen sind erloschen.
Bis auf die zwei,
die vor dem Fenster
unsren Toten hell den Weg
in unsre Nähe weisen,
und die sie wissen lassen,
daß sie noch ganz bei uns.
Gedanken reisen
in die Anderswelt;
der Mond ist groß und voll
und grüßt versonnen
den, der da Andacht hält.
O stille Nacht.
In deinen Armen
verliert sich unser ganzes Sein,
versinkt das Streben,
wird alles Erdenleben
bedeutungslos,
gering und klein.
Ingrid Streicher
Gebet auf den Wassern
Die Nacht ist hehr und heiter,
Das Land ist weit, wie weit!
Es ruht das Meer in breiter
Smaragdener Herrlichkeit.
Mir ist zu Mut, als schliefe
Der Woge Grimm und Macht,
Und schwebte über der Tiefe
Der Herr durch die heilige Nacht.
Mir ist, als müßt' ich zur Stunde
Hinsinken tief und jäh
Zum grünsten Meeresgrunde,
O Herr, vor deiner Näh'!
Mir ist, als müßte hoch über
Mir ruhn die feuchte Gruft,
Und dieses Lied darüber
Wehen als Morgenluft.
Moritz Graf von Strachwitz
Geflüster der Nacht
Es ist ein Flüstern in der Nacht,
Es hat mich ganz um den Schlaf gebracht;
Ich fühl's, es will sich was verkünden
Und kann den Weg nicht zu mir finden.
Sind's Liebesworte, vertrauet dem Wind,
Die unterwegs verwehet sind?
Oder ist's Unheil aus künftigen Tagen,
Das emsig drängt sich anzusagen?
Theodor Storm
Triumphzug der Nacht
Ein müder Zugstier schreitet schwer und sacht,
vom Flimmerglanz des Mondenlichts umlacht.
Sein warmer Odem haucht durch reifes Korn,
in Rosenketten prangt das Riesenhorn.
Er schreitet still durch Duft und Blütentau,
und wo er rastet, lächelt stumm die Au.
Zu seinen Häupten strahlt ein blauer Stern,
zum Greifen nahe, und doch nebelfern.
So rollt in Ruhe, müde, schwer und sacht,
im Traum dahin das Goldgespann der Nacht.
Im Nebelkleide thront die Königin,
und über Blüten...
Maurice Reinhold von Stern
Selbstmitleid
manchmal fordere ich mein Selbstmitleid heraus,
treibe es auf die Spitze,
lade es ein,
sich mir zu zeigen,
mit mir zu tanzen
um das große Feuer,
bis tief in die Nacht.
Nach Stunden der Bewegungen,
verwandelt es sich manchmal,
im Schein des Feuers,
in eine Frau,
die voller Kraft und Phantasie steckt.
Wir tanzen den Tanz,
zwischen Schwäche und Stärke,
zwischen Erschöpfung und Ekstase
oft die ganze Nacht,
bis in die frühen Morgenstunden,
bis das Feuer langsam erlischt.
Lachend und...
Petra Speth
Frühgesang
Verschwunden ist die finstre Nacht,
Die Lerche schlägt, der Tag erwacht,
Die Sonne kommt mit Prangen
Am Himmel aufgegangen.
Sie scheint in Königs Prunkgemacht,
Sie scheinet durch des Bettlers Dach,
Und was in der Nacht verborgen war,
Das macht sie kund und offenbar.
Lob sei dem Herrn und Dank gebracht,
Der über diesem Haus gewacht,
Mit seinen heil'gen Scharen
Uns gnädig wollt' bewahren!
Wohl mancher schloß die Augen schwer
Und öffnet sie dem Licht nicht mehr;
Drum freue sich, wer,...
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Abendlied
Ringsum nun wird es stille,
Indeß der Tag versinkt,
Und froh im Gras die Grille
Den Thau der Dämmrung trinkt.
Aufsteigt die Nacht im Westen,
Sie athmet hörbar kaum
Und wiegt von Ast zu Aesten
Den Wald in Schlag und Traum.
Den Vögeln wie sie brüten,
Drückt sie die Augen zu
Und lullt im Thal die Blüten,
Die Aehren all' in Ruh'.
Komm, Mutter Nacht, und lege
Die Hand aufs Herz mir mild,
Daß sie die wilden Schläge
Dem Ruhelosen stillt!
Adolf Friedrich Graf von Schack