Hunger Zitate (Seite 3)
Der Einsiedler
Er hatte seit Jahren nicht mehr gesät
Verstreut noch reifte ihm das Getreide
Zuletzt ließ er den Hafer ungemäht
Sein Pferd verlor sich auf der Weide.
Er brach eine Zeit noch Beeren vom Ast
Als müßte er einen Hunger stillen
Dann vergaß er auch diese letzte Last
Um seiner tieferen Ruhe willen.
Er saß vor der Hütte bei Tag und Nacht
Die Hütte verfiel in Wind und Regen
Allmählich wuchsen die Gräser sacht
Seinen Füßen und Knien...
Maria Luise Weissmann
Das Hungerlied
Verehrter Herr und König,
Weißt du die schlimme Geschicht?
Am Montag aßen wir wenig,
Und am Dienstag aßen wir nicht.
Und am Mittwoch mußten wir darben,
Und am Donnerstag litten wir Not;
Und ach, am Freitag starben
Wir fast den Hungertod!
Drum laß am Samstag backen
Das Brot, fein säuberlich -
Sonst werden wir sonntags packen
Und fressen, o König, dich!
Georg Weerth
Der Dienst der Freiheit ist ein strenger Dienst,
Er trägt nicht Gold, er trägt nicht Fürstengunst,
Er bringt Verbannung, Hunger, Schmach und Tod;
Und doch ist dieser Dienst der höchste Dienst,
Ihm haben unsre Väter sich geweiht,
Ihm hab' auch ich mein Leben angelobt,
Er hat mich viel gemühet, nie gereut.
Ludwig Uhland
An die Verstummten
O, der Wahnsinn der großen Stadt, da am Abend
An schwarzer Mauer verkrüppelte Bäume starren,
Aus silberner Maske der Geist des Bösen schaut;
Licht mit magnetischer Geißel die steinerne Nacht verdrängt.
O, das versunkene Läuten der Abendglocken.
Hure, die in eisigen Schauern ein totes Kindlein gebärt.
Rasend peitscht Gottes Zorn die Stirne der Besessenen,
Purpurne Seuche, Hunger, der grünen Augen zerbricht.
O, das gräßliche Lachen des Golds.
Aber stille blutet in dunkler...
Georg Trakl
Die Seele in der Speisekammer
"Ich werde bald wieder auf die Jagd gehen!"
sagte die Seele, als sie einmal wieder mit ihrem
Gedächtnis in der Speisekammer stand.
"Ein paar Vorräte haben sich nicht gehalten,
und überhaupt habe ich in der letzten Zeit so einen
Hunger auf was Unbeschreibliches! –
Kommst Du mit?"
Das dicke Gedächtnis grinste.
"Du willst ja nur, daß ich wieder abnehme!"
Peter-T. (Torsten) Schulz
Kurze Zeit ist dir gesetzt
Auf der Welt zu krabbeln;
Erst wirst du umhergehetzt
Nach der Leute Babbeln.
Später hetzt die Liebe dich,
Dann des Hungers Pfeifen;
Tausend Wünsche regen sich,
Mußt sie dir verkneifen.
Streit und Zank im Ehejoch,
Schicksalsschlag von oben,
Und dabei sollst du noch hoch
Solchen Himmel loben.
Ach, du weißt schon, wie ich's mein',
Teurer Erdenbruder,
Kein Gottvater pfuscht uns drein,
Sondern andre Luder.
Emerenz Meier
Damals und jetzt
Ich habe nicht mehr, was ich einmal hatte.
Alle Formen haben sich verschoben.
Worte haben sich aufgelöst.
Nur Hunger ist geblieben.
Jetzt probiere ich nur noch
die dunklen, schweren Roggenbrote,
mit dem süßen Geschmack des vollen Korns meiner Seele.
Dabei werde ich selbst zu feinem Mehl gemahlen,
zwischen den großen Steinen der Mühle,
die ich selbst gewählt habe.
Aber ich habe, als unermeßlichen Schatz,
mein sich entfaltendes Leben.
Erfüllt mit Licht und zur...
Alexandra Kluxen
Mahnung! 1917
Bauer, schaff' Fett, Bauer, gib Brot,
Der Hunger tut weh, und groß ist die Not;
Ein Satter muß stehn, wo die Esse loht;
An dich geht des Volkes heilig' Gebot:
Bauer, schaff' Fett, Bauer, gib Brot.
Und schaffst du kein Fett und gibst du kein Brot –
Die Grube verödet, die Esse verloht:
Umsonst ist der Kampf, umsonst war der Tod;
Bald pocht dir der Feind ans Hoftor und droht:
Bauer, schaff' Fett, Bauer, gib Brot!
Paul Keller
Aber bei all' ihrem Protegiren,
Hätt' ich können vor Hunger krepiren,
Wär' nicht gekommen ein braver Mann,
Wacker nahm er sich meiner an.
Braver Mann! er schafft mir zu essen!
Will es ihm nie und nimmer vergessen!
Schade, daß ich ihn nicht küssen kann!
Denn ich bin selbst dieser brave Mann.
Heinrich Heine
Von der Freundschaft
Eurer Freund ist die Antwort auf eure Nöte.
Er ist das Feld, das ihr mit Liebe besät und
mit Dankbarkeit erntet.
Und er ist euer Tisch und euer Herd.
Denn ihr kommt zu ihm mit eurem Hunger,
und ihr sucht euren Frieden bei ihm.
Wenn euer Freund frei heraus spricht,
fürchtet ihr weder das "Nein" in euren Gedanken,
noch haltet ihr mit dem "Ja" zurück.
Und wenn er schweigt, hört euer Herz nicht auf,
dem seinen zu lauschen;
Denn in der Freundschaft werden alle...
Khalil Gibran
Alles habend, alles wissend seufzen sie:
"Karges leben! drang und hunger überall!
Fülle fehlt!"
Speicher weiß ich über jedem haus
Voll von korn das fliegt und neu sich häuft –
Keiner nimmt ...
Keller unter jedem hof wo siegt
Und im sand verströmt der edelwein –
Keiner trinkt ...
Tonnen puren golds verstreut im staub:
Volk in lumpen streift es mit dem saum –
Keiner sieht.
Stefan George
Es kribbelt und wibbelt weiter
Die Flut steigt bis an den Ararat,
Und es hilft keine Rettungsleiter,
Da bringt die Taube Zweig und Blatt –
Und es kribbelt und wibbelt weiter.
Es sicheln und mähen von Ost nach West
Die apokalyptischen Reiter,
Aber ob Hunger, ob Krieg, ob Pest,
Es kribbelt und wibbelt weiter.
Ein Gott wird gekreuzigt auf Golgatha,
Es brennen Millionen Scheiter,
Märtyrer hier und Hexen da,
Doch es kribbelt und wibbelt weiter.
So banne dein Ich in dich zurück
Und ergib dich und...
Theodor Fontane