Kleine Zitate (Seite 25)
Der Apfelbaum
In eines Bauers Garten stand
Ein schöner Apfelbaum; doch neigten Hang und Winde
Und Alter ihn zu weit nach linker Hand.
Der Bauer sahs; berief sein Hausgesinde,
Und hielt geheimen Rat. In diesem ward erkannt:
Den Baum mit umgelegten Stricken
Und mit vereinter Kraft ins Gleichgewicht zu rücken.
Man schritt zum Werk, das rasch von Statten ging.
Kein Wunder, zwanzig Ärzte zogen
So derb, daß sie den Stamm noch mehr zur Rechten bogen,
Als er zuvor sich nach der Linken hing.
Zum...
Gottlieb Konrad Pfeffel
Erste Wünsche
Könnt' ich zu dir, mein Licht,
Nur einmal, einmal dringen!
Von deinem Angesicht
Nur einem Strahl erschwingen!
Könnt' ich an dein Gewand
Nur einmal, einmal rühren!
Und deine kleine Hand
Mit süßem Schauer spüren!
Könnt' ich an deinem Mund
Nur einmal, einmal hangen!
Und dann vergeh'n zur Stund'
In wonnevollem Bangen!
Ludwig Pfau
Sonnenblume
Und eine Sonnenblume
sprach mir heut von Dir.
Ich brach sie mir
und sprach mit ihr
und trug sie dankbar heim.
Nun füllt ihr heller Schein
mein kleines Zimmer.
An meiner Sonnenblume
sieht still mein Herz sich satt.
Du strahlst aus jedem Blatt.
Den goldbraundunklen Früchteschoß
kränzt mildes Feuer.
Kein Spiegel zeigt
dein Bild getreuer.
Elisabeth Paulsen
Beruhigung
Dir zürnen, daß du mich verlassen? –
Beim Himmel, nein! wie sollt' ich das?
War's deine Schuld, mich nicht zu fassen?
Verdient ein blinder Irrthum Haß?
Besäße dein Gemüth die Schwingen,
Zu schweben auf des meinen Spur,
Dann ließest du mich dir entringen
Mit deinem eignen Leben nur!
Wen also hätt' ich anzuklagen ?
Dich, daß dein Herz so schwach und klein?
Davon kannst du die Schuld nicht tragen!
Wie du's empfangen, blieb es dein.
Fahr hin! als der Vergebung Blüthe
Rankt sich der...
Betty Paoli
Die Insel
Dort lag sie klein eine flache Au,
Von Anemonen und Veilchen blau
Wie ein Estrich bedeckt.
Ihr Dach war aus Blatt und aus Blüten gewebt,
Von des Sommers Atem lind nur umschwebt,
Wo Sonne und Regen und Sturmesgebraus
Den Weg nicht erzwang in dies dämmernde Haus.
Ein Geschmeide von Wesen und Tannen bunt,
Umspült von der Flut, die dunkel erblaut,
Weil Felsen und Wolken ernst ihn beschaut,
Eines Sees purpurnen Grund.
Hermann Oeser
Die Politik –
macht alle verrückt!
Welche Partei soll man wählen?
Egal welche –
alle erzählen und erzählen.
Alle lügen –
alle betrügen.
Nur Versprechen –
das wird sich rächen!
Aber für wen?
Wie soll das nur weitergehen?
Der kleine Mann ist immer der Dumme,
also was soll das ganze Gesumme?
Karin Obendorfer
Gottlob! daß ich auf Erden bin
Und Leib und Seele habe;
Ich danke Gott in meinem Sinn
Für diese große Gabe.
Der Leib ist mir doch herzlich lieb
Trotz seiner Fehl und Mängel,
Ich nehme gern mit ihm vorlieb
Und neide keinen Engel.
Ich küsse gern mein braunes Weib
Und meine lieben Kinder,
Und das tut wahrlich doch mein Leib,
Und mir ist es gesünder,
Als wenn ich mit Philosophie
Die Seele mir verdürbe,
Denn ein klein wenig Not macht sie,
Die liebe Weisheit, mürbe.
Novalis
Ein Wunder?
Ein kleines Mädchen, wohl sieben Jahr
Sitzt traurig im Zimmer und kämmt sich ihr Haar
Ihre Eltern sind tot, sie kannte sie kaum
Nur manchmal sieht sie sie in ihrem Traum
Sie denkt gern zurück, noch vor einem Jahr
Kämmte ihr immer Mama das Haar
Sie schaut in den Spiegel, der vor ihr steht
Und fragt ihn leise wie's Mama jetzt geht
Tränen rinnen ihr übers Gesicht
Da erscheint ihr im Spiegel ein helles Licht
Ein Engel erscheint und setzt sich zu ihr
Sie sagt: "keine Angst, Mama ist...
Heiko Noack
Autodafé
Welke Veilchen, stäub'ge Locken,
Ein verblichen blaues Band,
Halb zerrissene Billette,
Längst vergeßner Herzenstand -
In die Flammen des Kamines
Werf ich sie verdroßnen Blicks;
Ängstlich knistern diese Trümmer
Meines Glücks und Mißgeschicks.
Liebeschwüre, flatterhafte
Falsche Eide, in den Schlot
Fliegen sie hinauf - es kichert
Unsichtbar der kleine Gott.
Bei den Flammen des Kamines
Sitz ich träumend, und ich seh,
Wie die Fünkchen in der Asche
Still verglühn -...
Johann Nepomuk Nestroy
Das Vergissmeinnicht
(Für meinen kleinen Sonnenschein Morris)
Dort wo du jetzt bist, steht ein kleines Vergissmeinnicht.
Es wächst auf einer grünen Wiese im hellen Sonnenlicht.
Sei nicht traurig, denke immer daran,
dass unsere Trennung nicht für immer sein kann.
Eines Tages werden wir uns wiedersehen,
und gemeinsam durch deine ewige Heimat gehen.
Natunika
Was ist der Mensch? Ein Magen, zwei Arme,
Ein kleines Hirn und ein großer Mund,
Und eine Seele – daß Gott erbarme! –
Was muß der Mensch? Muß schlafen und denken,
Muß essen und feilschen und Karren lenken,
Muß wuchern mit seinem halben Pfund.
Muß beten und lieben und fluchen und hassen,
Muß hoffen und muß sein Glück verpaßen
Und leiden wie ein geschundener Hund.
Erich Mühsam
Leis auf zarten Füßen naht es,
vor dem Schlafen wie ein Fächeln:
Horch, o Seele, meines Rates,
laß dir Glück und Tröstung lächeln –:
Die in Liebe dir verbunden,
werden immer um dich bleiben,
werden klein und große Runden
treugesellt mit dir beschreiben.
Und sie werden an dir bauen,
unverwandt, wie du an ihnen, –
und, erwacht zu Einem Schauen,
werdet ihr wetteifernd dienen!
Christian Morgenstern