Füße Zitate (Seite 37)
Frau Tierisch
Die Beste der Bestien
wohnt über mir,
viermal geworfen
von vier Anderen.
Immer wenn sie
die Jungen abspeist,
brüllt sie wies Vieh
vom Balkon die Befehle:
Sitz! Friss! Ab in dein Zimmer!
Nur im Bad wo es so schön
herunterhallt, fließt ihre Scheiße
in die Kanäle für alle.Dort
kommen sie zusammen
wie eine gute alte Familie.
Stefan Schütz
Mitten im Netz
Mitten im Netz
der eigenen Gedanken
gefangen von Seilen
die fester werden
je mehr du versuchst
das Netz zu zerstören
Sträfling in der Zelle Mensch
an den Füßen
große Kugeln
aus Stahl
die dir
von der Vergangenheit erzählen
doch wenn du
einen Stuhl findest
der Liebe heißt
kannst Du aus dem Fenster sehen
die Sonne umarmen
und das Netz liegt
regungslos
hinter dir
Engelbert Schinkel
leidenschaftlich heiß
leidenschaftlich heiß
ich sie gestern küßte
auf dem Kamel
so hemungslose Lüste
oh' wenn dies' schlimme Tun
die heiße Wüste wüßte
doch heut' morgen war die Dame weg
stell's fest mit riesengroßem Schreck
seh' nur heißen Sand und helle Sonne
nix mehr Frau und nix mehr Wonne
nur der Wüstenwind singt leis sein Lied
dies einem Lüstling recht geschieht
jetzt sitz' ich hier
mich dürstet fürchterlich
noch nie so klar war mir
daß das Kamel bin ich
und die Moral von der...
Engelbert Schinkel
Denn dort, wo Sklaven knien, Despoten walten,
Wo sich die eitle Aftergröße bläht,
Da kann die Kunst das Edle nicht gestalten.
Vor keinem Ludwig wird es ausgesät;
Aus eigner Fülle muß es sich entfalten,
Es borget nicht von ird'scher Majestät;
Nur mit der Wahrheit wird es sich vermählen,
Und seine Glut durchflammt nur freie Seelen.
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Menschliches Wissen
Weil du liesest in ihr, was du selber in sie geschrieben,
Weil du in Gruppen fürs Aug ihre Erscheinungen reihst,
Deine Schnüre gezogen auf ihrem unendlichen Felde,
Wähnst du, es fasse dein Geist ahnend die große Natur.
So beschreibt mit Figuren der Astronome den Himmel,
Daß in dem ewigen Raum leichter sich finde der Blick,
Knüpft entlegene Sonnen, durch Siriusfernen geschieden,
Aneinander im Schwan und in den Hörnern des Stiers.
Aber versteht er darum der Sphären mystische...
Johann Christoph Friedrich von Schiller
Margarethens Lied
Jetzt ist er hinaus in die weite Welt,
Hat keinen Abschied genommen,
Du frischer Spielmann in Wald und Feld,
Du Sonne, die meinen Tag erhellt,
Wann wirst du mir wiederkommen?
Kaum daß ich ihm recht in die Augen geschaut,
So ist der Traum schon beendet,
O, Liebe, was führst du die Menschen zusamm',
O, Liebe, was schürst du die süße Flamm',
Wenn so bald und traurig sich's wendet?
Wo zieht er hin? Die Welt ist so groß,
Hat der Tücken so viel und Gefahren,
Er wird wohl gar in...
Joseph Victor von Scheffel
Mai ist's jetzo. Für den Denker,
Der die Gründe der Erscheinung
Kennt, ist dieses nicht befremdlich.
In dem Mittelpunkt der Dinge
Stehn zwei alte weiße Katzen,
Diese drehn der Erde Achse,
Dieser Drehung Folge ist dann
Das System der Jahreszeiten.
Doch warum im Monat Maie
Ist das Aug' mir so beweglich,
Ist das Herz mir so erreglich?
Und warum wie festgenagelt
Muß im Tag ich sechzehn Stunden
Zum Balkon hinüberschielen,
Nach der blonden Mullimulli,
Nach der schwarzen Stibizzina?
