Erde Zitate (Seite 12)
Nachtgebet
Im Donnern und Blitzen,
Auf Bergesspitzen
Ist Gott der Herr.
Im Sonnenbrüten
In schauernden Blüten,
In Sturmeswüten
Ist der Herr.
In Wolken wohnt er,
Im Frührot thront er,
Im Regen rauscht seine
Gnade durchs Land
Die Erde bannt er,
Das All umspannt er,
Du Unbekannter,
Herr Gott, ich befehl' mich
In deine Hand.
Maurice Reinhold von Stern
Bitte an den Mond
Du, so voll, so rund und blond,
Arglos von Gebärde,
Was, herzallerliebster Mond,
Blickst du stets zur Erde?
Siehe, dein Geleis entlang
Geht ein Glüh'n und Blinken,
Liebliches Bemüh' n nach Klang
Und ein heimlich Winken.
Frage nach dem lieben Wort,
Das im Glanzesleben
Sich die fernen Sternlein dort
Zuzuflüstern streben!
Johann Fercher von Steinwand
Reinigung
Lösche alle deine Tag' und Nächte aus!
Räume alle fremden Bilder fort aus deinem Haus!
Laß Regendunkel über deine Schollen niedergehn!
Lausche: dein Blut will klingend in dir auferstehn! –
Fühlst du:
schon schwemmt die starke Flut dich neu und rein,
Schon bist du selig in dir selbst allein
Und wie mit Auferstehungslicht umhangen –
Hörst du: schon ist die Erde um dich leer und weit
Und deine Seele atemlose Trunkenheit,
Die Morgenstimme deines Gottes zu umfangen.
Ernst Maria Richard Stadler
Resurrectio
Flut, die in Nebeln steigt.
Flut, die versinkt.
O Glück: das große Wasser,
das mein Leben überschwemmte, sinkt, ertrinkt.
Schon wollen Hügel vor. Schon bricht gesänftigt
aus geklärten Strudeln Fels und Land.
Bald wehen Birkenwimpel
über windgesträhltem Strand.
O langes Dunkel.
Stumme Fahrten zwischen Wolke, Nacht und Meer.
Nun wird die Erde neu.
Nun gibt der Himmel aller Formen zarten Umriß her.
Herzlicht von Sonne,
das sich noch auf gelben Wellen bäumt –
Bald kommt die Stunde,
wo...
Ernst Maria Richard Stadler
Das Gastmahl
Mir träumt, ich säß an einem langen Tisch
In meiner Heimat, oben unterm Nußbaum.
Vor meinen Augen wuchsen aus dem Anger
Traute Gestalten, reichten mir die Hand
Zum Gruß und setzten fröhlich sich zum Mahl.
Ich sprach: "Die Zahl ist voll, laßt uns beginnen."
Da kam verspätet eine schöne Frau.
Sie suchte, zählte und errötete.
"Ist hier für mich kein Plätzchen?" "Nein", verbot ich.
Da senkte sie die Stirn und lief geschwind
Dem Tisch entlang hinüber nach dem Nußbaum.
Dort, auf dem...
Carl Spitteler
Bete auch du!
Wie ist der Abend so traulich!
Wie lächelnd der Tag verschied!
Wie singen so herzlich erbaulich
Die Vögel ihr Abendlied!
Die Blumen müssen wohl schweigen,
Kein Ton ist Blumen beschert;
Doch, stille Beter, neigen
Sie alle das Haupt zur Erd'.
Wohin ich gehe und schaue,
Ist Abendandacht. Im Strom
Spiegelt sich auch der blaue,
Prächtige Himmelsdom.
Und alles betet lebendig
Um eine selige Ruh,
Und alles mahnt mich inständig:
"O Menschenkind, bete auch du!"
Karl Johann Philipp Spitta
Blauer Himmel, blaue Wogen,
Rebenhügel um den See,
drüber blauer Berge Bogen,
schimmern weiß im reinen Schnee.
Wie der Kahn uns hebt und wieget,
leichter Nebel steigt und fällt,
süßer Himmelsfriede lieget
über der beglänzten Welt.
Spiegelnd sich die Flur erwidern
Turm und Hügel, Busch und Stadt;
also spiegle du in Liedern,
was die Erde Schönstes hat.
Karl Josef Simrock
Als dann der Frühling im Garten stand,
Das Herz ein seltsam Sehnen empfand,
Und die Blumen und Kräuter und jeder Baum
wachten auf aus dem Wintertraum,
Schneeglöckchen und Veilchen hat über Nacht
der warme Regen ans Licht gebracht,
Aus Blüten und dunkler Erde ein Duft
durchzog wie ein sanftes Rufen die Luft.
