Ich Bin Ich Zitate (Seite 135)
Der Lindenbaum
Am Brunnen vor dem Tore
da steht ein Lindenbaum:
ich träumt'in seinem Schatten
so manchen süßen Traum.
Ich schnitt in seine Rinde
so manches liebe Wort;
es zog in Freud und Leide
zu ihm mich immer fort.
Ich mußt' auch heute wandern
vorbei in tiefer Nacht,
da hab' ich noch im Dunkel
die Augen zugemacht.
Und seine Zweige rauschten,
als riefen sie mir zu
komm her zu mir, Geselle,
hier findest du deine Ruh!
Die kalten Winde bliesen
mir grad ins Angesicht,
der Hut flog...
Wilhelm Müller
Meiner Frau
In deinem Zimmer fand ich meine Stätte.
In deinem Zimmer weiß ich, wer ich bin.
Ich liege tagelang in deinem Bette
Und schmiege meinen Körper an dich hin.
Ich fühle Tage wechseln und Kalender
Am Laken, das uns frisch bereitet liegt.
Ich staune manchmal still am Bettgeländer,
Wie himmlisch lachend man die Zeit besiegt.
Bisweilen steigt aus fernen Straßen unten
Ein Ton zu unserm Federwolkenraum,
Den schlingen wir verschlafen in die bunten
Gobelins, gewirkt aus Küssen, Liebe, Traum.
Ernst Wilhelm Lotz
Der Jungfernkranz
Und daß ich eine Jungfer bin
und habe keinen Mann
und noch nicht weiß, was Liebe ist,
das steht mir wenig an.
Was hilft mir denn mein Jungfernkranz,
hab ich ihn ganz allein,
ich trag ihn zwanzig Jahre lang,
bald wird verwelkt er sein.
Verwelken aber soll er nicht
vor Sonne und vor Wind,
ich häng ihn abends in den Tau,
bis daß ihn einer findt.
Und wer ihn findt, das sag ich frei,
ihn auch behalten kann;
ich trug ihn zwanzig Jahre lang,
mir liegt nichts mehr daran.
Hermann Löns
Die Wehmut
Ich hab' einen Haß, einen grimmigen Haß
Und weiß doch selbst nicht recht auf was.
Ich bin so elend, so träge und faul
Wie 'n abgeschundner Ackergaul.
Ich hab' einen bösen Zug im Gesicht.
Mir ist niemand Freund, ich will es auch nicht.
Ich hab' eine Wut auf die ganze Welt.
In der mir nicht mal mehr das Laster gefällt.
Und schimpfe und fluche, ich oller Tor
Und komme mir sehr dämonisch vor.
Alfred Lichtenstein
Heimat
Heimat ist nicht nur ein Wort
Heimat das bist Du und ich
Heimat ist nicht nur ein Ort
Heimat die ist innerlich
Heimat ist stets wo ich bin
Schlägt in meinem Herzen
Heimat ist des Leben's Sinn
Nicht ein Land mit Grenzen
Heimat ist woher ich kam
Und wohin ich gehe
Heimat ist nicht fern noch nah
Heimat heißt ich lebe
Heimat ist ganz einfach Leben
Grenzenlos und unbeschwert
Ist der inner'n Stimme Beben
Das Gewissen das man hört
Seele ist die Heimat allen Lebens
Dieses sag' ich...
Robert Kroiß
Warten
Wo das Meer die Küste trifft,
Da stehe ich
Und warte auf dich.
Wo verschneite Berge stehen,
Weiß wie Papier,
Will ich dich sehen
Doch du bist nicht hier.
Wo Stürme in Wüsten wehen,
Will ich dich sehen.
Denn Sehnsucht kommt auf,
Sehnsucht nach dir,
Und ich bin einsam und warte hier.
Egal wo du gehst, egal wo du bist,
Du wirst vermisst.
Und ich warte hier, bis alles zerfällt,
Ich warte auf dich bis ans Ende der Welt.
Frank Korablin
Reichtum in Christo
Hättest du Licht und Heil
Mir nicht gegeben,
Hätt' ich kein andres Teil,
Hätt' ich kein Leben.
Wärst du blutend nicht
Für mich verschieden,
Käm' in mein Angesicht
Ewig kein Frieden!
Aber du lebst und bist
Alles in allen:
Siehe mein Los, es ist
Lieblich gefallen.
Jesus, ich lebe dir,
Bis ich dir sterbe;
Rufst du von hinnen mir,
Bin ich dein Erbe.
Christus im Erdenthal,
Christus am Grabe,
Christus im Himmelssaal
Ist's, was ich habe.
Albert Knapp
Du, mein künftiges Sein, wie jauchz' ich dir entgegen.
