Gott Zitate (Seite 157)
Abend wird es wieder
Abend wird es wieder,
über Wald und Feld
legt sich Frieden nieder,
und es ruht die Welt.
Nur der Bach ergießet
sich am Felsen dort,
und er braust und fließet,
immer, immer fort.
Und kein Abend bringet
Frieden ihm und Ruh,
keine Glocke klinget
ihm ein Nachtlied zu.
So in deinem Streben
bist, mein Herz auch du,
Gott nur kann dir geben
wahre Abendruh.
August Heinrich Hoffmann von Fallersleben
Das Geisterschiff
Alle Schiffer kamen wieder,
Kay kam nicht.
Auf die Erde warf Meike sich nieder,
In den Sand das Gesicht.
Sie weinte und rang die weißen Arme:
Kay, komm, Kay!
Sie flehte und fluchte, daß Gott erbarme:
Kay, komm, Kay!
Da lief ein Schiff auf schwarzer Welle
Nachts an den Strand,
Da kam ihr toter Herzgeselle
Und nahm sie bei der Hand.
Sie fühlte es bis in die spitzen Zehen
Und bis in ihr blondes Haar.
Und Meike mußte mit ihm gehen
Und segeln immerdar.
Gustav Falke
»Wann endlich«, dacht' ich, »sinnlos-blödes Spiel,
Wirst du dich enden? Auf und ab und auf
Wiegt seit Äonen sich die Lebensschaukel;
Auf einer Seite staunend sitzt das Leben,
Und auf der andern grinsend wippt der Tod –
Und auf und ab, stumpfsinnig, wird die Wippe
Durch Ewigkeiten gehn. Wo lebt der Gott,
Den dieses grause Einerlei vergnügt?
Der ärmste Menschengeist, er hätte längst
Voll Überdruß und Ekel dieses Spielzeug
Zertrümmert –!«
Otto Ernst
Gefesselt
Liebesglück und Liebesschmerz –
Die Minute macht zum Sklaven,
O des Gottes Pfeile trafen
Mein gestählt gewappnet Herz.
Trage Ketten, golden süß,
Aber immer sind es Ketten,
Goldne Ketten, süße Ketten,
Aber Ketten sinds gewiß.
In des Lebens Blütenzeit
Tief verletzt und schwer gebunden,
Und in Fesseln und in Wunden
Dennoch diese Seligkeit?
Ludwig Eichrodt
Solange Recht regiert und schöne Sitte,
Du schlicht und gläubig gehst in sichrer Mitte,
Da trittst du siegreich zwischen Molch und Drachen,
Und wo du ruhst, da wird ein Engel wachen.
Doch wenn die Kraft, die wir ›Uns selber‹ nennen,
Die wir mit Schaudern raten und nicht kennen,
Gebundne Bestien, wie geklemmt in Mauern,
Die nach der alten Freiheit dunkel lauern –
Wenn die rebellisch sich von dir lossagen,
Gewohnheit, Glauben, Sitt und Recht zerschlagen,
Und stürmend sich zum Elemente...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Nachtlied
Vergangen ist der lichte Tag,
Von ferne kommt der Glocken Schlag;
So reist die Zeit die ganze Nacht,
Nimmt manchen mit, ders nicht gedacht.
Wo ist nun hin die bunte Lust,
Des Freundes Trost und treue Brust,
Des Weibes süßer Augenschein?
Will keiner mit mir munter sein?
Da's nun so stille auf der Welt,
Ziehn Wolken einsam übers Feld,
Und Feld und Baum besprechen sich, –
O Menschenkind! was schauert dich?
Wie weit die falsche Welt auch sei,
Bleibt mir doch Einer nur getreu,
Der mit...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Lorelei
Es ist schon spät, es wird schon kalt,
was reitst du einsam durch den Wald?
Der Wald ist lang, du bist allein,
du schöne Braut! Ich führ dich heim!
