Leiden Zitate (Seite 11)
Einsamkeit
Einsamkeit, ernsthafte Frau,
Tratest einst still in mein Zimmer,
Ach, und ich wollte dich nimmer,
Grüßte dich finster und rauh.
Nicktest nur milde dazu,
Ließest dich doch nicht verjagen,
Mußte dich eben ertragen,
Sangest mich heimlich zur Ruh.
Sieh, und nun weiß ich genau:
Wolltest du heut von mir scheiden,
Würde ich tief darunter leiden,
Einsamkeit, ernsthafte Frau.
Anna Ritter
Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah...
Joachim Ringelnatz
Wie der Abendwind
Wie der Abendwind durch geschulterte Sensen der Schnitter,
geht der Engel lind durch die schuldlose Schneide der Leiden.
Hält sich stundenlang zur Seite dem finsteren Reiter,
hat denselben Gang wie die namenlosen Gefühle.
Steht als Turm am Meer, zu dauern unendlich gesonnen;
was du fühlst, ist er, im Innern der Härte geschmeidig,
daß im Notgestein die gedrängte Druse der Tränen,
lange wasserrein, sich entschlösse zu Amethysten.
Rainer Maria Rilke
Letzte Verse
Komm du, du letzter, den ich anerkenne,
heilloser Schmerz im leiblichen Geweb:
wie ich im Geiste brannte, sieh, ich brenne
in dir; das Holz hat lange widerstrebt,
der Flamme, die du loderst, zuzustimmen,
nun aber nähr ich dich und brenn in dir.
Mein hiesig Mildsein wird in deinem Grimmen
ein Grimm der Hölle nicht von hier.
Ganz rein, ganz planlos frei von Zukunft stieg
ich auf des Leidens wirren Scheiterhaufen,
so sicher nirgend Künftiges zu kaufen
um dieses Herz, darin der...
Rainer Maria Rilke
Wandelt sich rasch auch die Welt
wie Wolkengestalten,
alles Vollendete fällt
heim zum Uralten.
Über den Wandel und Gang,
weiter und freier,
währt noch dein Vor-Gesang,
Gott mit der Leier.
Nicht sind die Leiden erkannt,
nicht ist die Liebe gelernt,
und was im Tod uns entfernt,
ist nicht entschleiert.
Einzig das Lied überm Land
heiligt und feiert.
Rainer Maria Rilke
So sieht's aus im Leben
Starker Frost und sehr viel Schnee,
es glitzert auch noch Raureif,
vielen tut die Kälte weh,
selbst Gelenke werden streif.
Wilde Tiere leiden Not,
kein Futter ist zu finden,
überall lauert der Tod,
die Lebensgeister schwinden.
Nur der Igel rollt sich ein,
hält Winterschlaf beizeiten,
anders wird es niemals sein,
und keiner wird's bestreiten.
Es ist so, jeder weiß es,
so sieht es aus im Leben,
bei einigen klappt alles,
bei andern geht's daneben.
Horst Rehmann
Der größte Schatz
Ihr Machthaber auf dieser Welt,
was geht in euren Köpfen rum,
besteht das Leben nur aus Geld,
aus ständigem Martyrium?
Ihr sucht immer euren Vorteil,
seid besessen von der Habgier,
schürt ein grenzenloses Unheil,
habt eure Macht nur im Visier.
Menschen leiden, Menschen sterben,
weil ihr absurde Kriege führt,
diese Welt liegt bald in Scherben,
doch ihr bleibt kalt und unberührt.
Frieden zwischen den Nationen!
Was haltet ihr von diesem Satz?
solch ein Ziel würd sich doch...
Horst Rehmann
Ein Gedicht
Ein Gedicht spiegelt die Seele,
wandelt Gedanken in Worte,
schickt dem Kopf die Befehle,
öffnet die lyrische Pforte.
Ein Gedicht kommt von Herzen,
der Schreiber weiß, was er fühlt,
kennt Glück, Leiden und Schmerzen,
spürt ständig, wie's in ihm wühlt.
Ein Gedicht mag keine Grenzen,
keine Zäune, keine Schranken,
jedoch vielerlei Sentenzen,
die in den Zeilen tanzen.
Ein Gedicht wird geboren
von einer Dichterperson,
die mit offenen Ohren,
gern Beifall bekommt – als Lohn.
Horst Rehmann
Warum sind der Tränen
Unterm Mond so viel?
Und so manches Sehnen,
Das nicht laut sein will?
Nicht doch, liebe Brüder!
Ist das unser Mut?
Schlagt den Kummer nieder;
Es wird alles gut!
Aufgeschaut mit Freuden,
Himmelauf zum Hernn!
Seiner Kinder Leiden
Sieht er gar nicht gern.
Er will gern erfreuen,
Und erfreut so sehr;
Seine Hände streuen
Segen's g'nug umher.
Nur dies schwach Gemüte
Trägt nicht jedes Glück,
Stößt die reine Güte
Selbst von sich zurück.
Wie's nun ist auf Erden,
Also sollt's nicht...
Christian Adolf Overbeck
Leid
Naht dein Lebensende?
Dies liegt in Gottes Hände.
Du bist so schmal und schwach,
behutsam und bedacht
streichle ich dein Gesicht und deine Hände.
Deine traurigen Augen sprechen Bände.
Ich kann es nicht fassen –
willst du mich wirklich verlassen?
Dein Leiden erdrückt mein Herz,
es ist ein grausamer Schmerz.
Ich kann und darf dich nicht halten
und lasse Gott walten!
Karin Obendorfer
Die mich einst mit Schmerz gebar
Die mich einst mit Schmerz gebar,
doch mit Mutterfreuden –
da ich noch ein Knäblein war,
vieles mußte leiden,
stets mich doch die Sorge gepflegt
und mit Angst und Mühe,
und mich oft noch huldreich trägt:
Siehe, wie ich blühe.
Und ein Liedchen singe ich
dir voll Dank und Freude.
Nimm es an und freue dich,
höre, was ich heute
wünsche dir voll Dankbarkeit:
Lebe uns zufrieden
lange noch; was dich erfreut,
müsse dich hinieden
stets beglücken; ohne Rast
blühen deine...
Novalis
Stumme Liebe
Ich liebe dich – und muß dir doch entsagen!
Wie viele Süße und wie vieles Leid,
Wie viele schmerzdurchbohrte Seligkeit
Die armen, herben Worte in sich tragen!
In Ketten ist mein stürmisch' Herz geschlagen,
Und keine Gnade gibt es, die befreit,
Und keine Hoffnung, die ihm Flügel leiht –
Nur leiden darf es, doch es darf nicht klagen.
So folgt es dir wie ein getreuer Hund.
Und eines Tages wirst du es verjagen
Wie einen lästigen Hund – und es vergessen.
Und für die Liebe, jahrelang...
A. de Nora (Pseudonym für Anton Alfred Noder)