Lebensbaum Zitate
Gefühl ist alles
Fühlen,
Mit dem Herzen denken.
Nicht rechnen immer,
kühl und wissend,
das Wie und Wann
mit dem Verstand erfassen.
Sich selber Liebe schenken,
dem Sein sich
gläubig überlassen.
Vertrauend sich ergeben –
dem Leben!
Dem Leben sich ergeben,
und das Gefühl
zum allumfassenden
Gebot erheben.
Dem innern Rufe folgen,
dem echten Traum,
und schwebend sich bewegen
im Lebensbaum.
Gefühl ist alles.
Wer nicht mehr fühlen kann,
ist tot.
Ingrid Streicher
Zwiegesang
Urmann:
Am Anfang war die Not
Und die Not schuf das Wort:
Und sieh aus Wort und Not
Wuchs ein mächtiger Trieb,
Breitästig, tiefwurzelnd,
Erkenntnisbaum genannt –
Der rührte mit der Kron'
In den Himmel hinein.
Urweib:
Am Anfang war die Lust
Und die Lust schuf das Wort:
Und sieh aus Wort und Lust
Wuchs ein mächtiger Trieb,
Tiefwurzelnd, breitästig,
Der Lebensbaum genannt:
Dran hingen die Früchte
Der Lieb' und Poesie.
Ludwig Scharf
Das einzig Wahre.
Echt ist nur des Himmels Blau,
Denn der Wechsel, streng und rauh
Nimmt des Blütenstraußes Pracht,
Grün, das hell vom Baume lacht.
Sommers Feuerglut verfliegt
Und der flinke
Bach versiegt.
Auf den Wechsel, klein und groß
Schaut der Himmel, wandellos.
Menschentreu ist Morgenduft,
Den entführt die weichste Luft,
Und die Lieb' ist über Nacht
Oft als Haß wohl aufgewacht.
Heut gehst du als Bruder mit,
Morgen dich der Hochmut tritt;
Und es beut der Lebensbaum
Statt...
Eugenie Marlitt
Drachenhort
Es reift am Lebensbaum in immer neuer
Und wechselnder Gestalt wohl manche Frucht,
Doch drunter wacht ein mächtig Ungeheuer,
Das lauert tückisch, ob der Mensch versucht
Nach jenem Schatz die kühne Hand zu heben!
Es lächelt hämisch, wenn er kämpft und ringt...
O laß die Frucht! Du wirst sie nie erstreben,
Weil stets das Ungeheuer sie verschlingt.
Die gold'nen Früchte nennt man: Lebensglück,
Das Ungeheuer aber Mißgeschick!
Eugenie Marlitt
Ich möchte in dir hochwellen
Grüner Baum!
Ich möchte treibfroh in deinen Markzellen
Aufschwellen
Bis in den Wipfeltraum
Lichtoben –
Ich möchte in die Lichtweiten
Hundert Arme breiten
Wie Zweige –
Armzweige mit Blätterfingern
Und dann fühlen wie Mittagsgluten,
Wie Lichtfluten
Durch sie schlingern –
Ich möchte aus deinem Wirbelkopf,
Lebensbaum,
aus dem Laubtraum
Wie Lichtgetropf,
Wie Windsingen
Mich aufschwingen
In den Weltraum!
Gerrit Engelke
Ach, hätt' ich früher dich gesehn
Ach, hätt' ich früher dich gesehn
Und wär's 'ne einz'ge Stund',
Wollt' segnen diesen Augenblick
Noch mit erblaßtem Mund.
Ach, hätt' ich früher dich geliebt,
Du reines Seelenlicht,
Fürwahr, der Engel schönes Los,
Beneidete ich nicht.
Ach, hätt' ich früher dich geliebt,
Und wär's auch nur im Traum,
Hing meiner Hoffnung Blütenkranz
Nicht welk am Lebensbaum.
Johanna Ambrosius
Die Ideen, die das Wesen und das Leben eines Menschen bestimmen, sind ihm auf geheimnisvolle Weise gegeben. Wenn er aus der Kindheit heraustritt, fangen sie an, in ihm zu knospen. Wenn er von der Jugendbegeisterung für das Wahre und Gute ergriffen wird, blühen sie und setzen Frucht an. In der Entwicklung, die wir nachher durchmachen, handelt es sich eigentlich nur darum, wieviel von dem, was unser Lebensbaum in seinem Frühling an Frucht ansetzte, an ihm bleibt.
Albert Schweitzer