Gehen Zitate (Seite 10)
Die Irren
Und sie schweigen, weil die Scheidewände
weggenommen sind aus ihrem Sinn,
und die Stunden, da man sie verstände,
heben an und gehen hin.
Nächtens oft, wenn sie ans Fenster treten:
plötzlich ist alles gut.
Ihre Hände liegen im Konkreten,
und das Herz ist hoch und könnte beten,
und die Augen schauen ausgeruht
auf den unverhofften, oftenstellten
Garten im beruhigten Geviert,
der im Widerschein der fremden Welten
weiterwächst und niemals sich verliert.
Rainer Maria Rilke
Zu solchen Stunden gehn wir also hin
und gehen jahrelang zu solchen Stunden,
auf einmal ist ein Horchender gefunden –
und alle Worte haben Sinn.
Dann kommt das Schweigen, das wir lang erwarten,
kommt wie die Nacht, von großen Sternen breit :
zwei Menschen wachsen wie im selben Garten,
und dieser Garten ist nicht in der Zeit.
Und wenn die beiden gleich darauf sich trennen,
beim ersten Wort ist jeder schon allein.
Sie werden lächeln und sich kaum erkennen,
aber sie werden beide größer sein…
Rainer Maria Rilke
Vorfrühling
Härte schwand. Auf einmal legt sich Schonung
an der Wiesen aufgedecktes Grau.
Kleine Wasser ändern die Betonung.
Zärtlichkeiten, ungenau,
greifen nach der Erde aus dem Raum.
Wege gehen weit ins Land und zeigen’s.
Unvermutet siehst du seines Steigens
Ausdruck in dem leeren Baum.
Rainer Maria Rilke
Die alten Wege
Möcht' die gleichen Wege gehen
wie die Jahre je zuvor.
Möchte wieder Zweige schneiden
und die vielen Freuden teilen,
die mir schenkte die Natur.
Möcht' mich wieder fallen lassen
in den weißen Sand am Meer.
Möchte wieder auf den Wellen
wie ein Segelboot hinschnellen
und so vieles andre mehr.
Möchte meine Lebensjahre,
meine Kindheit wiedersehn.
Nicht das Böse soll mich schrecken,
Freude soll es überdecken,
ich will nur das Schöne sehn!
Will die Tage noch genießen
mit der Lieder...
Otto Reinhards
Zeit stoppen
Mensch, du hast die Uhr erfunden,
doch die Zeit kannst du nicht halten,
es verrinnen schnell die Stunden,
keine Pause lässt sich schalten.
Zeit, sie läuft auch ohne Uhren,
hat eine ungeheure Macht,
hinterlässt so manche Spuren,
ständig, am Tage und bei Nacht.
Niemand kann die Zeit erspähen,
auch nicht mit List und Phantasie,
Zeit wird immer vorwärts gehen,
rastlos, – zu stoppen ist sie nie.
Horst Rehmann
Erholsamer Tag
Stahlblauer Himmel, rauschendes Meer,
alte Kiefern im glitzernden Sand,
außer uns zwei, die Bucht menschenleer,
braunweiße Muscheln zieren den Strand.
Wir gehen umschlungen spazieren,
genießen die herrliche Stille,
sehen Vögel am Meer stolzieren,
sind begeistert von der Idylle.
Oft bleiben wir regungslos stehen,
bestaunen die Vielfalt der Natur,
können uns nicht satt daran sehen,
in uns herrscht nur, Faszination pur.
Dann neigt sich der Tag seinem Ende,
die Sonne senkt sich...
Horst Rehmann
Kurz vor dem Grenzübertritt
(Impressionen einer Wüstenreise)
Seltsames Gefühl in der Magengegend.
Nicht gehen möcht' ich, doch auch nicht bleiben.
In beiden Welten gibt es andere Arten von Freiheit.
Ein schwerer Hauch von Melancholie.
Wir, als Fremde, die hier nicht leben,
können die Freiheit empfinden.
Hier geboren, empfindest du dich vielleicht als unfrei
und gefangen, und willst nichts wie weg.
Es ist schon eine seltsame Angelegenheit
mit der "Freiheit"!
Irina Rauthmann
Ich liebe dich.
Und deshalb muß ich gehen.
Unsere Welten liegen zu weit auseinander.
Jeder ist in der Welt des anderen unglücklich,
ohne Glück und Freude.
Wir können zwar mit diesen Reisen leben,
doch nicht ohne die Leere von einem von uns.
Also gehe ich, weil ich dich liebe.
Doch du verstehst mich leider nicht.
Irina Rauthmann
Frühlingshoffnung
Warmer
Frühlingshauch
läßt die Natur
zu neuem Leben erwachen.
Die Sehnsüchte
des Winters
gehen endlich in Erfüllung,
können bald schon
aus dem Vollen schöpfen!
Zartes Grün,
erfrischende Farben der ersten Blüten,
die Vögel singen – Lebenslust! –
die Bienen eilen von Blüte zu Blüte
Öffne dich, mein Herz!
Laß sie los,
die Traurigkeit, die Einsamkeit, die Müdigkeit!
Laß dich erwärmen
und dich mit Freude, Zuversicht und Liebe füllen!
Laß dich mitreißen
zu...
Beate Prager
Nachtspaziergang
Durch die ruhigen Straßen zu gehen,
die frische, feuchte Luft zu atmen -
wie gut es tut,
die stille Lebendigkeit der Natur zu spüren!
Und wie Tausende von Tropfen
Im Laternenlicht zu wundersamen Lichterketten werden,
schaukelnd an herunterhängenden zarten Zweigen einer Birke!
Da steh ich staunend,
und tief in mir erwacht ein Glück,
das meine Schritte zuversichtlich werden läßt.
Welch ein Geschenk,
in Gottes wunderbarer Welt zu Haus zu sein! -
ein Vorgeschmack auf seine...
Beate Prager
Lebensweg
Da
gehst du deinen Weg,
gehst geradeaus,
gehst links,
gehst rechts,
gehst rauf,
gehst runter,
ganz so wie es dir beliebt.
Eines Tages dann
wunderst du dich,
daß alle deine Wege in
immer dieselbe große Straße
münden....
und du beginnst zu ahnen,
daß du die Straße nicht
verlassen kannst.
Es gibt für dich nur diesen Weg,
den du gegangen
und den du bis zum Ende
gehen wirst.
Du kannst deinem
Leben nicht entfliehen.
Manfred Poisel
Was ist Liebe?
Eine Illusion?
Ein Gefühl wie eine Explosion?
Ein gegebenes Vertrauen,
auf das man immer kann bauen?
Eine Geste ohne Worte?
Eine Zuflucht vieler Orte?
Ein Stück des Weges zusammen gehen?
Gemeinsam in die Zukunft sehen?
Ein nettes Wort zur rechten Zeit?
Das man gern zu geben bereit.
Ein Weinen und Lachen?
Das Teilen in vielen Sachen?
Ein Zusammenleben in kleinen Räumen –
und niemals ein Lächeln versäumen?
Ein Zusammenhalt in guten und schlechten Zeiten?
Sich oft viel...
Karin Obendorfer
Unrecht
Viel Zeit ist vergangen
nach einem Unrecht, das begangen,
durch Lügen und Intrigen,
des Menschen Wesen,
wurde eine Freundschaft zerstört,
als wäre sie nie gewesen.
Der Verstand und das Herz können
es nicht begreifen,
wie weit der Haß gehen kann.
Eine Frage steht weltweit offen,
wann werden die Menschen sein ohne Lug
und ohne Trug - wann?
Karin Obendorfer