Jetzt Zitate (Seite 36)
Spatzen und Schwalben
Es grünte allenthalben.
Der Frühling wurde wach.
Bald flogen auch die Schwalben
hell zwitschernd um das Dach.
Sie sangen unermüdlich
und bauten außerdem
am Giebel rund und niedlich
ihr Nest aus feuchtem Lehm.
Und als sie eine Woche
sich redlich abgequält
hat nur am Eingangsloche
ein Stückchen noch gefehlt.
Da nahm der Spatz, der Schlingel,
die Wohnung in Besitz.
Jetzt hängt ein Strohgeklüngel
hervor aus ihrem Schlitz.
Nicht schön ist dies Gebaren
und wenig ehrenwert
von...
Wilhelm Busch
Als er noch krause Locken trug,
War alles ihm zu dumm.
Stolziert daher und trank und schlug
Sich mit den Leuten herum.
Die hübschen Weiber schienen ihm
Ein recht beliebtes Spiel;
An Seraphim und Cherubim
Glaubt er nicht sonderlich viel.
Jetzt glaubt er, was der Pater glaubt,
Blickt nur noch niederwärts,
Hat etwas Haar am Hinterhaupt
und ein verprömmeltes Herz.
Wilhelm Busch
Vor Jahren waren wir mal entzweit
Und taten uns manches zum Torte;
Wir sagten uns beide zu jener Zeit
Viel bitterböse Worte.
Drauf haben wir uns ineinander geschickt;
Wir schlossen Frieden und haben
Die bitterbösen Worte erstickt
Und fest und tief begraben.
Jetzt ist es wirklich recht fatal,
Daß wieder ein Zwist notwendig.
O weh! die Worte von dazumal,
Die werden nun wieder lebendig.
Die kommen nun erst in offnen Streit
Und fliegen auf alle Dächer;
Nun bringen wir sie in Ewigkeit
Nicht wieder...
Wilhelm Busch
Die Liebe war nicht geringe.
Sie wurden ordentlich blaß;
Sie sagten sich tausend Dinge
Und wußten noch immer was.
Sie mußten sich lange quälen,
Doch schließlich kam's dazu,
Daß sie sich konnten vermählen.
Jetzt haben die Seelen Ruh.
Bei eines Strumpfes Bereitung
Sitzt sie im Morgenhabit;
Er liest in der Kölnischen Zeitung
Und teilt ihr das Nötige mit.
Wilhelm Busch
Ein Künstler auf dem hohen Seil,
der alt geworden mittlerweil,
stieg eines Tages vom Gerüst
und sprach: Nun will ich unten bleiben
und nur noch Hausgymnastik treiben,
was zur Verdauung nötig ist.
Da riefen alle: Oh, wie schad!
Der Meister scheint doch allnachgrad
zu schwach und steif zum Seilbesteigen!
Ha! denkt er, dies wird sich zeigen!
Und richtig, eh der Markt geschlossen,
treibt er aufs neu die alten Possen,
hoch in der Luft, und zwar mit Glück,
bis auf ein kleines Mißgeschick.
Er fiel...
Wilhelm Busch
Einem Idealisten
O rechte zürnend nicht mit unsern Tagen
Noch lobe traurig die vergangnen Zeiten!
Wärst du im Stande auch zurückzuschreiten
Jahrhunderte, du würdest gleichfalls klagen.
Wo du auch magst an alten Stätten fragen,
Du hörst denselben Kampf, dasselbe Streiten,
Du siehst das Kleine stolz und keck sich breiten,
Was edel ist – in Kettenhaft geschlagen.
Laß doch dem Kleinen, daß es Ruhm erhasche
Auf kurze Zeit! Was wahrhaft groß zu nennen,
Hebt sich, ein Phönix, erst aus seiner...
Otto Buchwald
Sag' o sag' sind's Hallucinationen?
Halt ich dich als Eheweib umspannt?
Zieh'n der Arme Muskelcontractionen
Dich als Gattin an die Thoraxwand?
Ist dies Glück, dies wahrhaft grenzenlose,
Frag' ich skeptisch, ist es wirklich mein?
Keine Stickstoffoxydul-Narkose
Wiegt mein Hirn in süße Träume ein?
Könnt' ich dir, o Holde, demonstriren
Dieses Maximum von Seligkeit!
Willst du darauf hin mich auscultiren,
Sieh', schon liegt das Stethoskop bereit.
Und die Diagnose wird ergeben,
Daß die einst akute...
Edwin Bormann
Heimkehr
Wie ich in den Hofraum trete
durch das mittlere Tor,
drängt sich wiederum das stete
blinde Weinen empor.
Vor zwei Jahren, langen Jahren,
stand ich hier zuletzt.
Blumen, die damals Blüte waren,
duften und blühen auch jetzt.
Und die Halle mit dem Dach,
grün und dunkelbraun,
und das Fenster von meinem Gemach
und der Bambuszaun,
alles nimmt sich wie damals aus,
atmet die gleiche Ruh.
Aber am Eingang zum inneren Haus
fehlt nun etwas: du.
Bo Djü-í
Komm her und laß dich küssen!
Die Luft ist wie voll Geigen,
Von allen Blütenzweigen
Das weiße Wunder schneit;
Der Frühling tobt im Blute,
Zu allem Übermute
Ist jetzt die allerbeste Zeit.
Komm her und laß dich küssen!
Du wirst es dulden müssen,
Daß dich mein Arm umschlingt.
Es geht durch alles Leben
Ein Pochen und ein Beben:
Das rote Blut, es singt, es singt.
Otto Julius Bierbaum
Ich ... war ... einmal
Oft weiß ich ganz genau: Ich ... war ... einmal;
Ich habe schon einmal all dies gesehn;
Der Baum vor meinem Fenster rauschte mir
Ganz so wie jetzt vor tausend Jahren schon;
All dieser Schmerz, all diese Lust ist nur
Ein Nochmals, Immerwieder, Spiegelung
Durch Raum und Zeit. – Wie sonderbar das ist:
Ein Fließen, Sinken, Untertauchen und
Ein neu Empor im gleichen Strome: Ich
Und immer wieder ich: Ich ... war ... einmal.
Otto Julius Bierbaum