Ich Sein Zitate (Seite 90)
Haß
Im Innern gezüchtet als Larve des Bösen
sorgsam behütet von meiner Verschlossenheit
genährt an der Brust des Mißverständnisses,
gestärkt durch Artgenossen im derben Spiel aus anderen
sucht er ausgewachsen
die Freiheit aus der Enge.
Entsteigt aus der Tiefe der Seele
quetscht mir beim Aufstieg das Herz,
lähmt den Verstand
benutzt mich Hilflosen für sein böses Treiben
schiedet meine Worte zu erbarmungslosen Dolchen
springt dem anderen mit meiner Faust in sein Gesicht.
Und stirbt....
Nico Szaba
Der Bauer und sein Sohn
Der Bauer steht vor seinem Feld
und zieht die Stirne kraus in Falten.
"Ich hab den Acker wohlbestellt,
auf reine Aussaat streng gehalten;
nun seh mir eins das Unkraut an!
Das hat der böse Feind getan!"
Da kommt sein Knabe hochbeglückt,
mit bunten Blüten reich beladen;
im Felde hat er sie gepflückt,
Kornblumen sind es, Mohn und Raden.
Er jauchzt: "Sieh, Vater, nur die Pracht!
Die hat der liebe Gott!" gemacht!"
Julius Karl Reinhold Sturm
Frühlingssehnsucht*
Wenn ich malen könnte:
wie zögernd sich
der blasse Schimmer
dieser Nachmittagssonne
durch den milchigen
Nebel tastet,
wie sich sein schwaches Licht
im Strom, durch Stürme
stark bewegt, in zartem
Rot zerspiegelt,
wie letzte Flocken –
Blüten gleich –
das Tal
herunter wirbeln
und wie mich das berührt:
wie ein gehauchter
Kuß von Frühling
auf eine kalte Wange.
Wenn ich nur malen könne!
(*an einem Vorfrühlingstag an der Donau)
Ingrid Streicher
Im bunten Zug zum Walde ging's hinaus.
Du bei den Kindern bliebst allein zu Haus.
Und draußen haben wir getanzt, gelacht,
und kaum, so war mir, hatt' ich dein geacht.
Nun kommt der Abend, und die Zeit beginnt,
wo sich selbst die Seele besinnt;
nun weiß ich auch, was mich so froh ließ sein,
du warst es doch und du nur ganz allein.
Theodor Storm
Ja, schau mich an!
Ja, schau mich an mit deinen Blicken
Voll tiefer, seelensüßer Glut
Und trink' mir aus mit Spiel und Nicken –
Mein ganzes Herz, mein letztes Blut!
Ich kann dir nimmer widerstreben;
Nimm mich dahin – ich bin ja dein!
Nähr' deine Glut mit meinem Leben –
Und in der Glut vergeht mein Sein!
Karl Stieler
Abendgang
Abendschatten füllt die Weite,
Abendfriede füllt die Welt;
Und ich zieh an deiner Seite
Durch das kühle, grüne Feld.
Wortlos und mit sachtem Schritte,
Deingedenkend, wie du mein,
Ohne Wunsch und ohne Bitte,
Will ich ganz dein eigen sein.
Wellen ziehn mit leisen Tönen,
Vöglein ziehn mit leisem Flug,
Und durch unser Herz zieht Sehnen,
Haben wir nicht Glück genug?
Jugendglück im reifern Innern,
Liedertrost, der selig labt,
Und im Alter dies Erinnern,
Wie wir einst uns lieb gehabt?
Karl Stieler
Dichterherz
Willst du all mein Lieben, Hassen,
Ganz mich selber finden wieder,
Lies, Geliebte meines Herzens,
In dem Buche meiner Lieder.
Meine Lieder bin ich selber,
Mit dem Hoffen, mit dem Wagen,
Mit dem Lieben, mit dem Hassen,
Mit dem Jubeln, mit dem Klagen.
Alles, was sie dir verkünden,
Hat die Seele einst durchlodert;
Jedes Lied, ob trüb ob heiter,
Hat sein Götterrecht gefordert.
Alles mußte durch die Adern
Stürmisch erst das Herzblut treiben,
Eh' ich mit den frischen Narben
Konnt' als...
Edmund Sternau
Dir gilt es!
Stets werd' ich dich als Menschen achten,
Denn menschlich bist du von Gestalt;
Du kannst mit Händ' und Füßen trachten,
Bist jung und wirst nach Jahren alt.
Doch soll ich dich als Freund umfassen,
So mußt du in der Menschenbrust
Auch etwas lieben, etwas hassen
Und Leid empfinden oder Lust.
Du mußt vermögend sein, zu beten
In jedem wahren Heiligtum,
Mit schöner Ehrfurcht hinzutreten
Vor jeden echten Siegesruhm.
Johann Fercher von Steinwand
Du liebe Erde
Du liebe Erde,
geschmückte Wiege, bekränztes Grab,
ach, wie lieb, wie lieb ich dich hab.
Kann denn der Himmel viel schöner sein?
Sieh doch, die Wunder, die vielen,
Engel mit deinen Blumen spielen.
Sonne, du hast sie freudig geweckt,
hast sie mit roten Rosen besteckt,
sie breitet die güldenen Tücher aus.
O Freude – noch bin bei dir ich zu Haus.
Wilhelm August Theodor Steinhausen
Das Huhn und der Karpfen
Auf einer Meierei
Da war einmal ein braves Huhn,
Das legte, wie die Hühner tun,
An jedem Tag ein Ei
Und kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte,
Als ob's ein Wunder sei!
Es war ein Teich dabei,
Darin ein braver Karpfen saß
Und stillvergnügt sein Futter fraß,
Der hörte das Geschrei:
Wie's kakelte,
Mirakelte,
Spektakelte,
Als ob's ein Wunder sei!
Da sprach der Karpfen: "Ei!
Alljährlich leg' ich 'ne Million
Und rühm' mich des mit keinem Ton;
Wenn ich um jedes Ei
So...
Heinrich Seidel
Fan(atisch)
(Spätpubertäre Anfälle)
Für Klaus Hoffmann, Wolfgang Niedecken
und andere wenige
Du
der Du
Träume, Gefühle, Ehrlichkeiten
bekennst
und lieben kannst
wie wenige
Du
den ich
mit Tausenden teilen muß
und der nicht weiß
was er mit seinen
Texten und Melodien
alles anrichtet
– in mir –
Du
der Du
Mann sein kannst
und</em> Freund
Du
der Du
mich nicht einmal kennst
sag mir:
wohin soll ich mit all meiner Liebe zu Dir?
mit der Platte an die Kasse.
Ute Maria Seemann
Francois Villon I
Der kleine Henker
ist mein Freund.
Bald wird er auch
mein Schicksal sein.
Oft sitzen wir
am selben Tische,
und stoßen an
auf sauren Wein.
Durch das kleine,
schiefe Fenster,
seh' ich auf dem Hügel,
sieben Galgen steh'n,
an dem,
wie traurige Gespenster,
sieben Gesellen
im Winde weh'n.
Der Kleine Henker lächelt;
auch der Wirt
schaut lustig d'rein.
Und ihre Augen sagen:
Bald wirst du
der nächste sein!
Manfred Schröder