Kleine Zitate (Seite 23)
Der Sänger breitet es glänzend aus,
Das zusammengefaltete Leben;
Zum Himmel schmückt er das irdische Haus,
Ihm hat es die Muse gegeben;
Kein Dach ist so niedrig, keine Hütte so klein,
Er führt einen Himmel voll Götter hinein.
Und wie der erfindende Sohn des Zeus
Auf des Schildes einfachem Runde
Die Erde, das Meer und den Sternenkreis
Gebildet mit göttlicher Kunde,
So drückt er ein Bild des unendlichen All
In des Augenblicks flüchtig verrauschenden Schall.
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Licht und Wärme
Der bessre Mensch tritt in die Welt
Mit fröhlichem Vertrauen,
Er glaubt, was ihm die Seele schwellt,
Auch außer sich zu schauen,
Und weiht, von edlem Eifer warm,
Der Wahrheit seinen treuen Arm.
Doch alles ist so klein so eng,
Hat er es erst erfahren,
Da sucht er in dem Weltgedräng
Sich selbst nur zu bewahren,
Das Herz in kalter stolzer Ruh
Schliesst endlich sich der Liebe zu.
Sie geben, ach! nicht immer Glut
Der Wahrheit helle Strahlen,
Wohl denen, die des...
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Das Lied vom Schein
Bunter Kerzen heller Schein,
lichti, leuchti, lorium,
zählt nur für die Kinderlein.
Alles sonst Brimborium!
Heute zählt oft nur der Schein,
glitzi, glänzi, glorium,
grell und laut und bloß nicht klein.
Alles sonst Brimborium!
Schließlich zählt ein andrer Schein,
pinke, panke, plorium,
in der ganzen Welt allein.
Alles sonst Brimborium!
Fritz-J. Schaarschuh
Der Alkohol
Der Alkohol ob Bier, ob Wein,
er wird geschluckt, immer hinein,
dass er vom Geiste nimmt Besitz,
die Augen groß, die Nase spitz,
ich bin fast blau, die Welt ist schön,
dann woll'n wir mal nach Hause geh'n.
Auch harte Drinks sind voller Tücke,
der Kopf ist leer, es klafft ne Lücke,
ach noch ein Bier, das geht wohl rein,
ein kleines noch, dass muss noch sein,
es rumort im Bauch und Geiste,
der Mund geht auf, raus kommt das meiste.
Nun ist's genug, jetzt bin ich blank,
die...
Heinz Bernhard Ruprecht
Weltklugheit
Weltklugheit rät dir an: Verachte keinen Mann!
Du weißt nicht, wie er dir noch nützen, schaden kann.
Die Liebe gibt dir ein: Lieb alles, groß und klein!
Der höchsten Liebe wert wirst du dadurch allein.
O sieh, den Streit der Welt versöhnt ein Gotteshauch!
Wer Himmelsliebe hat, der hat Weltklugheit auch.
Friedrich Rückert
Die ganze Welt ist viel zu groß,
Sie an Ein Herz zu fassen;
Dazu genügt nur Gottes Schoß,
Dem bleibt es überlassen;
Ein Menschenherz ist viel zu klein,
Um liebend sich der Welt zu weih'n.
Du mußt an eine treue Brust
Insonders hin dich neigen,
Ihr alle deine Liebeslust
Ausschließlich geben eigen;
Wer so ein Herz am Herzen hält,
Der liebt in ihm die ganze Welt.
Friedrich Rückert
Wiedersehn
Deine Kinder, hier verloren,
wirst du droben wiedersehn;
denn was aus dir ist geboren,
kann dir nicht verloren gehn.
Daß du einst sie wiedersehest,
dieses kannst du wohl verstehn,
wenn du auch nicht das verstehest,
wie du sie wirst wiedersehn.
Nicht als Kinder; oder wolltest
du sie ewig halten klein?
Nicht gealtert; oder solltest
du entfremdet ihnen seyn?
