Herz Zitate (Seite 35)
Wie mit ungehemmtem Schritt
Wechseln Tag und Leben,
Nimmt der Wechsel dich auch mit,
Wandelt sich dein Streben.
Holde Züge, Melodie'n
Zaubrisch einst ergreifend,
Läßt du kühl vorüber ziehn,
Kaum die Seele streifend.
Was dein Wesen einst berückt,
Was dein Herz bereute,
Blüthen sind's, im Lenz gepflückt,
Die der Wind zerstreute.
Wenn zu lächeln dir...
Otto Roquette
Wie wir die Menschen sehn, nicht wie sie sind,
So lieben wir sie. Unser tiefstes Sehen
Ist, wo wir lieben, kinderselig blind,
Und mag nur mit dem Herzen sich verstehen.
Erkenntniß selbst wird eingehüllt geschwind,
In schönem Trug mit uns einher zu gehen.
Wie reich die Armuth, die das Herz verschwendet!
Wie arm der Reichthum, wenn der Trug sich wendet!
Otto Roquette
Wenn du geliebt, wenn du gehofft,
Wenn du gestrebt, gerungen,
Wenn du mit starkem Willen oft
Dein blutend Herz bezwungen:
Dann fühlst du, wie zu vollem Wert
Erwacht dein ganzes Leben,
Denn jeder Schmerz, der dich beschwert
Wird dich nur höher heben.
Dein Glück, es ist so selten echt,
Und wird dich doch betören:
Der Schmerz verleiht dir erst ein Recht,
Dem Leben zu gehören.
Ob du umfingst in Jugendluft
Die Welt mit Liebesarmen,
Es lehrt dich Leid erst und Verlust
Ein heiligstes Erbarmen.
Otto Roquette
Hielte die Jugend immer Maß
Und verstünden die Philister Spaß,
Geriet' in jedem Jahre der Wein,
Oder tät's Gold vom Himmel schnei'n;
Wären die Weiber durch die Bank
Schön und gefällig und ohne Wank;
Gäb's vor der Wahrheit keine Scheu,
Und keine Torheit und keine Reu;
Könnte man fürder ungeprellt
Über Tag und Herz und Willen schalten,
Wär's in so hochvollkomm'ner Welt
...
Otto Roquette
Wilde Ehe!
Sie leben in ›wilder Ehe‹,
So sagt des Volkes Mund;
Darob schreitet Ach und Wehe
Der Pharisäer Bund!
Ihr Herz ist rein und heilig,
Wie man sie auch verdammt;
Sie habens nur nicht eilig
Mit ihrem Standesamt!
Doch bei dem Paar da drüben,
Das kirchlich einst getraut,
Da schallt es oft von Hieben,
Da tönt das Fluchen laut.
Da zittern Weib und Kinder,
Vom Ehgemahl bedroht:
Sie fürchten von dem Sünder
Fast täglich ihren Tod!
Nun sagt mir, welche Ehe
Von beiden wirklich ›wild‹?
Die auf...
Hermann Roller
Abschiedsstunde
Ich stellte gern die alte Uhr zurück!
Die Zeiger machen hastend ihre Runde –
Wir aber haben nur die eine Stunde,
Dann mußt du gehn, und mir dir geht das Glück!
Wie leer wirds dann in meinem Stübchen sein!
Der Frühlingssturm wird an die Fenster klopfen,
Die Winternebel von den Scheiben tropfen –
Und immer bin ich einsam und allein!
So sieh mich an, so liebevoll und still!
Kein Abschiedsschmerz darf mir das Bild verwischen,
Nach Jahren noch soll's mir das Herz erfrischen –
Ich...
Anna Ritter
Einsamer Abend
Im Nachtwind blähn sich leise die Gardinen,
Ein Falter wagt den Todesflug ins Licht
Und büßt den Fürwitz. Mit gelassnen Mienen
Schau ich ihm zu – es ist der Erste nicht,
Den dumpfe Sehnsucht in die Gluth getragen,
Und der im Sturz den kecken Nacken bricht!
Vom Rathhausthurm hör' ich die Uhren schlagen.
Die Töne dringen wuchtig zu mir her,
Als wollte jeder einzelne mir sagen:
"Thu deine Pflicht – du hast nichts Andres mehr.
Ich neige meine Stirn der harten Kunde...
Anna Ritter
Der Frühling blüht! Herz – war er je so schön?
Lag je ein solcher Schimmer auf den Höhn
Und in den Thälern solch ein lieber Glanz?
Ein jeder Baum trägt seinen Blüthenkranz –
Auch du, mein Haupt, willst unter grünen Zweigen
Dich ahnungsvoll dem Glück entgegen neigen.
Die beiden Hände drück' ich auf die Brust –
Ist's Schmerz, der drinnen lodert, ist es Lust?
Ach, wunderlich verwoben und verwebt
Ist Beides mir, und meine Sehnsucht schwebt
Darüber hin, aus dieses Frühlings Zagen
In der Erfüllung...
Anna Ritter
Weihnachten
Weißer Flöckchen Schwebefall,
Stille Klarheit überall,
Glockenklang und Schellenklingen,
Mäulchen, die vom Christkind singen,
Flammen, die von grünen Zweigen
Gläubig, strahlend aufwärts steigen,
Und im tiefsten Herzen drinnen
Ein Erinnern, ein Besinnen …
Neige dich, mein Herz, und bete,
Daß das Christkind zu dir trete,
Auch in deiner Schwachheit Gründen
Eine Flamme zu entzünden,
Die das Ringen Deiner Tage
Gläubig strahlend aufwärts trage.
Anna Ritter
Aufschrei
Blühend sein und doch nicht leben sollen,
Mit der Sehnsucht noch, der heißen, tollen,
Vor der fest verschlossnen Türe stehn –
Durstig sein, und doch nicht trinken, trinken,
Wenn die goldnen Freudenbecher winken,
Jeder Wonne scheu vorübergehn –
Lechzen, ach, nach seligem Genießen,
Und die trunknen Augen doch zu schließen,
Weil des Schicksals harter Spruch es will –
Darben, darben, wenn sich Andre küssen,
Elend sein, und dennoch lachen müssen,
Immer lachen ….
Still, mein Herz, o still!
Anna Ritter