Percy Bysshe Shelley
Winter
Nun hüllt in stille Wintertrauer
Die Erde sich mit ihrer Lust
Und nimmt zum Schutz vor kaltem Schauer
Die müden Kinder an die Brust.
Auf all die schlummernden Gestalten,
Daß sie kein eis'ger Hauch mehr schreckt,
Und um dem Lenz sie zu erhalten,
Hat Gott ein wärmend Kleid gedeckt.
Da liegen sie in holden Träumen
Am Herzen ihrer Mutter still,
Bis sie ein Ruf zu neuem Keimen,
Zu schönerm Los sie wecken will.
Franz Xaver Seidl
Der Wanderer an den Mond
Ich auf der Erd', am Himmel du,
Wir wandern beide rüstig zu:
Ich ernst und trüb, du mild und rein,
Was mag der Unterschied wohl sein?
Ich wandre fremd von Land zu Land,
So heimatlos, so unbekannt;
Berg auf, Berg ab, Wald ein, Wald aus,
Doch bin ich nirgend, ach! zu Haus.
Du aber wanderst auf und ab
Aus Ostens Wieg' in Westens Grab,
Wallst Länder ein und Länder aus,
Und bist doch, wo du bist, zu Haus.
Der Himmel, endlos ausgespannt,
Ist dein geliebtes Heimatland;
O...
Johann Gabriel Seidl
Mutterahnung
O Frühlingsmorgen voll Duft und voll Tau,
Voll Vogelgezwitscher und Himmelblau,
Voll herziger Veilchen im schattigen Grün,
Voll süßer Verheißung, voll frohem Erblühn.
Was jauchzest, mein Herz, du so fröhlich drein?
Es kann dieser Frühling dein letzter sein;
Wenn wieder auf Erden es keimen will,
Wohl liegest du unter der Erde still.
Du bist eine Muschel, gering und klein, –
Doch schließest vielleicht eine Perle ein,
Und ruft sie ans Licht ein göttlicher Kuß,
Wer weiß, ob die...
Clotilde von Schwartzkoppen
Der Weg von Mensch zu Mensch
Der Mensch kann in die Tiefe des Meeres tauchen
und die Gipfel der Berge ersteigen.
Der Mensch kann in fremde Städte und ferne Länder reisen
und die Kontinente durchqueren.
Der Mensch kann die Erde verlassen und ins All fliegen.
Sogar auf dem Mond war er schon.
Nur der Weg von Mensch zu Mensch,
die Strecke zum Nebenan
ist unüberwindlich.
Peter E. Schumacher
Warum du?
Es war der traurigste Tag, den die Erde je geboren,
an dem ich dich und all meine Hoffnung verloren.
Ein Tag war nie wieder so grausam und trist,
wie der Tag, an dem du gegangen bist.
Jede Sekunde des Atmens nur Schmerz;
Jeder Gedanke ein Stich in mein Herz;
Jede Träne Erlösung, jedes Empfinden total;
Jeder Zuspruch vergebens, jeder Schritt eine Qual.
Ich werde niemals verstehn und ich frag immerzu:
Warum nicht ich? Warum jetzt? Warum Du?
Jutta Schulte
Bleib du, wie du es immer warst, der Scholle
Getreuer Sohn – wie auch die rasche Welt,
Die wandelbare, ewig unruhvolle,
Ihr Schwert und ihre Siegesfahnen stellt.
Pflüg deine Erde, säe deine Saaten
Und tu das Rechte, grad und ohne Scheu,
Wie es in schwerster Zeit die Väter taten,
Nur ihrem Herrgott und sich selber treu.
Gustav Schüler
Die Angst
Es krallt sich um die Sonne eine Hand.
Ein lauer Wind jagt dürre Blätter raschelnd auf.
Ein toter Vogel stürzt aus Wolkenhöh
zerschmettert an die Erde.
In dumpfer Hütte Mensch an Mensch gedrängt,
voll Grauen starrend in den schwefelgelben Tag.
Die Tür fliegt auf, von unsichtbarer Hand berührt.
Der Hund kriecht winselnd in die Ecke.
Und langsamer wird jetzt der Wanduhr Ticken,
noch einmal tick und tack –
dann steht die Uhr. –
Ein grelles Lachen in den Lüften!
Es horchen starr die...
Hermann Harry Schmitz