Leben Dein Leben Zitate (Seite 23)
An meinen Lehrer
Ich war nicht einer deiner guten Jungen.
An meinem Jugendtrotz ist mancher Rat
Und manches wohlgedachte Wort zersprungen.
Nun sieht der Mann, was einst der Knabe tat.
Doch hast du, alter Meister, nicht vergebens
An meinem Bau geformt und dich gemüht.
Du hast die besten Werte meines Lebens
Mit heißen Worten mir ins Herz geglüht.
Verzeih, wenn ich das Alte nicht bereue.
Ich will mich heut wie einst vor dir nicht bücken.
Doch möcht ich dir für deine Lehrertreue
nur einmal...
Joachim Ringelnatz
Nachtschwärmen
Die alte Pappel schauert sich neigend,
Als habe das Leben sie müde gemacht.
Ich und mein Lieb – hier ruhen wir schweigend –
Und vor uns wallt die drückende Nacht.
Bis sich zwei schöne Gedanken begegnen, –
Dann löst sich der bleierne Wolkenhang.
Goldene, sprühende Funken regnen
Und füllen die Welt mit lustigem Klang.
Ein trüber Nebel ist uns zerronnen.
Ich lege meine in deine Hand.
Mir ist, als hätt ich dich neu gewonnen. – –
Und vor uns schimmert ein goldenes Land.
Joachim Ringelnatz
Der Nachbar
Fremde Geige, gehst du mir nach?
In wieviel fernen Städten schon sprach
deine einsame Nacht zu meiner?
Spielen dich hunderte? Spielt dich einer?
Gibt es in allen großen Städten
solche, die sich ohne dich
schon in den Flüssen verloren hätten?
Und warum trifft es immer mich?
Warum bin ich immer der Nachbar derer,
die dich bange zwingen zu singen
und zu sagen: Das Leben ist schwerer
als die Schwere von allen Dingen.
Rainer Maria Rilke
Verblühst du schon?
Du verblühst schon, holde Rose,
weckt dich nicht der Sonne Strahl?
O, du liebe, kleine, lose,
o, erblühe noch einmal!
Einmal öffne noch die Hülle,
sieh, ich will bescheiden sein,
einmal lass mich noch der Fülle
deines Glanzes voll erfreun!
Willst das Köpfchen nicht mehr heben?
Senkst die Blätter welk und fahl?
Ach! es wird ja Lenz im Leben
nur ein einzig, einzig Mal!
Rainer Maria Rilke
Erinnerung
Und du wartest, erwartest das Eine,
das dein Leben unendlich vermehrt;
das Mächtige, Ungemeine,
das Erwachen der Steine,
Tiefen, dir zugekehrt.
Es dämmern im Bücherständer
die Bände in Gold und Braun;
und du denkst an durchfahrene Länder,
an Bilder, an die Gewänder
wiederverlorener Fraun.
Und da weißt du auf einmal: das war es.
Du erhebst dich, und vor dir steht
eines vergangenen Jahres
Angst und Gestalt und Gebet.
Rainer Maria Rilke
Abend
Der Abend wechselt langsam
die Gewänder,
die ihm ein Rand von alten Bäumen hält;
du schaust: und von dir scheiden sich
die Länder,
ein himmelfahrendes und eins, das fällt.
Und lassen dich,
zu keinem ganz gehörend,
nicht ganz so dunkel wie das Haus,
das schweigt,
nicht ganz so sicher Ewiges beschwörend
wie das, was Stern wird jede Nacht
und steigt.
Und lassen dir
(unsäglich zu entwirrn)
dein Leben bang und riesenhaft
und reifend,
sodaß es, bald begrenzt
und bald...
Rainer Maria Rilke
Gebet
Ich sprach von dir als von dem sehr Verwandten,
zu dem mein Leben hundert Wege weiß,
ich nannte dich, den alle Kinder kannten,
für den ich dunkel bin und leis.
Ich nannte dich den Nächsten meiner Nächte
und meiner Abende Verschwiegenheit,
und du bist der, in dem ich nicht geirrt,
den ich betrat wie ein gewohntes Haus.
Jetzt geht dein Wachsen über mich hinaus:
Du bist der Werdenste, der wird.
