Lieben Zitate (Seite 36)
Märchen
In deiner lieben Nähe
Bin ich so glücklich. Ich mein,
Ich müßte wieder der wilde,
Selige Knabe sein.
Das macht deiner süßen Jugend
Sonniger Frühlingshauch.
Ich hab dich so lieb. Und draußen
Blühen die Rosen ja auch.
O Traum der goldenen Tage!
Herz, es war einmal.
Abendwolken wandern
Über mein Jugendtal.
Gustav Falke
Die Falte
Heute sah ich den Haß,
Den herrlichen nackten Haß.
So dacht ich mir
Die trotzige Schönheit gefallener Engel:
Wildheit ganz
Und knirschender Stolz.
»Wie schön du bist«,
Betete ich an.
»Millionen
Preisen mich«, lächelte er,
»Mein ist das Reich.«
Und ich sah auf und sah
Zwischen den Nachtbrauen
Die Schmerzfalte,
Senkrecht,
Tief eingefurcht.
»Warum diese Falte?«
Abgewandt schwieg er.
Warum diese Falte?«
Leise,
Verquält klang es zurück:
»Weil ich nicht lieben darf.«
Gustav Falke
Trennung
Ich steh bei meinen vielen Büchern;
Ich geh spazieren durch den Wald –
Und weiß dabei von keinem klügern,
Von keinem schönern Aufenthalt.
Ich sitz in meiner trauten Schenke,
Bei lieben Freunden und beim Wein,
Und weil ich just nicht an dich denke,
So glaub ich überfroh zu sein.
Da übermannt mich oft ein Sehnen,
Der Zufall hat mirs angetan,
Und mir entstürzen schier die Tränen,
Und bittre Wehmut faßt mich an.
Dann kann mich, ach, nur das erfreuen,
Daß gleicher Schmerz zu dir auch...
Ludwig Eichrodt
Ist mir oft der Wunsch gekommen
Abzuschütteln diese Glieder,
Dieses Herz voll Sturm und Wunden –
Seid mir theuer, bittre Stunden,
Aber kehret niemals wieder!
Kannst du zwischen Zeilen lesen,
Steht es flammend dir geschrieben:
Nur der Wahnsinn flucht dem Leben,
Nur den Thoren macht es beben –
Wers begriffen, wird es lieben.
Ludwig Eichrodt
Vorbei
Das ist der alte Baum nicht mehr,
Der damals hier gestanden,
Auf dem ich gesessen im Blütenmeer
Über den sonnigen Landen.
Das ist der Wald nicht mehr, der sacht
Vom Berge rauschte nieder,
Wenn ich vom Liebchen ritt bei Nacht,
Das Herz voll neuer Lieder.
Das ist nicht mehr das tiefe Tal
Mit den grasenden Rehen,
In das wir Nachts viel tausendmal
Zusammen hinausgesehen. –
Es ist der Baum noch, Tal und Wald,
Die Welt ist jung geblieben,
Du aber wurdest seitdem alt,
Vorbei ist das schöne...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Der frohe Wandersmann
Wem Gott will rechte Gunst erweisen,
Den schickt er in die weite Welt;
Dem wird er seine Wunder weisen
In Berg und Tal und Strom und Feld.
Die Bächlein von den Bergen springen,
Die Lerchen schwingen hoch vor Lust,
Was soll’t ich nicht mit ihnen singen
Aus voller Kehl’ und frischer Brust.
Die Trägen, die zu Hause liegen,
Erquicket nicht das Morgenrot;
Sie wissen nur vom Kinderwiegen,
Von Sorgen, Last und Not um Brot.
Den lieben Gott laß’ ich nur walten,
Der...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Ich wär verschlossen, an Vertrauen arm? –
Dann bin ich's unbewußt, daß Gott erbarm.
Nicht kluge Vorsicht ist mir angeboren,
Im Glauben nehm ich's auf mit jedem Toren,
Zur Lüge fehlt mir Feigheit und Geduld.
Mein Denken, all mein Hassen und mein Lieben,
Es steht so klar auf meiner Stirn geschrieben –
Daß ihr nicht lesen lernt, ist eure Schuld.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach
O fünfzehn Jahre, lange öde Zeit!
Wie sind die Bäume jetzt so starr und breit!
Der Hütte Tür vermocht' ich kaum zu regen,
Da schoß mir Staub und wüst Gebrüll entgegen,
Und an dem blanken Gartensaale drüben,
Da steht 'ne schlanke Maid mit ihrem Lieben,
Die schaun sich lächelnd in der Seele Grund,
In ihren braunen Locken rollt der Wind:
Gott segne dich, du bist geliebt, mein Kind,
Bist fröhlich und gesund!
Annette von Droste-Hülshoff
Waldandacht
Frühmorgens wenn die Hähne kräh'n,
Eh' noch der Wachtel Ruf erschallt,
Eh' wärmer all' die Lüfte weh'n,
Vom Jagdhornruf das Echo hallt,
Dann gehet leise, nach seiner Weise,
Der liebe Herrgott durch den Wald.
Die Quelle, die ihn kommen hört,
Hält ihr Gemurmel auf sogleich,
Auf daß sie nicht die Andacht stört,
So Groß und Klein im Waldbereich,
Die Bäume denken; »Nun laßt uns senken
Vor'm lieben Herrgott das Gezweig!«
Die Blümlein, wenn sie aufgewacht,
Sie ahnen auch den Herrn...
Lebrecht Dreves
Frau Schwalbe
Frau Schwalbe ist 'ne Schwätzerin,
Sie schwatzt den ganzen Tag,
Sie plaudert mit der Nachbarin,
So viel sie plaudern mag.
Das zwitschert, - das zwatschert
Den lieben langen Tag!
Sie schwatzt von ihren Eiern viel,
Von ihren Kindern klein,
Und wenn sie Niemand hören will,
Schwatzt sie für sich allein,
Das zwitschert, - das zwatschert
Und kann nicht stille sein!
Hält sie im Herbst Gesellschaft gar
Auf jedem Dache dort, -
So schwatzen die...
Georg-Christoph Dieffenbach
Befreit
Du wirst nicht weinen. Leise, leise
Wirst du lächeln, und wie zur Reise
Geb ich dir Blick und Kuß zurück.
Unsre lieben vier Wände! Du hast sie bereitet,
Ich hab sie dir zur Welt geweitet –
O Glück!
Dann wirst du heiß meine Hände fassen
Und wirst mir deine Seele lassen,
Läßt unsern Kindern mich zurück.
Du schenktest mir dein ganzes Leben,
Ich will es ihnen wiedergeben –
O Glück!
Es wird sehr bald sein, wir wissen's beide.
Wir haben einander befreit vom Leide;
So geb' ich dich der...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Atemloser August
Sommermonde machen Stroh aus Erde,
Die Kastanienblätter wurden ungeheuer von Gebärde,
Und die kühnen Bäume stehen nicht mehr auf dem Boden,
Drehen sich in Lüften her gleich den grünen Drachen.
Blumen nahen sich mit großen Köpfen und scharlachen,
Blau und grün und gelb ist das Gartenbeet, hell zum Greifen,
Als ob grell mit Pfauenschweifen ein Komet vorüberweht.
Und mein Blut, das atemlos bei den sieben Farbenstreifen stille steht,
Fragt sich: wenn die Blum', Baum und Felder...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey