Jetzt Zitate (Seite 28)
Das Vergissmeinnicht
(Für meinen kleinen Sonnenschein Morris)
Dort wo du jetzt bist, steht ein kleines Vergissmeinnicht.
Es wächst auf einer grünen Wiese im hellen Sonnenlicht.
Sei nicht traurig, denke immer daran,
dass unsere Trennung nicht für immer sein kann.
Eines Tages werden wir uns wiedersehen,
und gemeinsam durch deine ewige Heimat gehen.
Natunika
Fanal
Ihr treibt das Rad, ihr wirkt die Zeit,
das Feuer flammt: Jetzt! und Hier!
Euch mahnt das Feuer, macht euch bereit!
Erkennt eure Kraft! Seid Ihr!
Euch flammt das Feuer! Euch blüht das Land!
Erkennt! Seht! Hört! und Wißt!
Doch ihr verdingt euer Hirn, eure Hand –
und zweifelt, was Euer ist.
Kein Fragen, kein Rechnen befreit den Geist.
Das Feuer flammt: Tat ist Pflicht!
Wenn ihr eure Ketten nicht zerreißt, –
von selber brechen sie nicht!
Erich Mühsam
Der Kranke:
»Oft zu sterben wünscht ich mir…
Und wie dankbar bin ich doch,
daß ich leb und leide noch
im gesetzten Nun und Hier.
Bleibt mir doch damit noch Zeit,
abzubauen manch Gebrest,
komm ich nimmer auch zum Rest,
werd ich besser doch bereit.
Wenn ich jetzt nicht wirken kann,
helf ich also doch dem Mir,
das dereinst nach Nun und Hier
wirken wird im Dort und Dann.«
Christian Morgenstern
Historische Bildung
oder
Die verfolgte Weltgeschichte
Es sitzt ein Fräulein auf dem Altan
und liest eine Nachricht aus Ispahan.
Sie liest von einer Rebellion, -
bewegt, so hebt und senkt sich ihr Ton.
Darauf liest sie eine aus Engelland;
die andere Dame horcht gespannt.
Darauf liest die andere Dame vor.
Die erste lauscht jetzt, völlig Ohr.
So lesen Tante sich und Nichte
abwechselnd vor die Weltgeschichte.
Und husten dazu mit strengem Blick,
und äußern Beifall und Kritik.
Und legen dann das...
Christian Morgenstern
Du warest mir ein täglich Wanderziel,
Viellieber Wald, in dumpfen Jugendtagen;
Ich hatte dir geträumten Glücks so viel
Anzuvertraun, so wahren Schmerz zu klagen.
Und wieder such' ich dich, du dunkler Hort,
Und deines Wipfelmeers gewaltig Rauschen -
Jetzt rede du! Ich lasse dir das Wort!
Verstummt ist Klag' und Jubel. Ich will lauschen.
Conrad Ferdinand Meyer
Das tote Kind
Es hat den Garten sich zum Freund gemacht,
Dann welkten es und er im Herbste sacht,
Die Sonne ging und es und er entschlief,
Gehüllt in eine Decke weiß und tief.
Jetzt ist der Garten unversehns erwacht,
Die Kleine schlummert fest in ihrer Nacht.
"Wo steckst du?" summt es dort und summt es hier.
Der ganze Garten frägt nach ihr, nach ihr.
Die blaue Winde klettert schlank empor
Und blickt ins Haus: "Komm hinterm Schrank hervor!
Wo birgst du dich? Du tust dir's selbst zu leid!
Was...
Conrad Ferdinand Meyer
Du warest mir, ein täglich Wanderziel,
viellieber Wald, in dumpfen Jugendtagen.
Ich hatte dir geträumtes Glück soviel
anzuvertraun, so wahren Schmerz zu klagen.
Und wieder such ich dich, du dunkler Hort,
und deines Wipfelmeeres gewaltig Rauschen –
Jetzt rede du! Ich lasse dir das Wort!
Verstummt ist Klang und Jubel.
Ich will lauschen.
Conrad Ferdinand Meyer
Das Gewissen
Was tatest du, als ich dich einstens bat,
nach Gottes Wohlgefallen nur zu streben?
Ich wollte dir das Glück des Lebens geben;
nun aber sag, was galt dir da mein Rat?
Was tatest du, als ich dich einst belehrt,
daß deine Wege falsche Wege seien?
Ich wollte dich vom Bösen gern befreien;
nun muß ich fragen: Hast du dich bekehrt?
Was tatest du, als ich dich dann verließ?
Ich glaubte wohl, du werdest mich vermissen
und reuevoll um mich zu bitten wissen;
nun frag ich dich: Was...
Karl May
An die Mutter
Ich hab gefehlt, und du hast es getragen,
so manches Mal und, ach, so lang, so schwer.
Wie das mich nun bedrückt, kann ich nicht sagen;
o komm noch einmal, einmal zu mir her!
Du starbst ja nicht; du bist hinaufgestiegen
zu reinen Geistern, meiner Mutter Geist.
Ich weiß, du siehst jetzt betend mich hier liegen;
o komm, o komm, und sag, daß du verzeihst!
Komm mir im Traum; komm in der Dämmerstunde,
wenn, Stern um Stern, der Himmel uns umarmt.
Bring mir Verzeihung, und bring...
Karl May
Ein losgerissener Baum.
Weithin vom rasenden Sturm getragen
Aus trautem Waldgeheg
Liegt er verscheidend am Weg.
Durch den Wipfel, der einst so kühn
Gen Himmel getragen sein Grün,
Rauschen jetzt einsam Todesklagen.
Schmerzlich zucken die Blätter, durchzittert
Vom leisen Windeshauch,
Aus niedrem Strauch
Kriecht der Wurm
Preisend den Sturm,
Der dies stolze Leben zersplittert.
Wenn dein Mut von den Stürmen und Wettern
Des Schicksals besiegt
...
Eugenie Marlitt