Wie fühl' ich's in mir, wie klein ich bin!
Aber wie fühl' ich es auch,
Wie groß ich werde sein!
O du, die steigt zu dem Himmel hinauf,
Hoffnung, gegeben von Gott!
Ein kurzer, schneller, geflügelter Augenblick,
Er heißet Tod, dann werd' ich es sein!
Friedrich Gottlieb Klopstock
Zwiegespräch
"Du gabst mir immer wieder
Dein Herz und deine Lieder,
Ich nahm sie sorglos hin.
Nun muß ich dich betrüben:
Ich darf dich nicht mehr lieben,
Weil ich nicht dein mehr bin."
"Und liebst du einen andern,
Will ich ins Weite wandern,
Mir wird so enge hier.
Wie schmerzlich blüht der Flieder!
Mein Herz und meine Lieder,
Ich lasse sie bei dir."
Klabund
O weine nicht, o freue dich
Bin ich auch fern von dir,
Ob nah', ob fern, ich denke dein,
Die Liebe zieht mit mir.
Sie schickt den Traum mir in der Nacht,
Ist mir am Tag' Geleit",
Sie flüstert: – bleibe treu, o Herz,
Bleib' treu' in Freud und Leid! –
Ja, in Freud und Leid ich bleibe treu,
Ich liebe dich allein.
Ich finde ja kein' lieber Lieb".
Wie könnt ich untreu sein?
Theobald Kerner
Packung
Herr Tod kommt durch die Tür,
ich soll wohl mit ihm reiten,
noch eine Kippe rauch ich mir,
dann werd ich ihn begleiten.
"Scheiß Packung, sie ist ewig leer,
ne neue muß ich holen
"gleich bin ich wieder hier"
sag ich zu ihm verstohlen
Herr Tod erwidert lässig
"Du Narr gib endlich Ruh"
und obendrein gehässig
"Bind Deine Schuhe zu".
Kurt Hermann Wilhelm Hübner
Von der Zeit
Mein Haus sagte zu mir:
"Verlaß mich nicht, denn hier wohnt deine Vergangenheit".
Und die Straße sagte zu mir:
"Komm und folge mir, denn ich bin deine Zukunft".
Und ich sage zu beiden, zu meinem Haus und zu der Straße:
"Ich habe weder Vergangenheit, noch habe ich Zukunft.
Wenn ich hier bleibe, ist ein Gehen in meinem Verweilen;
und wenn ich gehe, ist ein Verweilen in meinem Gang.
Nur Liebe und Tod ändern die Dinge."
Khalil Gibran
Krokodilromanze
Ich bin ein altes Krokodil
Und sah schon die Osirisfeier;
Bei Tage sonn ich mich im Nil,
Bei Nacht am Strande leg ich Eier.
Ich weiß mit listgem Wehgekreisch
Mir stets die Mahlzeit zu erwürken;
Gewöhnlich freß ich Mohrenfleisch
Und sonntags manchmal einen Türken.
Und wenn im gelben Mondlicht rings
Der Strand liegt und die Felsenbrüche,
Tanz ich vor einer alten Sphinx,
Und lausch auf ihrer Weisheit Sprüche.
Die Klauen in den Sand gepflanzt,
Tiefsinnig spricht sie:...
Emanuel Geibel
Abend ist's geworden,
Dunkel hüllt uns ein,
Still ist's allerorten,
Still will ich auch sein.
Kindlich und voll Reue
Klag ich meine Schuld,
Hoff auf deine Treue
Und auf deine Huld.
Alles schläft hienieden
In der stillen Nacht.
Ich auch ruh in Frieden,
Denn dein Auge wacht.
Was kann mir denn schaden?
Herr, in deiner Hut
Und in deinen Gnaden
Schlaf ich still und gut.
Schlafe ohne Sorgen,
Denn ich bin ja dein.
Bis mich weckt am Morgen
Deiner Sonne Schein.
Dann will ich auf's...
Georg-Christoph Dieffenbach
Aus banger Brust
Die Rosen leuchten immer noch,
die dunklen Blätter zittern sacht,
ich bin im Grase aufgewacht,
o kämst du doch,
es ist so tiefe Mitternacht.
Den Mond verdeckt das Gartenthor,
sein Licht fließt über in den See,
die Weiden stehn so still empor,
mein Nacken wühlt im feuchten Klee,
so liebt' ich dich noch nie zuvor!
So hab' ich es noch nie gewußt,
so oft ich deinen Hals umschloß
und blind dein Innerstes genoß,
warum du so aus banger Brust
aufstöhntest, wenn ich überfloß.
O jetzt,...
Richard Fedor Leopold Dehmel