Himmel Zitate (Seite 22)
Am Rande der Nacht
Meine Stube und diese Weite,
wach über nachbetendem Land, –
ist Eines. Ich bin eine Saite,
über rauschende breite
Resonanzen gespannt.
Die Dinge sind Geigenleiber,
von murrendem Dunkel voll;
drin träumt das Weinen der Weiber,
drin rührt sich im Schlafe der Groll
ganzer Geschlechter...
Ich soll
silbern erzittern: dann wird
Alles unter mir leben,
und was in den Dingen irrt,
wird nach dem Lichte streben,
das von meinem tanzenden Tone,
um welchen der Himmel wellt,
durch...
Rainer Maria Rilke
Ich liebe dich, du sanftestes Gesetz,
an dem wir reiften, da wir mit ihm rangen;
du großes Heimweh, das wir nicht bezwangen,
du Wald, aus dem wir nie hinausgegangen,
du Lied, das wir mit jedem Schweigen sangen,
du dunkles Netz,
darin sich flüchtend die Gefühle fangen.
Du hast dich so unendlich groß begonnen
an jenem Tage, da du uns begannst, –
und wir sind so gereift in deinen Sonnen,
so breit geworden und so tief gepflanzt,
daß du in Menschen, Engeln und Madonnen
dich ruhend...
Rainer Maria Rilke
Bangnis
Im welken Walde ist ein Vogelruf,
Der sinnlos scheint in diesem welken Walde.
Und dennoch ruht der runde Vogelruf
In dieser Weile, die ihn schuf,
Breit wie ein Himmel auf dem welken Walde.
Gefügig räumt sich alles in den Schrei.
Das ganze Land scheint lautlos drin zu liegen,
Der große Wind scheint sich hineinzuschmiegen,
Und die Minute, welche weiter will,
Ist bleich und still, als ob sie Dinge wüßte,
An denen jeder sterben müßte,
Aus ihm herausgestiegen.
Rainer Maria Rilke
Ein Frühlingswind
Mit diesem Wind kommt Schicksal; laß, o laß
es kommen, all das Drängende und Blinde,
vor dem wir glühen werden –: alles das.
(Sei still und rühr dich nicht, daß es uns finde.)
O unser Schicksal kommt mit diesem Winde.
Von irgendwo bringt dieser neue Wind,
schwankend vom Tragen namenloser Dinge,
über das Meer her was wir sind.
…. Wären wirs doch. So wären wir zuhaus.
(Die Himmel stiegen in uns auf und nieder.)
Aber mit diesem Wind geht immer wieder
das Schicksal riesig über...
Rainer Maria Rilke
Fortschritt
Und wieder rauscht mein tiefes Leben lauter,
als ob es jetzt in breitern Ufern ginge.
Immer verwandter werden mir die Dinge
und alle Bilder immer angeschauter.
Dem Namenlosen fühl ich mich vertrauter:
Mit meinen Sinnen, wie mit Vögeln, reiche
ich in die windigen Himmel aus der Eiche,
und in den abgebrochnen Tag der Teiche
sinkt, wie auf Fischen stehend, mein Gefühl.
Rainer Maria Rilke
Mit unsern Blicken schließen wir den Kreis,
daß weiß in ihm die wirre Spannung schmölze.
Schon richtet dein unwissendes Geheiß
Die Säule auf in meinem Schamgehölze.
Von dir gestiftet steht des Gottes Bild
am leisen Kreuzweg unter meinem Kleide;
mein ganzer Körper heißt nach ihm. Wir beide
sind wie ein Gau darin sein Zauber gilt.
Doch Hain zu sein und Himmel um die Herme
das ist an dir. Gieb nach. Damit
der freie Gott inmitten seiner Schwärme
aus der entzückt zerstörten Säule tritt.
Rainer Maria Rilke
Ende des Herbstes
Ich sehe seit einer Zeit,
Wie alles sich verwandelt.
Etwas steht auf und handelt
Und tötet und tut Leid.
Von Mal zu Mal sind all
Die Gärten nicht dieselben;
Von der gilbenden zu der gelben
Langsamem Verfall:
Wie war der Weg mir weit.
Jetzt bin ich schon bei den leeren
Und schaue durch die Alleen.
Fast bis zu den fernsten Meeren
Kann ich den ernsten schweren
Verwehrenden Himmel sehn.
Rainer Maria Rilke
O Lächeln, erstes Lächeln, unser Lächeln.
Wie war das Eines: Duft der Linden atmen,
Parkstille hören –, plötzlich in einander
aufschaun und staunen bis heran ans Lächeln.
In diesem Lächeln war Erinnerung
An einen Hasen, der da eben drüben
Im Rasen spielte; dieses war die Kindheit
Des Lächelns. Ernster schon war ihm des Schwanes
Bewegung eingegeben, den wir später
Den Weiher teilen sahen in zwei Hälften
Lautlosen Abends. – Und der Wipfel Ränder
Gegen den reinen, freien, ganz schon künftig...
Rainer Maria Rilke
Nachthimmel und Sternenfall
Der Himmel, groß, voll herrlicher Verhaltung,
in Vorrat Raum, ein Übermaß von Welt.
Und wir, zu ferne für die Ausgestaltung,
zu nahe für die Abkehr hingestellt.
Da fällt ein Stern! Und unser Wunsch an ihn,
bestürzten Aufblicks, dringend angeschlossen:
Was ist begonnen, und was ist verflossen?
Was ist verschuldet? Und was ist verziehn?
Rainer Maria Rilke
ad astra ?
die kinder der sterne
sind immer noch
auf der reise durchs nichts
die zeit der lyriden
ist längst vorbei
die draconiden
beherrschen den himmel
und schicken uns
ihre silbrigen grüße
vergiß nicht
dir etwas zu wünschen
ganz fest und heiß
damit dir
in der zeit der quadrantiden
das herz nicht gefriert
und die nornen
sitzen zu gericht
unter der weltesche yggdrasil
seit undenklicher zeit
Wolfgang J. Reus
Im Frühling
Wie ist doch die Erde so schön, so schön!
Das wissen die Vögelein;
Sie heben ihr leicht Gefieder
Und singen so fröhliche Lieder
In den blauen Himmel hinein.
Wie ist doch die Erde so schön, so schön!
Das wissen die Flüss' und Seen;
Sie malen in klarem Spiegel
Die Gärten und Städt' und Hügel
Und die Wolken, die drüber gehn.
Und Sänger und Maler wissen es,
Und es wissen's viel andere Leut'.
Und wer's nicht malt, der singt es,
Und wer's nicht singt, dem klingt es
In dem Herzen vor...
Robert Reinick
Abendfrieden
Wenn am Abend die Sonne untergeht,
wo die Welt aufhört,
die Wolken den Himmel verlassen
und leise
die Erde berühren -
Wenn die letzten Sonnenstrahlen
ihre Schleier färben,
kommt die Zeit,
wo einsam der Mensch
den anderen sucht.
Wo Berührung
den Abendfrieden
in dein Herz trägt -
Wenn rot die Abendsonne untergeht,
hüllen auch dich
Schleier himmlischer Wolken ein,
bis die Nacht
im Traum
dich weit von dannen trägt.
Otto Reinhards