Erwachen Zitate
Die Seele spricht hier im Gleichnis eines Schläfers, der mit einem tiefen Atemzug erwacht... Es gibt viele Arten des Erwachens Gottes in der Seele. Wollten wir alle aufzählen, kämen wir an kein Ende. Aber dieses Erwachen des Gottessohnes gehört aus meiner Sicht zu den größten und erhabensten Gnaden, die einer Seele zuteil werden können. Denn das Wort regt sich im Seelengrunde mit einer Kraft, Macht und Herrlichkeit und mit einer so alles durchdringenden Süße, daß die Seele meint, alle...
Juan de la Cruz
Der Schlaf
Man hat schon oft gesagt,
Du seiest des Todes Bild,
O Knabe, still und mild,
Süßer Schlaf!
Ich aber versteh' es:
Weil die wilden Gedanken,
Die umgetriebenen, todeskranken,
Nicht mehr sind.
Morden kann ich sie nicht,
Aber sie nicken und schlummern ein
In deinem Dämmerschein
Ganz sachte.
Bringst du denn nicht auch bald,
Wenn ich ruf' und stehe zu dir,
Deinen bleichen Bruder mir
An der Hand?
Bringst du ihn immer nicht?
Er hat, was das Herz vermißt,
Hat, was das Beste ist,
Kein...
Friedrich Theodor von Vischer
Freiheit
Schaukelnd ruht auf den Wellen der Kahn,
das Wasser gluckst unter den Planken.
Zur Mitte des Sees würde gerne ich fahrn,
zurücklassen all meine Gedanken.
Im dümpelnden Boot triebe ich dahin,
befreit von Alltag und Sorgen.
Der Mond würde silberne Bahnen ziehn
ich fragte mich nicht: was wird wohl morgen?
Sterne würden funkelnd erwachen,
Stille wäre rings um mich her;
tiefe Ruhe – und mein Herz würde lachen;
innerer Frieden – ich wünsche ihn mir sehr!
Edith Tries
Frühlingssegen
Der Schlehbusch am Wege
Schimmert in Blüthen,
An den Geländen
Des Thales entlang
Schreitet der Frühling
Mit segnenden Händen.
Über den Wiesen
Hängt Glockenklang,
Früsternde Stimmchen
Erwachen im Dorn,
Und auf den Feldern,
Aus Schollen und Ritzen,
Lugt es hervor
Mit grünlichen Spitzen,
Das heilige Korn.
Anna Ritter
Schiff 1931
Wir haben keinen günstigen Wind.
Indem wir die Richtung verlieren,
Wissen wir doch, wo wir sind.
Aber wir frieren.
Und die darüber erhaben sind,
Die sollten nicht allzuviel lachen.
Denn sie werden nicht lachen, wenn sie blind
Eines Morgens erwachen.
Das Schiff, auf dem ich heute bin,
Treibt jetzt in die uferlose,
In die offene See. – Fragt ihr: "Wohin?"
Ich bin nur ein Matrose.
Joachim Ringelnatz
Das Lied der Bildsäule
Wer ist es, wer mich so liebt, daß er
sein liebes Leben verstößt?
Wenn einer für mich ertrinkt im Meer,
so bin ich vom Steine zur Wiederkehr
ins Leben, ins Leben erlöst.
Ich sehne mich so nach dem rauschenden Blut;
der Stein ist so still.
Ich träume vom Leben: das Leben ist gut.
Hat keiner den Mut,
durch den ich erwachen will?
Und werd ich einmal im Leben sein,
das mir alles Goldenste giebt, –
so werd ich allein
weinen, weinen nach meinem Stein.
Was hilft mir mein Blut,...
Rainer Maria Rilke