Rainer Maria Rilke
Liebe
Aus der Ferne kam ich wieder her,
Und so dunkel sind die alten Gassen,
Und die Häuserschatten sind so schwer,
Und der Marktplatz ist so still und leer –
Und die Eine finde ich nicht mehr,
Die ich nicht vergessen kann, noch lassen.
Und die Brunnen rauschen wunderlich
Und erzählen sich viel selt'ne Dinge,
Und am dunkeln Tore flüchten sich
Aufgescheucht zwei Abendschmetterlinge.
An dem kleinen Fenster war es licht,
Vor du jenem deine Hand gegeben –
Heut' erhellt sich mir das Fenster...
Anton Renk
Insel des Glücks
Die Insel des Glücks ist nicht weit,
du musst sie auch nicht suchen,
das Glück und die Glückseligkeit,
kannst du zuhause buchen.
Dein Daheim ist Wolke sieben,
kannst täglich auf ihr schweben,
Menschen, die dich innig lieben,
versüßen dir das Leben.
Halt fest an diesem Domizil,
genieße jeden Augenblick,
denn diese Insel schenkt so viel –
Freude, Herzlichkeit und Glück.
Horst Rehmann
Gegenwehr
Wenn du mal weinst in dunkler Nacht,
und der Verzweiflung nahe bist,
dann hast du sicher nicht bedacht,
dass nichts im Leben einfach ist.
Du hast dein Ziel schon fast erreicht,
doch plötzlich stört ein großer Stein,
ihn wegzuräumen ist nicht leicht,
doch dieser Kraftaufwand muss sein.
Die Mühsal wird dann schnell belohnt,
du weinst nicht eine Träne mehr,
weißt endlich, wo der Teufel wohnt,
und wappnest dich zur Gegenwehr.
Horst Rehmann
Warst du – hast du?
Warst du jemals traurig,
hast du es je erlebt,
warst du auch mal zornig,
hast innerlich gebebt,
hast du Angst durchlitten,
dein Herzklopfen gehört,
hast du je gestritten,
dich fast dabei zerstört,
kennst du die wahre Not,
hast du sie je gespürt,
warst du allein im Boot,
hast es im Sturm geführt,
hast jemals du geliebt,
dich ganz hingegeben,
warst überaus betrübt,
je in deinem Leben?
Wenn so etwas dir fremd erscheint,
und jedes Wort dir widerstrebt,
dann hast du auch noch...
Horst Rehmann
Wasser
Vom Quell stürzt du als Bach zu Tal,
willst das Flussbett schnell erlangen,
bist frisch und klar, hast keine Wahl,
musst irgendwie zum Meer gelangen.
Hast es sehr eilig, folgst deinem Ziel,
fließt durch Wälder und durch Auen,
verbringst auch Zeit mit Wellenspiel,
an dem sich Menschen gern erbauen.
Natur verschlingt dein köstlich Nass,
durch dich erwacht das neue Leben,
drum fließe Ständig, ohne Unterlass,
dann wird´s die Welt auf ewig geben.
Horst Rehmann
Im Leben geht's bald auf, bald nieder
gelebte Stunden kehren wieder.
Und du erlebst den Augenblick.
Fragst dich
wieso kehrst du so oft zurück.
Die Antwort liegt schon in der Frage.
Sieh' ruhig hin, ganz ohne Klage.
Und große Dankbarkeit erfüllt dein Herz
beim Fühlen dieses tiefen Schmerz'.
Oh ja, es gibt da einen Sinn
und das von Anbeginn zu Anbeginn!
Irina Rauthmann
Lebensweg
Da
gehst du deinen Weg,
gehst geradeaus,
gehst links,
gehst rechts,
gehst rauf,
gehst runter,
ganz so wie es dir beliebt.
Eines Tages dann
wunderst du dich,
daß alle deine Wege in
immer dieselbe große Straße
münden....
und du beginnst zu ahnen,
daß du die Straße nicht
verlassen kannst.
Es gibt für dich nur diesen Weg,
den du gegangen
und den du bis zum Ende
gehen wirst.
Du kannst deinem
Leben nicht entfliehen.
Manfred Poisel