Fragen Zitate (Seite 9)
Rückblick
Ich sehe hinter dem Grau heute Blau
Und bin milder geworden.
Ich bin nicht mehr der junge Radau
Und wehe nicht mehr aus Norden.
Es kommen die Jüngsten auch mal dahin,
Wenn sie streng Zauderndes wagen
Und fragen nach jedem »Wie ist ...?« dann: »Wie bin ...?«
Und werden still Danke sagen.
Joachim Ringelnatz
Natur
Wenn immer sie mich fragen,
Ob ich ein Freund sei der Natur,
Was soll ich ihnen nur
Dann sagen?
Ich kann eine Bohrmaschine,
Einen Hosenträger oder ein Kind
So lieben wie Blumen oder Wind.
Ein Sofa ist entstanden,
So wie ein Flußbett entstand,
Wo immer Schiffer landen,
Finden sie immer nur Land.
Es mag ein holder Schauer
Nach einem Erlebnis in mir sein.
Ich streichle eine Mauer
Des Postamts. Glatte Mauer aus Stein.
Und keiner von den Steinen
Nickt mir zurück.
Und manche Leute weinen
Vor...
Joachim Ringelnatz
Schlummerlied
Will du auf Töpfchen?
Fühlst du ein Dürstchen?
Oder ein Würstchen?
Senke dein Köpfchen.
Draußen die schwarze, kalte
Nacht ist böse und fremd.
Deine Hände falte.
Der liebe Gott küßt dein Hemd.
Gute Ruh!
Ich bin da,
Deine Mutter, Mama;
Müde wie du.
Nichts mehr sagen -
Nicht fragen -
Nichts wissen -
Augen zu.
Horch in dein Kissen:
Es atmet wie du.
Joachim Ringelnatz
Mißmut
Ein Rauch verwehrt.
Ein Wasser verrinnt.
Eine Zeit vergeht.
Eine neue beginnt.
Warum? Wozu?
Denk' ich dein Fleisch hinweg, so bist
Du ein dünntrauriges Knochengerüst,
Allerschönstes Mädchen du.
Wer hat das Fragen aufgebracht?
Unsere Not.
Wer niemals fragt, wäre tot.
Doch kommt's drauf an, wie jemand lacht.
Bist du aus schlimmem Traum erwacht,
Ist eine Postanweisung da,
Ein Telegramm, ein guter Brief, -
Du atmest tief
Wie eine Ziehharmonika.
Joachim Ringelnatz
Besuch in der Landes-Heilanstalt
Wie freute sich dieser idiotische Knabe,
Als ich ihn einmal besucht habe!
Er dankte mit zitternder Hand.
Denn seine Anstalt ist fernes und weites,
Ist abgeschlossenes, niemals befreites,
Verwunschenes Land.
Und ist dort alles aufs beste erwogen
Und alles mit Güte durchdacht.
Es wird der Sonne Strahl vor der Nacht
Doch abgebogen.
Nun fragt mein Fragen: Warum ihr seid,
Die ihr nicht wacht und auch nicht schlaft?
Und wen das tausendfache Leid,
Das mit euch geht,...
Joachim Ringelnatz
Wenn die Uhren so nah
wie eigene Herzen schlagen,
und die Dinge mit zagen
Stimmen sich fragen:
Bist du da? – :
Dann bin ich nicht der, der am Morgen erwacht,
einen Namen schenkt mir die Nacht,
den keiner, den ich am Tage sprach,
ohne tiefes Fürchten erführe –
Jede Türe
in mir gibt nach...
Und da weiß ich, daß nicht vergeht,
keine Geste und kein Gebet
(dazu sind die Dinge zu schwer) –
meine ganze Kindheit steht
immer im mich her.
Niemals bin ich allein.
Viele, die vor mir lebten
und fort von...
Rainer Maria Rilke
Frühling ist wiedergekommen. Die Erde
ist wie ein Kind, das Gedichte weiß;
viel, o viele ... Für die Beschwerde
langen Lernens bekommt sie den Preis.
