Jetzt Zitate (Seite 34)
Mein Herz, glaubt's, ist nicht erkaltet,
Es glüht in ihm so heiß wie je,
Und was ihr drin für Winter haltet,
Ist Schein nur, ist gemalter Schnee.
Doch was in alter Lieb' ich fühle,
Verschließ' ich jetzt in tiefstem Sinn,
Und trag's nicht fürder ins Gewühle
Der ewig kalten Menschen hin.
Ich bin wie Wein, der ausgegoren:
Er schäumt nicht länger hin und her,
Doch was nach außen ging verloren,
Hat er an innrem Feuer mehr.
Theodor Fontane
Wanderlust
Morgen müssen wir verreisen,
und es muß geschieden sein.
Traurig ziehn wir unserer Straßen,
lebe wohl, Herzliebchen mein!
Kommen wir zu jenem Berge,
schauen wir zurück ins Tal,
schauen uns um nach allen Seiten,
sehen die Stadt zum letzten Mal.
Wenn der Winter ist vorüber,
und der Frühling zieht ins Feld,
will ich werden wie ein Vöglein,
fliegen durch die ganze Welt.
Dahin fliegen will ich wieder,
wo's mir lieb und heimisch war.
Schätzlein, muß ich jetzt auch wandern,
kehr' ich...
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Ein Unterschied
Das war einmal: ich liebe dich!
wie Jugend wohl zu Jugend sagt,
die sich in ihrem Überschwang
an alle großen Worte wagt.
Jetzt fragst auch du nicht: liebst du mich?
du fragst nur schlicht: hast du mich lieb?
und lächelst, daß nach Lust und Blust
die reife Frucht am Stengel blieb.
Ich hab dich lieb. Das klingt so süß
und klingt so reif. Ein Sommerlaut,
wenn rings der Blick im Vollbesitz
auf segenschöne Felder schaut.
Gib deine Hand, und keinen Kuß,
mein Weib. Nur Blick in...
Gustav Falke
Der Sproß
Ein junger Sproß mit Tatendrang
erblickt das Licht der Erde,
er zeigt: "Es geht auch anders lang"
mit stolzester Gebärde.
Er weiß nicht, daß der Apfelbaum,
aus dem er treibt die Blüte,
einst hatte diesen gleichen Traum,
in dem er sich bemühte.
Jetzt ist er alt und voller Moos,
treibt trotzdem schöne Blüten,
er hält es für das schönste Los,
die Sprossen zu behüten.
Klaus Ender
Altweibersommer
Der Abschied ist nun angesagt,
es trauert die Natur,
der Sommer ist zu sehr betagt,
es läuft jetzt seine Uhr.
Das Werden ist Vergangenheit,
es setzt das Scheiden ein,
es zeigt sich in Erhabenheit
als herbstlich schöner Schein.
Ein silberfarbnes Nachtgewand
ummantelt Berg und Tal,
die Welt – sie glänzt im Ruhestand,
die Sonne leuchtet fahl.
Es perlt der Tau von Halm und Blatt,
der Himmel zeigt sein Blau
und jeder Tropfen spiegelt matt,
verschönt des Abschieds...
Klaus Ender
Glut des Sommers
Aus einer Knospe, dicht behaart,
kommt sie zerknautscht ans Licht,
sie wird zur Schönsten ihrer Art,
noch glaubt man ihr es nicht.
Sie öffnet sich, sie streicht ihr Kleid,
gleicht seidigstem Papier,
entfaltet sich voll Heiterkeit,
jetzt glauben wir es ihr.
Die Sonne hat ihr Rot entdeckt,
sie gibt ihr lichten Glanz,
die Glut des Mohnes ward geweckt
zum sommerlichen Tanz.
Klaus Ender
Das Faß
Ein großes Faß aus hartem Holz,
es hat sein Werk vollbracht,
es hat den letzten Tropfen stolz,
zum Überlauf gebracht.
So steht es nun, im nassen Sand,
der Boden weicht schnell auf,
und was das Faß einst herrlich fand,
das nimmt jetzt seinen Lauf.
Der erste Tropfen war der Start,
zum großen Wasserschwall,
und was zur großen Hoffnung ward,
das wird zum großen Fall.
Das Faß verliert die Fassung,
dann kippt es gänzlich um,
so zeigt sich's wie im Leben,
wer übertreibt ist dumm.
Klaus Ender
Lorelei
Es ist schon spät, es wird schon kalt,
was reitst du einsam durch den Wald?
Der Wald ist lang, du bist allein,
du schöne Braut! Ich führ dich heim!
»Groß ist der Männer Trug und List,
vor Schmerz mein Herz gebrochen ist,
wohl irrt das Waldhorn her und hin,
o flieh! du weißt nicht, wer ich bin.«
So reich geschmückt ist Roß und Weib,
so wunderschön der junge Leib,
jetzt kenn ich dich – Gott steh mir bei!
Du bist die Hexe Lorelei.
»Du kennst mich wohl – vom hohen Stein
schaut still mein...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
O fünfzehn Jahre, lange öde Zeit!
Wie sind die Bäume jetzt so starr und breit!
Der Hütte Tür vermocht' ich kaum zu regen,
Da schoß mir Staub und wüst Gebrüll entgegen,
Und an dem blanken Gartensaale drüben,
Da steht 'ne schlanke Maid mit ihrem Lieben,
Die schaun sich lächelnd in der Seele Grund,
In ihren braunen Locken rollt der Wind:
Gott segne dich, du bist geliebt, mein Kind,
Bist fröhlich und gesund!
Annette von Droste-Hülshoff
Wanderung
Der Morgentau ist
längst getrunken,
in Streifen glänzt
das frische Grün.
Das Morgenlied ist
längst gesungen,
die Zeit ist reif,
um aufzustehen.
Jetzt möchte ich
mit einem gehen,
der alte Wege
finden kann.
Der mir vertraut ist,
der mich ansieht
und mit mir
herzlich lachen kann.
Sonja Drechsel-Walther
Unendlich
Seltsam, Du warst so nah,
ich hätte nur
nach Deiner Hand
greifen müssen.
Warum nur, habe ich es
nicht gewagt...
Einmal Deinen Arm
berühren, der mich
einfach nur umfängt.
Wollte Dich nicht
mal verführen,
einfach nur die
Nähe spüren...
Warum nur, habe ich es
nicht gewagt...
Hab davon geträumt,
ich gehe Hand in Hand
mit Dir durch Wiesen,
Wälder, entlang der Seen...
Warum nur, habe ich es
nicht gewagt...
und es Dir auch nicht gesagt...
War es Scheu?
War es Angst
vor...
Ann Theres Dell
Aus banger Brust
Die Rosen leuchten immer noch,
die dunklen Blätter zittern sacht,
ich bin im Grase aufgewacht,
o kämst du doch,
es ist so tiefe Mitternacht.
Den Mond verdeckt das Gartenthor,
sein Licht fließt über in den See,
die Weiden stehn so still empor,
mein Nacken wühlt im feuchten Klee,
so liebt' ich dich noch nie zuvor!
So hab' ich es noch nie gewußt,
so oft ich deinen Hals umschloß
und blind dein Innerstes genoß,
warum du so aus banger Brust
aufstöhntest, wenn ich überfloß.
O jetzt,...
Richard Fedor Leopold Dehmel