Ich Sein Zitate (Seite 93)
Mut!
Fliegt der Schnee mir in's Gesicht,
Schüttl' ich ihn herunter,
Wenn mein Herz im Busen spricht,
Sing' ich hell und munter.
Höre nicht, was es mir sagt,
Habe keine Ohren,
Fühle nicht, was es mir klagt,
Klagen ist für Thoren.
Lustig in die Welt hinein
Gegen Wind und Wetter!
Will kein Gott auf Erden sein,
Sind wir selber Götter.
Wilhelm Müller
Erblinden mag ich, sprach ich kühn, –
mir bleibt nichts Neues mehr zu schauen! ...
Da wandelt sich der Erde Grün
zum odemraubend kühlen Grauen.
Ein Schleier fällt auf die so recht
geliebten Wesen und Gelände,
und zu der – Geister Lichtgeschlecht
erhebt – ein Blinder seine Hände…
Christian Morgenstern
O gib mir Freuden, nicht mit dem verstrickt,
was ich als niedres Ich in mir empfinde,
gib solche Freuden mir zum Angebinde
wie Geist sie Geist, der Seele Seele schickt.
O nicht mehr dieser schalen Freuden Pein,
die doch erkauft nur sind von fremden – Leiden!
Schenk Herzen mir, die sich für dich</em> entscheiden,
so wird auch meines wahrhaft fröhlich sein.
Christian Morgenstern
Dank
Es gilt das Vorwärtsstreben,
was gestern war verging,
es lehrte mich das Leben:
Sei fröhlich, lach und sing.
Das ist nicht immer leicht,
wenn mich die Sorgen drücken,
doch hab' ich viel erreicht
in winzig kleinen Stücken.
Ich singe meine Lieder,
sie tragen mich durchs Leben
und lache endlich wieder.
Das hast DU mir gegeben.
Nicht nur im Heute sein,
die Zukunft froh zu schauen,
allein und doch zu zwei'n
beflügelt vom Vertrauen.
Regina Meier zu Verl
Guten Abend
Es ist schon dunkel um mich her,
Ich finde keine Herberg' mehr,
Ach, liebes Blümchen, laß mich ein;
Das spricht: Komm, Käfer, nur herein, –
Du sollst mir schön willkommen sein!
Guten Abend.
Dem Vöglein ist im Nest so kalt:
Lieb' Mutter, wir erfrieren bald!
Ach, bist du uns denn gar entfloh'n?
Die spricht: Hier, Kinder, bin ich schon,
Mach' euch ein warmes Bett zum Lohn –
Guten Abend.
Drauf schließt die Blum' ihr Pförtchen klein,
Der Vogel fing die Kleinen ein
Und deckt sie mit den...
Rudolf Löwenstein
Geduldige Erwartung
Mein still Gemach füllt deiner Rosen Duft,
Und meine Sehnsucht webt in Träumen
Dein Bildnis in die Luft –
O kämst du doch!
Was soll dein Säumen?
Führt dich kein Wunsch in meine Nähe?
Ich drück an die Scheiben mein Gesicht
Und spähe —
Der Mond steht längst im Garten,
Durch stille Zweige bricht sein weißes Licht –
Dich seh ich nicht!
Thekla Lingen
Schrei
Ich soll verzichten und entsagen
Und einsam sein,
Ich soll den Jammer in mir tragen
Und soll nicht schrein!
Soll gegen ein Gesetz nicht rasen,
Das uns jetzt trennt,
Beschwichtigen mit leeren Phrasen,
Was in mir brennt!
Und hören, wie sie's Sünde nennen
Und Unmoral,
Weil sie nicht unsern Himmel kennen –
Die Narren all!
Thekla Lingen
Ihr Wille und sein Wille
Er: Nein, liebe Frau, das geht nicht an:
Ich muß hier meinen Willen haben.
Sie: Und ich muß meinen haben, lieber Mann.
Er: Unmöglich!
Sie: Was? nicht meinen Willen haben?
Schon gut! So sollst du mich in Monatsfrist begraben.
Er: Den Willen kannst du haben.
Gotthold Ephraim Lessing
Die Küsse
Ein Küßchen, das ein Kind mir schenket,
Das mit dem Küssen nur noch spielt,
Und bei dem Küssen noch nichts denket,
Das ist ein Kuß, den man nicht fühlt.
Ein Kuß, den mir ein Freund verehret,
Das ist ein Gruß, der eigentlich
Zum wahren Küssen nicht gehöret:
Aus kalter Mode küßt er mich.
Ein Kuß, den mir mein Vater giebet,
Ein wohlgemeinter Segenskuss,
Wenn er sein Söhnchen lobt und liebet,
Ist etwas, das ich ehren muß.
Ein Kuß von meiner Schwester Liebe
Steht mir als Kuß nur so weit...
Gotthold Ephraim Lessing
Stilleben
Zankst du schon wieder? sprach Hans Lau
Zu seiner lieben Ehefrau.
– Versoffner, unverschämter Mann –
– Geduld, mein Kind, ich zieh mich an –
– Wo nun schon wieder hin? – Zu Weine.
Zank du alleine.
– Du gehst? – Verdammtes Kaffeehaus!
Ja! blieb er nur die Nacht nicht aus.
Gott! ich soll so verlassen sein? –
Wer pocht? – Herr Nachbar? – nur herein!
Mein böser Teufel ist zu Weine:
Wir sind alleine. –
Gotthold Ephraim Lessing