Streng war ihr Lehrer. Wir mochten das Weiße
an dem Barte des alten Manns.
Nun, wie das Grüne, das Blaue heiße,
dürfen wir fragen: sie kanns, sie kanns!
Erde, die frei hat, du glückliche, spiele!
nun mit den Kindern. Wir wollen dich fangen,
fröhliche Erde. Dem Frohsten gelingts.
O, was der Lehrer sie lehrte, das Viele,
und was gedruckt steht in...
Rainer Maria Rilke
Geduld
Und ich möchte dich
so gut ich kann bitten,
Geduld zu haben gegen alles Ungelöste
in deinem Herzen,
und zu verstehen.
Die Fragen selbst lieb zu haben
wie verschlossene Stuben.
Und wie Bücher, die in einer fremden Sprache
geschrieben sind.
Forsche jetzt nicht nach Antworten,
die dir nicht gegeben werden können,
weil du sie nicht leben könntest.
Und es handelt sich darum
alles zu leben.
Vielleicht lebst du dann
allmählich – ohne es zu merken –
in deine Antworten hinein.
Rainer Maria Rilke
Ich höre leis' den Baum mich fragen:
"Was ist dein Herz so gramverstimmt?
Ich will ja auch darum nicht klagen,
Daß mir der Herbst die Blätter nimmt.
Denn wie mir Gott zur rechten Stunde
Die Blätter nimmt und wieder leiht,
So schlägt und heilt des Herzens Wunde
Auch dir dein Gott zur rechten Zeit!"
Oskar Freiherr von Redwitz
Treffen
Was wird sein,
wenn wir uns seh'n?
Werden wir uns noch verstehn?
Wird die Zeit vor Freude beben
und wir uns dabei alles geben?
Wir der Weg noch schwerer werden,
weil wir hier auf Gottes Erden
nur getrennte Wege haben,
oder werden wir uns laben,
an dem wonnevollen Augenblick,
der uns vorwärts sehen läßt
- und nicht zurück?
All die Fragen bleiben steh'n
bis wir uns in Bälde seh'n.
Irina Rauthmann
bin ich in mir? oder nur hier?
bin ich die feder? oder's papier?
bin ich die mühle oder der wind?
bin ich das wasser das hier verrinnt?
bin ich die quell? oder der fluß?
bin ich der inhalt aus einem guß?
was ist hier echt? und was von mir?
verloren das ich in diesem wir?
ach all ihr menschen, hier tu ichs kund!
in all den fragen
bin ich der punkt.
Stefan Radulian
Neben dir allein
Ich hab im Schmerz
nach dir gerufen
dein Herz gebeten
mich zu sehn
ich bin viele tausend Stufen
gefallen tief beim Suchen
und konnte mich nicht mehr verstehn
Ich hab ein Wort
gebeten mich zu tragen
dein Bild gestreichelt
mein zu sein
ich bin an graubedeckten Tagen
versunken unter Fragen
und fand mich neben dir allein
Ich hab die Nacht
gebeten, dich zu spüren
den Traum befragt
um dein Gesicht
ich stand vor verschloßnen Türen
und niemand mich zu führen
aus der...
Manfred Poisel
Draußen vor der Tür
Tiefgarage in der Nacht
atemlos in Beton
Statusschlaf von
tausend Pferdestärken
Zwei Gestalten
huschen schemenhaft
öffnen
walten
am Kofferraum innehalten
In Decken eingehüllt
wird etwas weggetragen
schaurig Bild
bange Fragen
Aus sicherem Versteck
kann ich dann sehn
wie Deck um Decke
sie enthüllen
leis vor einer Wohnungstür
So werd ich Zeuge wider Willen
wie da plötzlich steht
so ganz im Stillen
lustig Tier
geschmückt auf allen vier
Schaukelpferd
...
Manfred Poisel