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Frühlingsdämmerung
In der stillen Pracht,
in allen frischen Büschen und Bäumen
flüstert's wie Träumen
die ganze Nacht.
Denn über den mondbeglänzten Ländern
mit langen weißen Gewändern
ziehen die schlanken
Wolkenfrau'n wie geheime Gedanken,
senden von den Felsenwänden
hinab die behenden
Frühlingsgesellen, die hellen Waldquellen,
die's unten bestellen
an die duftgen Tiefen,
die gerne noch schliefen.
Nun wiegen und neigen in ahnendem Schweigen
sich alle so eigen
mit Ähren und Zweigen,
erzählens'...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Lockung
Hörst du nicht die Bäume rauschen
Draußen durch die stille Rund?
Lockt's dich nicht, hinabzulauschen
Von dem Söller in den Grund,
Wo die vielen Bäche gehen
Wunderbar im Mondenschein,
Und die stillen Schlösser sehen
In den Fluß vom hohen Stein?
Kennst du noch die irren Lieder
Aus der alten, schönen Zeit?
Sie erwachen alle wieder
nachts in Waldeseinsamkeit,
Wenn die Bäume träumend lauschen
Und der Flieder duftet schwül
Und im Fluß die Nixen rauschen –
Komm herab, hier ist's so kühl.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Im Alter
Wie wird nun alles so stille wieder!
So war mir's oft in der Kinderzeit,
Die Bäche gehen rauschend nieder
Durch die dämmernde Einsamkeit,
Kaum noch hört man einen Hirten singen,
Aus allen Dörfern, Schluchten weit
Die Abendglocken herüberklingen,
Versunken nun mit Lust und Leid
Die Täler, die noch einmal blitzen,
Nur hinter dem stillen Walde weit
Noch Abendröte an den Bergesspitzen,
Wie Morgenrot der Ewigkeit.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Auf einer Burg
Eingeschlafen auf der Lauer
Oben ist der alte Ritter;
Drüber gehen Regenschauer,
Und der Wald rauscht durch das Gitter.
Eingewachsen Bart und Haare,
Und versteinert Brust und Krause,
Sitzt er viele hundert Jahre
Oben in der stillen Klause.
Draußen ist es still und friedlich,
Alle sind ins Tal gezogen,
Waldesvögel einsam singen
In den leeren Fensterbogen.
Eine Hochzeit fährt da unten
Auf dem Rhein im Sonnenscheine,
Musikanten spielen munter,
Und die schöne Braut die weinet.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Über die beglänzten Gipfel
Fernher kommt es wie ein Grüßen;
Flüsternd neigen sich die Wipfel,
Als ob sie sich wollten küssen.
Ist er doch so schön und milde!
Stimmen gehen durch die Nacht,
Singen heimlich von dem Bilde -
Ach, ich bin so froh erwacht!
Plaudert nicht so laut, ihr Quellen!
Wissen darf es nicht der Morgen!
In der Mondnacht linde Wellen
Senk' ich still mein Glück und Sorgen.
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
In einem kühlen Grunde,
Da geht ein Mühlenrad,
Mein Liebchen ist verschwunden,
Das dort gewohnet hat.
Sie hat mir Treu' versprochen,
Gab mir ein'n Ring dabei,
Sie hat die Treu' gebrochen,
Das Ringlein sprang entzwei.
Ich möcht' als Spielmann reisen
Weitin die Welt hinaus
Und singen meine Weisen
Und ziehn von Haus zu Haus.
Ich möcht' als Reiter fliegen
Wohl in die blutige Schlacht,
Um stille Feuer liegen
Im Feld bei dunkler Nacht.
Hör' ich das Mühlrad gehen,
Ich weiß nicht, was ich will;
Ich...
Joseph Karl Benedikt Freiherr von Eichendorff
Wanderung
Der Morgentau ist
längst getrunken,
in Streifen glänzt
das frische Grün.
Das Morgenlied ist
längst gesungen,
die Zeit ist reif,
um aufzustehen.
Jetzt möchte ich
mit einem gehen,
der alte Wege
finden kann.
Der mir vertraut ist,
der mich ansieht
und mit mir
herzlich lachen kann.
Sonja Drechsel-Walther
Herbstlich
Die Stare pfeifen aufgebracht,
als hätten wir nicht längst gesehen,
die Vogelbeeren leuchtrot am Baum,
der Sommer mußte gehen.
Erste Kastanien rollen zu Erde,
verstecken sich unter knisterndem Laub.
Am Feldrand entdeckte ich Spuren der Pferde,
wo Weizen sich wog, stehen Stoppeln im Staub.
Die Spaziergänge müssen wir früher beenden,
denn im Dunkeln finden Wege sich schwer.
Wärme können in Briefen wir senden,
vom Wetter geschenkt wird sie uns nicht mehr.
Sonja Drechsel-Walther
O mach mich mild! Gib mir für fremden Schmerz
Ein göttlich Neigen und ein warm Erkennen;
Und laß um ein zertretnes Menschenherz
In meinem Herzen tausend Wunden brennen.
Gib meinem Ringen nur das fromme Glück,
In jedem Dunkel deinen Stern zu sehen;
Und laß mich still mit weichem Kindesblick
Durch eine Welt der Nacht und Sünde gehen.
Doch sieht die Schuld mich hilfeflehend an
Und windet sich, von Reuequal zerrissen,
So gib, daß ich die goldne Binde dann
Mit Freuden tausche um ein heilig...
Hedwig Dransfeld
In der grünen Stille
Nun sind wir draußen in der grünen Stille
Und gehen sonder Wille für uns hin.
Nur Blätter sprechen laut um uns mit Sausen.
Es jagt vor uns des Morgenwindes Brausen,
Und Baum und Blätter wollen mit ihm fliehn.
Er ist ein Reiter, einer von den Kühnen,
Und Schatten winken hinter ihm im Grünen.
Vom Haselstrauch und Eichenlaub umgeben
Sind stille Winkel, wo kein Lufthauch geht;
Wo man sich taub hinlegt vom lauten Leben,
Und wo das Gras voll Sommerwärme steht.
Die Meisen zirpen...
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Die Nacht macht alle Bäume gleich,
Sie stehen wie die dunklen Mauern
Von einem unterirdischen Reich
Und wie Gestalten, die am Wege kauern.
Doch ihre Frühlingsgeister halten mit dir Schritt.
Sie senden Blütenrauch im Dunkeln her
Und gehen abwechselnd am Wege mit,
Und sie verlassen dich nur schwer.
Nie sind der Frühlingsnacht die Wege leer.
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Die blühenden blauen Konraden,
Sie fielen mit den Ähren;
Das Korn liegt still in Schwaden
Im Sonnenschein, im schweren.
Kaum ein paar kurze Wochen
Sind die Felder glühend zu sehen;
Gleich muß die Sense dann pochen,
Und Stoppeln bleiben kalt stehen.
Wenn Augenblicke erwarmen,
Fühlst ihren Atem kaum wehen,
Da entsinken sie schon unsern Armen –
Die Luft ist voll Kommen und Gehen.
Max (Maximilian Albert) Dauthendey
Drinnen im Strauß
Der Abendhimmel leuchtet wie ein Blumenstrauß;
Wie rosige Wicken und rosa Klee sehen die Wolken aus.
Den Strauß umschließen die grünen Bäume und Wiesen,
Und leicht schwebt über der goldenen Helle
Des Mondes Sichel wie eine silberne Libelle.
Die Menschen aber gehen versunken tief drinnen im Strauß,
wie die Käfer trunken, und finden nicht mehr heraus.
Max (Maximilian Albert) Dauthendey