Die hier streitenden Gestalten,
dort wo sie verglichen sind,
wo nicht Mann und Weib sich spalten,
trennt sich auch...
Friedrich Rückert
Weißt du noch?
Weißt du noch, wie ich am Felsen
Bei den Veilchen dich belauschte,
Weißt du noch den Fliederstrauch,
Wo der Strom vorüberrauschte?
Weißt du noch den Bergespfad,
Wo ich um den Strauß dich bat,
Weißt du noch?
Ach, es war ein süßes Bild,
Als du da errötend standest,
Und zur Erde all' die Blumen
Fielen, die zum Strauß du wandest,
Deine kleine, liebe Hand
Spielte mit dem blauen Band,
Weißt du noch?
Und es sahen Fels und Strom
Dein Erröten und dein Beben,
Sahen auch den ersten...
Otto Roquette
Nie bist du ohne Nebendir
Eine Wiese singt.
Dein Ohr klingt.
Eine Telefonstange rauscht.
Ob du im Bettchen liegst
Oder über Frankfurt fliegst,
Du bist überall gesehn und belauscht.
Gonokokken kieken.
Kleine Morcheln horcheln.
Poren sind nur Ohren.
Alle Bläschen blicken.
Was du verschweigst,
Was du andern nicht zeigst,
Was dein Mund spricht
Und deine Hand tut,
Es kommt alles ans Licht.
Sei ohnedies gut.
Joachim Ringelnatz
Zwischen meinen Wänden
Ich danke dir: Ich bin ein Kind geblieben,
Ward äußerlich auch meine Schwarte rauh.
Zu viele Sachen weiß ich zu genau
Und lernte mehr und mehr die Wände lieben.
Doch zwischen Wänden, wenn die Fantasie
Ein kleines Glück so glücklich zu erfassen
Imstande ist, daß wir uns sagen: Nie
Uns selber lieben! Nie das andre hassen!
Nur einsam sein! – –
Spricht oft mein Innerstes zu solcher Weisheit: Nein!
Denn all mein Sinnen lauscht, ob fremde Hände
Jetzt etwa klopfen werden an...
Joachim Ringelnatz
Herbst
Eine trübe, kaltfeuchte Wagenspur:
Das ist die herbstliche Natur.
Sie hat geleuchtet, geduftet und trug
Ihre Früchte. – Nun ausgeglichen,
Hat sie vom Kämpfen und Wachsen genug. -
Scheint's nicht, als wäre alles Betrug
Gewesen, was ihr entwichen?
Das Händesinken in den Schoß,
Das Unbunte und Leise,
Das ist so schön, daß es wiederjung
Beginnen kann, wenn Erinnerung
Es nicht klein macht, sondern weise.
Ein Nebel blaut über das Blätterbraun,
Das zwischen den Bäumen den Boden bedeckt.
Wenn...
Joachim Ringelnatz
An meinen Kaktus
Du alter Stachelkaks,
Du bist kein Bohnerwachs,
Kein Gewächs, das die Liebe sich pflückt,
Sondern du bist nur ein bißchen verrückt.
Ich weiß, daß du wenig trinkst.
Du hast auch keinerlei Duft.
Aber, ohne daß du selber stinkst,
Saugst du Stubenmief ein wie Tropenluft.
Du springst niemals Menschen an oder Vieh.
Wer aber mit Absicht oder versehentlich
Sich einmal auf dich
Setzte, vergißt dich nie.
Ein betrunkener, lachender Neger
Schenkte dich mir, du lustiges Kleines,
Daß ich...
Joachim Ringelnatz
Schenke herzlich und frei.
Schenke dabei,
Was in dir wohnt
An Meinung, Geschmack und Humor.
So daß die eigene Freude zuvor
Dich reichlich belohnt.
Schenke groß oder klein
Aber immer gediegen.
Wenn die Bedachten die Gaben wiegen,
Sei dein Gewissen rein.
Schenke mit Geist, ohne List.
Sei eingedenk
Daß dein Geschenk
Du selber bist.
Joachim Ringelnatz