Geliebte Zitate (Seite 6)
Die kurze Schöne
Keine Schöne kann ich loben,
Deren Länge hoch von oben
Ihre stolzen Blicke zeigt.
Bäume, welche Früchte tragen,
Pflegen nicht so hoch zu ragen,
Als die leere Fichte steigt.
Du ergötzest mich, Asträe,
Wenn ich dir zur Seite stehe,
Du bist klein, und so, wie ich,
Dein Geliebter wird dich küssen,
Und zuvor nicht sagen müssen:
Meine Schöne, bücke dich!
Johann Elias Schlegel
Herz, nun so alt und noch immer nicht klug,
Hoffst du von Tagen zu Tagen,
Was dir der blühende Frühling nicht trug,
Werde der Herbst dir noch tragen!
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Immer zu schmeicheln, zu kosen.
Rosen entfaltet am Morgen sein Hauch,
Abends verstreut er die Rosen.
Läßt doch der spielende Wind nicht vom Strauch,
Bis er ihn völlig gelichtet.
Alles, o Herz, ist ein Wind und ein Hauch,
Was wir geliebt und gedichtet.
Friedrich Rückert
Leeres Reden, Kommen, Gehen,
Schales Lächeln, Lachen auch,
Alles mußtest du verstehen,
Heuchelnd nach des Tages Brauch!
Unergründet muß es bleiben,
Glatt und trügrisch wie die Welt,
Wenn dein Wesen ihrem Treiben
Widerwillig ward gesellt.
Dein erst, wenn der Tag zerstoben,
Ist, was dir die Seel' umfaßt,
Dein des Glücks, der Schmerzen Toben,
Dein geliebter Sorgen Last.
Otto Roquette
Wenn du geliebt, wenn du gehofft,
Wenn du gestrebt, gerungen,
Wenn du mit starkem Willen oft
Dein blutend Herz bezwungen:
Dann fühlst du, wie zu vollem Wert
Erwacht dein ganzes Leben,
Denn jeder Schmerz, der dich beschwert
Wird dich nur höher heben.
Dein Glück, es ist so selten echt,
Und wird dich doch betören:
Der Schmerz verleiht dir erst ein Recht,
Dem Leben zu gehören.
Ob du umfingst in Jugendluft
Die Welt mit Liebesarmen,
Es lehrt dich Leid erst und Verlust
Ein heiligstes Erbarmen.
Otto Roquette
Das Herz
Das Herz, das ist ein närrisch' Ding
Und plagt uns allezeit,
Bald sitzt es nicht am rechten Fleck,
Bald ist es viel zu weit!
Oft geht es falsch und nicht im Takt
Und ohne Fehler keins,
Jedoch das beste in der Welt,
Das ist, Geliebte, deins!
Das ist so rein und schlägt so treu
In Liebe, Schmerz und Glück!
Und freuen wird der Herrgott sich,
Bekommt er's einst zurück!
Gabriele (Hermine Josefine Elisabeth) von Rochow
Die Heimat
Was ist die Heimat? Ist's die Scholle?
Drauf deines Vaters Haus gebaut?
Ist's jener Ort, wo du die Sonne,
Das Licht der Welt zuerst geschaut?
O nein, o nein, das ist sie nimmer!
Nicht ist's die Heimat, heißgeliebt.
Du wirst nur da die Heimat finden,
Wo's gleichgestimmte Herzen gibt!
Die Heimat ist, wo man dich gerne
Erscheinen, ungern wandern sieht.
Sie ist's, ob auch in weiter Ferne
Die Mutter sang dein Wiegenlied.
Emil Rittershaus
Ich reiße dich aus meinem Herzen,
Aus meinem Leben reiß ich dich,
Denn wie ein heimlich schleichend Fieber
Zehrst du an mir und tötest mich.
In jedem Tag, in jede Stunde
Schleicht dein geliebtes Bild sich ein,
Und ob ich zitternd dir entfliehe
In Lust und Lärm – du holst mich ein.
Mein eigen Blut hat sich verschworen,
Mit dir im Bunde gegen mich –
Es braust und tobt mir in den Adern:
– Ich liebe dich… ich liebe dich. –
Anna Ritter
Hab ich ein Recht, zu geben, was ich kann?
Darf ich in dieser Tränen Niederschlage
dich bleiben heißen. Die durchseufzten Tage
heben auf meinem Munde wieder an
zwischen dem Lächeln, das, wie du's beschwörst,
doch nicht zu leben wagt. O ich bin bang,
daß das nicht recht sein kann. Wir sind im Rang
nicht gleich genug für Liebende. Du hörst:
wer andres nicht zu geben hat, der muß
nicht Geber werden. Ein für alle Mal.
Dein Purpur bleibe rein von meinem Ruß
und unbeschlagen klar dein...
Rainer Maria Rilke
Das Lied der Bildsäule
Wer ist es, wer mich so liebt, daß er
sein liebes Leben verstößt?
Wenn einer für mich ertrinkt im Meer,
so bin ich vom Steine zur Wiederkehr
ins Leben, ins Leben erlöst.
Ich sehne mich so nach dem rauschenden Blut;
der Stein ist so still.
Ich träume vom Leben: das Leben ist gut.
Hat keiner den Mut,
durch den ich erwachen will?
Und werd ich einmal im Leben sein,
das mir alles Goldenste giebt, –
so werd ich allein
weinen, weinen nach meinem Stein.
Was hilft mir mein Blut,...
Rainer Maria Rilke
Gesehn, gehofft, gefunden
Gesehn, gehofft, gefunden,
gestanden und geliebt –
drauf eine Zahl von Stunden
durch keinen Schmerz getrübt.
Gequält, getrennt, geschieden
durch feindliches Bemühn –
dahin der Seele Frieden,
die süße Ruh dahin…
Sich liebend treu geblieben,
geklagt, gesehnt, geweint
und dann, im bessern Drüben
auf ewig doch vereint.
Rainer Maria Rilke
Der Dichter
Du entfernst dich von mir, du Stunde.
Wunden schlägt mir dein Flügelschlag.
Allein: was soll ich mit meinem Munde?
Mit meiner Nacht? Mit meinem Tag?
Ich habe keine Geliebte, kein Haus,
Keine Stelle, auf der ich lebe.
Alle Dinge, an die ich mich gebe,
Werden reich und geben mich aus.
Rainer Maria Rilke
Wunsch
Ich hab' Dich geliebt, Du ahntest es nicht;
Ich wollte sprechen, ich durft' es nicht,
Ich harrete besserer Stunden.
Die besseren Stunden, ich fand sie nicht;
Ein anderer kam, er zögerte nicht,
Ich bin Deinem Herzen entschwunden.
Wohl mag er Dich lieben, ich weiß es nicht;
Ob treuer als ich, ich glaub' es nicht.
O, hättest Dein Glück Du gefunden!
Robert Reinick