Joseph Victor von Scheffel
Dicker roter Mond
Ach, ich kann ja gar nicht schlafen!
Über dem dunkelgrünen Myrtentor
Thront ein dicker roter Mond. –
Ob es später wohl noch lohnt,
Wenn man auf dem Monde wohnt?
Über dem dunkelgrünen Myrtentor?
Wär's nicht möglich, daß uns drüben
»Längre« Seligkeiten küßten?
Wenn wir das genauer wüßten!
Hier ist alles zu schnell aus.
Jeder lebt in Saus und Braus.
Wem das schließlich nicht gefällt,
Hält die ganze große Welt
Auch bloß für ein Narrenhaus!
Ach, ich kann ja gar nicht...
Paul Scheerbart
Dich ahnte meine Seele…
Dich ahnte meine Seele lange,
Bevor mein Auge dich gesehn,
Und selig-süße Schauer bange
Fühlt' ich durch all mein Wesen gehn.
…Ich sog von unbekannten Blüten
Den Duft, der mir entgegenquoll,
Und nie erblickte Sterne glühten
Zu Häupten mir geheimnisvoll.
Doch immer sah ich deinen Schatten
Nur trübe wie durch Nebelflor
Dein Antlitz schien daraus in matten,
Gebrochnen Zügen nur hervor.
Und als der Schleier nun gesunken,
Der dich vor mir verhüllt – vergib,
Wenn lang ich...
Adolf Friedrich Graf von Schack
Herbstlese
Schon blicken rote Wipfel
Aus fahlem Laub hervor,
Leis' um der Berge Gipfel
Wallt lichter Nebelflor.
Schon folgt dem Schnitterreigen
Des Jägers rascher Schuß –
Doch reift's noch an den Zweigen
Im letzten Sonnenkuß.
Bald nahen frohe Hände,
Sie schütteln Ast um Ast,
Sie brechen vom Gelände
Der Trauben süße Last.
Denn so ist's allerwegen:
Daß für des Sommers Fleiß
Mit köstlich reichem Segen
Der Herbst zu lohnen weiß.
Doch was ist dir beschieden,
Der du die Zeit verträumt,
Der du, zu...
Ferdinand von Saar
Du bist die Ruh
Der Friede mild,
Die Sehnsucht du,
Und was sie stillt.
Ich weihe dir
Voll Lust und Schmerz
Zur Wohnung hier
Mein Aug und Herz.
Kehr ein bei mir,
Und schließe du
Still hinter mir
Die Pforten zu.
Treib andern Schmerz
Aus dieser Brust!
Voll sei dies Herz
Von deiner Lust.
Dies Augenzelt,
Von deinem Glanz
Allein erhellt,
O füll es ganz!
Friedrich Rückert
Venedig
(Für Helen)
Beseelt seist Du mein Herz, das mir genommen von anmut'ger Schönheit
und einzig'artgem Charme, dem Gefühl beraubt,
wie in einem Gemälde des Tizian verlebt, dieser große Moment, gebannt in die Fugen der Ewigkeit.
In einem Stücke meines Herzens, wollt' ich könnt' ihn in mir tragen, dem Vergangenen entstaubt;
Gleich einem Tryptychone, von dessen vollkommener Pracht immer nur ein Teil der meine zu seien scheint,
während der anderen Stücke auf den Kämmen der Wellen...
Christian Röhrs
Nächtlicher Heimweg
Es wippt eine Lampe durch die Nacht.
Trapp klapp –
Ich will mir denken,
Daß meine Mutter jetzt noch wacht
Und will den Hut für sie schwenken.
Wir sind nicht, wie man seien soll,
Wir haben einander nur gern,
Doch meine Mutter ist alt und ist fern.
Und mir ist das Herz heut so voll.
Da kommt eine Frau mir engegen,
Ich will was Gutes überlegen,
Weil sie so arm und eckig aussieht.
Aber die Frau entflieht.
Ich bin ihr zu verwegen.
Nun wird es still und wunderbar.
Kein Laut auf...
Joachim Ringelnatz