Heute Zitate (Seite 19)
Winterritt
An meines Rosses Brust und Mähne
Gefriert der Hauch zu Duft im Schnee,
In meinem Auge quillt die Träne,
Ich dacht' an dich heut' mehr als je.
Mir klang's heut' früh wie Sonntagsläuten
Durch Berg und Tal in stiller Nacht;
Ich sah dich da mit andern Bräuten,
Die Kirchentür' war aufgemacht.
Die andern trugen Myrtenkrönlein,
Du trugst ein Schleierlein im Haar;
Du hattest auf dem Arm ein Söhnlein,
...
Hermann Ritter von Lingg
Ich leb' mein Leben schneller, Mensch, als du.
Mich kann der Dinge Schein nicht länger halten.
Mein Blick hat jedes Ding entzweigespalten.
Ich schmeck' den Kern und eile Neuem zu.
Im Weitersausen bin ich tiefste Ruh'.
Denn ich bin eine von den Kraftgewalten,
Die Welt in sich und sich zu Welt gestalten.
So ist mir alles Ich, und ich bin allem Du.
Mich hält nicht Schönheit, Glanz, nicht Glück noch Macht.
Was gestern ich war, hab' ich heute vergessen –
Wo euch noch Chaos stürzt, blüht mir schon...
Heinrich Lersch
Die entlaufene Mutter
Kathinka aus Eurich lief davon
Dem Ehemann, dem Saufpatron.
Sie lief bis Malschwitz in toller Hast,
Dort machte sie müde am Hügel Rast.
Mit trübe geweinten Äugelein
Sah sie in Gottes Sonne hinein.
O Hanzo, Hanzo, mein lieber Sohn,
Hast du wohl jetzt dein Frühstück schon?
O Maja, Maja, du Blümlein rot,
Wer kocht dir heute dein Mittagbrot?
Und du, mein Merten, du Kleinster mein,
Wer singt dich heut in den Schlummer ein?
Da weinte sie laut, da stand sie auf
Und nahm gen...
Paul Keller
Kleine Blumen ...
Kleine Blumen, kleine Lieder,
Heller Klang und bunte Pracht,
Blumen, die ich nicht gezogen,
Lieder, die ich nicht erdacht: –
Und ich selber hätte nichts,
Dir zu bringen, Dir zu danken,
Sollte heute, heute schweigen?
Ach, was mein war, die Gedanken,
Sind ja längst, schon längst Dein Eigen.
Hugo von Hofmannsthal
Die Jahre
Die Jahre sind allerliebste Leut':
Sie brachten gestern, sie bringen heut,
Und so verbringen wir Jüngern eben
Das allerliebste Schlaraffenleben.
Und dann fällt's den Jahren auf einmal ein,
Nicht mehr wie sonst bequem zu sein,
Wollen nicht mehr schenken, wollen nicht mehr borgen;
Sie nehmen heute, sie nehmen morgen.
Johann Wolfgang von Goethe
An Leukon
Rosen pflücke, Rosen blühn,
morgen ist nicht heut!
Keine Stunde laß entfliehn –
flüchtig ist die Zeit!
Trink und küsse! Sieh, es ist
heut Gelegenheit!
Weißt du, wo du morgen bist?
flüchtig ist die Zeit!
Aufschub einer guten Tat
hat schon oft gereut!
Hurtig leben ist mein Rat –
flüchtig ist die Zeit!
Johann Wilhelm Ludwig Gleim
Mahnung
Sieh, das ist es, was auf Erden
Jung dich hält zu jeder Frist,
Daß du ewig bleibst im Werden,
Wie die Welt im Wandeln ist.
Was dich rührt im Herzensgrunde
Einmal kommt's und nimmer so;
Drum ergreife kühn die Stunde,
Heute weine, heut' sei froh!
Gieb dem Glück dich voll und innig,
Trag' es, wenn der Schmerz dich preßt,
Aber nimmer eigensinnig
Ihren Schatten halte fest.
Heiter senke, was vergangen,
In den Abgrund jeder Nacht!
Soll der Tag dich frisch empfangen,
Sei getreu doch neu...
Emanuel Geibel
Zu neuer Tat
Siehst du den Regenbogen
dort überm Horizont.
Er verkündet eine neue Zeit
und morgen,
wenn du eine Nacht geschlafen hast,
ist heute schon Vergangenheit.
Das, was du heute meinst und denkst,
steht dann in einem andern Licht.
Es ist wie eine Rosenknospe,
die zu voller Blüte bricht.
Lasse jede kleine Regung,
die du in deinem Innern spürst,
sich entfalten,
so daß du sie zu Ende führst.
Volkmar Frank
Ein neuer Tag
Ich will nicht streiten
über das, was ich tat
und was fehlgechlagen ist.
Heute ist ein neuer Tag.
Was getan ist getan
und was nicht –
Ich muß es heute besser machen.
Dieser neue Tag
so wie er
breche auch ich aus dem Dunkel hervor.
Was mich bedrückte
ist so niedrig
geworden durch diesen neuen hellen Tag!
Volkmar Frank
Pfingstlied
Pfingsten ist heut, und die Sonne scheint,
Und die Kirschen blühn, und die Seele meint,
Sie könne durch allen Rausch und Duft
Aufsteigen in die goldene Luft.
Jedes Herz in Freude steht,
Von neuem Geist frisch angeweht,
Und hoffnungsvoll aus Thür und Thor
Steckt´s einen grünen Zweig hervor.
Es ist im Fernen und im Nah´n
So ein himmlisches Weltbejah´n
In all dem Lieder- und Glockenklang,
Und die Kinder singen den Weg entlang.
Wissen die Kindlein auch zumeist
Noch nicht viel...
Gustav Falke
Frühling im Alter
Singen die Vöglein im grünen Wald,
Klingen die Bächlein bergunter,
Lockt es den Alten mit Lustgewalt,
Klopfet das Herz ihm so munter:
Denket der Wonne verschiedener Lenze
Fallen auch Tränen herunter.
Singet und klinget! Das Heute ist mein.
Heut' will ich singen und klingen,
Lustig mit spielenden Kindern feldein,
Fröhlich mit fröhlichen Dingen,
Will mir bekränzen die Locken, die greisen;
Bald muß ich hinnen und wandern und reisen,
Wo mir die Vögel nicht singen.
Ernst Moritz Arndt
Unbelastet und gesund kam ich zur Welt.
Ich wußte damals noch nicht,
daß dieser Zustand nicht lange hält
und schaute zu tief ins künstliche Licht,
das uns heute alle blendet.
Und damit war meine Karriere
als Mensch vorläufig beendet.
Ich hatte zu Unrecht jenen getraut,
die das künstliche Licht gebaut.
Heute suche ich echtes Licht,
das uns warm zusammenhält
und uns allen leuchtet
für eine menschliche Welt.
Gefunden hab ich's noch nicht –
doch manchmal schon gesehen.
Kristiane Allert-Wybranietz