»Groß ist der Männer Trug und List,
vor Schmerz mein Herz gebrochen ist,
wohl irrt das Waldhorn her und hin,
o flieh! du weißt nicht, wer ich bin.«
So reich geschmückt ist Roß und Weib,
so wunderschön der junge Leib,
jetzt kenn ich dich – Gott steh mir bei!
Du bist die Hexe Lorelei.
»Du kennst mich wohl – vom hohen Stein
schaut still mein...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Zum Abschied
Der Herbstwind schüttelt die Linde,
Wie geht die Welt so geschwinde!
Halte dein Kindlein warm.
Der Sommer ist hingefahren,
Da wir zusammen waren -
Ach, die sich lieben, wie arm!
Wie arm, die sich lieben und scheiden!
Das haben erfahren wir beiden,
Mir graut vor dem stillen Haus.
Dein Tüchlein noch läßt du wehen,
Ich kann's vor Tränen kaum sehen,
Schau' still in die Gasse hinaus.
Die Gassen schauen noch nächtig,
Es rasselt der Wagen bedächtig -
Nun plötzlich rascher der...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Laß das Jagen
Wenn die Wogen unten toben,
Menschenwitz zu schanden wird,
Weist mit feur'gen Zügen droben
Heimwärts dich der Wogen Hirt.
Sollst nach keinem andern fragen,
Nicht zurückschau'n nach dem Land,
Faß das Steuer, laß das Zagen:
Aufgerollt hat Gottes Hand
Diese Wogen zum Befahren
Und die Sterne, dich zu wahren!
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Komm, Trost der Welt
Komm, Trost der Welt, du stille Nacht!
Wie steigst du von den Bergen sacht,
Die Lüfte alle schlafen,
Ein Schiffer nur noch, wandermüd,
Singt übers Meer sein Abendlied
Zu Gottes Lob im Hafen.
Die Jahre wie die Wolken gehn
Und lassen mich hier einsam stehn,
Die Welt hat mich vergessen,
Da tratst du wunderbar zu mir,
Wenn ich beim Waldesrauschen hier
Gedankenvoll gesessen.
O Trost der Welt, du stille Nacht!
Der Tag hat mich so müd gemacht,
Das weite Meer schon dunkelt,
Laß...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Es saß ein Mann gefangen
Es saß ein Mann gefangen
Auf einem hohen Turm,
Die Wetterfähnlein klangen
Gar seltsam in den Sturm.
Und draußen hört' er ringen
Verworr'ner Ströme Gang,
Dazwischen Vöglein singen,
Und heller Waffen Klang.
Ein Liedlein scholl gar lustig:
Heisa, so lang Gott will!
Und wilder Menge Tosen,
Dann wieder totenstill.
So tausend Stimmen irren,
Wie Wind' im Meere geh'n,
Sich teilen und verwirren,
Er konnte nichts versteh'n.
Doch spürt' er, wer ihn grüße,
Mit Schaudern und mit...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Winternacht
Verschneit liegt rings die ganze Welt,
Ich hab nichts, was mich freuet,
Verlassen steht der Baum im Feld,
Hat längst sein Laub verstreuet.
Der Wind nur geht bei stiller Nacht
Und rüttelt an dem Baume,
Da rührt er seine Wipfel sacht
Und redet wie im Traume.
Er träumt von künft'ger Frühlingszeit,
Von Grün und Quellenrauschen,
Wo er im neuen Blütenkleid
Zu Gottes Lob wird rauschen.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Grabschrift
Im Schatten dieser Weide ruht
Ein armer Mensch, nicht schlimm noch gut.
Er hat gefühlt mehr als gedacht,
Hat mehr geweint als er gelacht;
Er hat geliebt und viel gelitten,
Hat schwer gekämpft und – nichts erstritten.
Nun liegt er endlich sanft gestreckt,
Wünscht nicht zu werden auferweckt.
Wollt Gott an ihm das Wunder tun,
Er bäte: Herr, o laß mich ruhn!
Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach