Leben Dein Leben Zitate (Seite 12)
Wenn Du dort auf mich wartest
Ich bringe dir
die ersten Sonnenstrahlen
zum Frühstück
oder den Vollmond
als Mitternachtseinlage ans Bett –
wenn du dort auf mich wartest.
Ich reiße alle Grenzen nieder
oder neue Gräber auf –
wenn du dort auf mich wartest.
Ich springe über meinen Schatten
oder zünde siebenundsiebzigeinhalb
Freudenfeuer an –
wenn du dort auf mich wartest.
Ich gehe in die Luft
oder schwimme bis ans Ende
aller Weltmeere –
wenn du dort auf mich wartest.
Ich mache dem...
Ernst Ferstl
.... und wenn du plötzlich
unnötigerweise gerade in dieser Minute
mit absoluter Klarheit erkennst
daß du die Last nicht tragen kannst?
Nein – nicht weil die Kraft nicht ausreicht
Du wirst nicht die Zeit haben
Du wirst ganz einfach nicht die Zeit haben
es zu Ende zu bringen.
Deine Sternstunden sind kein Perpetuum mobile
Sie werden zu Ende gehen
der Teufel wird sie holen
die Stunden deines Lebens –
aber nur vorübergehend
Es wird auch wieder andere geben ...
Norbert Esser
Befreit
Du wirst nicht weinen. Leise, leise
Wirst du lächeln, und wie zur Reise
Geb ich dir Blick und Kuß zurück.
Unsre lieben vier Wände! Du hast sie bereitet,
Ich hab sie dir zur Welt geweitet –
O Glück!
Dann wirst du heiß meine Hände fassen
Und wirst mir deine Seele lassen,
Läßt unsern Kindern mich zurück.
Du schenktest mir dein ganzes Leben,
Ich will es ihnen wiedergeben –
O Glück!
Es wird sehr bald sein, wir wissen's beide.
Wir haben einander befreit vom Leide;
So geb' ich dich der...
Richard Fedor Leopold Dehmel
Unsterblichkeit
Muß sich das Hohe auch in diesem Leben
dem Niedern beugen, tröste dein Gemüt!
Ein Narr ist jeder, der ein edles Streben
verloren gibt, weil er die Frucht nicht sieht.
Wohl wird man dich, doch niemals das vergessen,
was du getan und was dein Geist gedacht,
denn, um den kleinsten Lichtstrahl nur zu fressen,
so groß ist keine noch so tiefe Nacht.
Blick auf den Tag! Er starb auf diesen Firnen,
doch hinter jenen neuert sich sein Lauf.
Und so wie er steht hinter andern Stirnen,
was...
Georg Busse-Palma
Vor manchen, manchen Jahren,
als ich zuerst dich sah,
war eine Locke rabenschwarz,
braun deine Wange da.
Jetzt ist die Wange blässer,
wie Silber glänzt dein Haar,
und dennoch bist du lieber mir,
ja lieber, als mir der Jüngling war.
Des Lebens schroffe Hügel
erstiegen Hand in Hand
wir, wie es Wind und Wetter gab.
hin über Fels und Sand;
jetzt ist der Abend milder,
wir steigen sanft hinab,
und dort am Fluß erwartet uns zusammen
ein Brautgemach, das Grab.
Robert Burns
Gegenliebe
Wenn, o Mädchen, wenn dein Blut
Reger dir am Herzen wühlte;
Wenn dies Herz von meiner Glut
Nur die leise Wärme fühlte.
Wenn dein schöner Herzensdank
Meiner Liebe Gruß empfinge;
Und dir willig, ohne Zwang,
Kuß auf Kuß vom Munde ginge:
O dann würde meine Brust
Ihre Flamme nicht mehr fassen,
Alles könnt' ich dann mit Lust,
Leib und Leben könnt' ich lassen.
Gegengunst erhöhet Gunst,
Gegenliebe nähret Liebe,
Und entflammt zur Feuersbrunst,
Was sonst Aschenfünkchen bliebe.
Gottfried August Bürger
Höchstes Leid
Hart ist's an dem Grab zu steh'n
Derer, die du heiß geliebet,
Hart auch, wie am Fels der Zeit
Traum um Traum in Nichts zerstiebet.
Bittrer als des Todes Raub,
Und was kalt die Zeit entwendet,
Ist's, wenn du dein best Gefühl
An Unwürdige verschwendet.
Wie ein Bettler stehst du da,
Der sein Alles hingegeben,
Dem nichts blieb von seinem Schatz,
Als das nackte, arme Leben.
Wie, von roher Hand gestürzt,
Liegt ein Götterbild im Staube,
Also ist ein Trümmerhauf'
Deines Herzens...
Luise Büchner
Abschied
Das Leben ist voll Gier und Streit,
– Hüte dich, kleines Vöglein! –
Viel große Schnäbel stehen weit
Und böse offen und heiß bereit,
Dich zu zerreißen.
Dein Herzchen schwillt, dein Kehlchen klingt,
– Hüte dich, kleines Vöglein! –
Der Geier kommt, der dich verschlingt;
Du, so beseelt und bunt beschwingt,
Zuckst in den Fängen.
Mir ist so bitterbang zumut,
– Hüte dich, kleines Vöglein! –
Ich weiß nun bald, wie Sterben thut,
Und laß mich tragen von der Flut,
Die Alles fortschwemmt.
Otto Julius Bierbaum
Die Frau am Nebentisch
Zwei Stühle stehen schon seit Jahren
An deinem Tisch und ein Glas Wein.
Wortlos ißt du die selben Speisen.
Ringsum Gelächter - du allein.
Dein Blick geht oftmals in die Ferne.
Ist keiner da, der mit dir spricht.
Du träumst von längst vergessnen Zeiten,
Von Nähe, die das Schweigen bricht.
Manchmal schleicht sich ein wehes Lächeln,
Auf dein Gesicht, das Falten ziert.
Hältst Zwiesprach' mit vergangnen Leben.
Ein Herz voll Wärme, das doch friert.
Ich wagte niemals dich zu...
Margot S. Baumann
Die Form ist alles. Sie ist das Geheimnis des Lebens. Gib der Trauer Ausdruck, und sie wird dir teuer. Gib der Freude Ausdruck, und sie vertieft dein Entzücken. Willst du Liebe empfinden? Dann stimme eine Liebeslitanei an, und die Worte werden jene Sehnsucht hervorrufen, von der die Welt glaubt, daß sie ihr entströmen. Zernagt Gram dein Herz? Dann tauche in die Sprache des Grams ein, lerne ihren Ausdruck von Prinz Hamlet und der Königin Constantia, und du wirst entdecken, daß der reine...
Oscar Wilde