Lesen Zitate (Seite 9)
Für höhere Töchter
ein zierliches Talentchen
Schrieb sie mit ihrem Händchen
Ein allerliebstes Büchlein
In perlengrauen Bändchen;
Das lesen dann die Küchlein,
Das liest dann auch die Glucke
Mit einem Kaffeeschlucke
In allen Pensionen,
Die Kanne zu zehn Bohnen;
Denn für das junge Blut
Ist Hitze niemals gut.
Peter Hille
Grabschrift
Wir alle sollen's lesen
im schweigenden Gestein –
du bist treu gewesen
mögen auch wir es sein.
Wo wir dich recht erfassen,
sehen wir das Licht;
wir wollen dich nicht lassen,
du verläßt uns nicht.
Wenn diese Stunde vergangen
wenden wir fort den Schritt,
doch, soweit unsere Schritte langen,
gehst du lebend mit.
Dein Leben war Vertrauen,
dein Wirken war dein Ruh'n,
Lieben, Schützen und Bauen –
mögen auch wir das tun.
Es sind der Pfade viele –
wer zeigt den rechten Steg?
Noch gehen...
Henry von Heiseler
Und wenn dein Lächeln unter die Leute fällt –
sie lesen es wie goldene Scherben auf,
sie danken dir wie frohe Kinder,
schreiten mit hellerem Auge weiter.
An deiner Seite schweigend und ernst nur ich,
dem du die leichte Hand in den Arm gelegt ...
O fernes Gold der lieben Sterne –
goldene Locken an meiner Schulter!
Otto Erich Hartleben
Susanna im Bade
Susannens Keuschheit wird von allen hochgepriesen:
Das junge Weib, das jeder artig fand,
tat beiden Greisen Widerstand
und hat sich keinem hold erwiesen.
Ich lobe, was wir von ihr lesen;
doch räumen alle Kenner ein,
das Wunder würde größer sein,
wenn beide Buhler jung gewesen.
Friedrich von Hagedorn
Die uns lieben
Die, die uns lieben,
stehen uns nicht im Weg.
sie stehen uns bei,
gehen mit uns
ein Stück des Weges
und liegen uns am Herzen.
Die, die uns lieben,
nehmen uns
wie wir sind.
Sie geben uns
zu denken und das Gefühl,
liebenswert
und liebenswürdig zu sein.
Die, die uns lieben,
schreiben uns nichts vor.
Sie lesen in unseren Augen,
hören uns zu
und sagen uns ihre Meinung.
Die, die uns lieben,
schenken uns nichts,
aber sie geben uns
sehr sehr viel.
Ernst Ferstl
Ist mir oft der Wunsch gekommen
Abzuschütteln diese Glieder,
Dieses Herz voll Sturm und Wunden –
Seid mir theuer, bittre Stunden,
Aber kehret niemals wieder!
Kannst du zwischen Zeilen lesen,
Steht es flammend dir geschrieben:
Nur der Wahnsinn flucht dem Leben,
Nur den Thoren macht es beben –
Wers begriffen, wird es lieben.
Ludwig Eichrodt
Ich wär verschlossen, an Vertrauen arm? –
Dann bin ich's unbewußt, daß Gott erbarm.
Nicht kluge Vorsicht ist mir angeboren,
Im Glauben nehm ich's auf mit jedem Toren,
Zur Lüge fehlt mir Feigheit und Geduld.
Mein Denken, all mein Hassen und mein Lieben,
Es steht so klar auf meiner Stirn geschrieben –
Daß ihr nicht lesen lernt, ist eure Schuld.
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach
Ich versteckte meine Liebe
Auf ein Blättchen dieses Buches,
Daß des flüchtigen Besuches
Dauerndes Gedenken bliebe.
Tage gehen, Monde gehen,
Jahre gar, Du wirst indessen
Ganz des kleines Buchs vergessen,
Kaum mit einem Blick es sehen.
Aber einst in stillen Tagen
Locken Dich die Goldschnittrände,
Nimmst es wieder in die Hände,
Seine Blätter umzuschlagen.
Und dann wirst Du lächelnd lesen
Das bekannte, neu entdeckte,
Laut gesungne, fein versteckte
Lied, wie gut ich Dir gewesen.
Peter Carl August Cornelius
Laß mich deine Augen fragen
Ob mein Mund auch dürfte nimmer
Liebesworte zu dir sagen,
Dürft' ich nur der Blicke Schimmer,
Dürft' ich deine Augen fragen.
Dir in Augen möchte ich lesen,
Forschen, wie in heil'gen Sagen,
Ob auf Sternen du gewesen
Eh' die Erde dich getragen?
Ach, ein Wort schafft hohe Wonne
Und ein Wort kann Wunden schlagen;
Laß aus deiner Augen Sonne
Nicht die Lippe mich verjagen.
Nie wird Eden leuchtend helle,
Nie mich deine Seele tragen;
Laß mich lauschen an der Schwelle,
Laß...
Peter Carl August Cornelius
Verfrüht
Papa, nicht wahr,
Im nächsten Jahr,
Wenn ich erst groß
Und lesen kann und schreiben kann,
Dann krieg ich einen hübschen Mann
Mit einer Ticktackuhr
An einer goldnen Schnur.
Der nimmt mich auf den Schoß
Und sagt zu mir: Mein Engel,
Und gibt mir Zuckerkrengel
Und Kuchen und Pasteten.
Nicht wahr, Papa?
Der Vater brummt: Na, na,
Was ist das für Gefabel.
Die Vögel, die dann flöten,
Die haben noch keinen Schnabel.
Wilhelm Busch
Querkopf
Ein eigner Kerl war Krischan Bolte,
Er tat nicht gerne was er sollte.
Als Kind schon ist er so gewesen.
Religion, Rechtschreiben und Lesen
Fielen für ihn nicht ins Gewicht:
Er sollte zur Schule und wollte nicht.
Später kam er zu Meister Pfriem.
Der zeigte ihm redlich und sagte ihm,
Jedoch umsonst, was seine Pflicht:
Er sollte schustern und wollte nicht.
Er wollte sich nun mal nicht quälen,
Deshalb verfiel er auf das Stehlen.
Man faßt ihn, stellt ihn vor Gericht:
Er sollte bekennen...
Wilhelm Busch
Wie gelehrig ist ein Kind!
So wie du es lehrest lesen
In dem Buch, in dem wir sind,
So wird einst sein ganzes Wesen.
Wie gelehrig ist ein Kind!
Willst du segnen, lehr' ein Kind!
Aus dem Körnlein werden Ähren,
Wie dein Körnlein war gesinnt,
Wird das Brot die Welt einst nähren.
Willst du segnen, lehr' ein Kind!
Clemens Brentano