Dunkle Zitate (Seite 2)
Frauen-Ritornelle
Blühende Myrte –
Ich hoffte süße Frucht von dir zu pflücken;
Die Blüte fiel, nun seh ich, daß ich irrte.
Schnell welkende Winden –
Die Spur von meinen Kinderfüßen sucht ich
An eurem Zaun, doch konnt ich sie nicht finden.
Muskathyazinthen –
Ihr blühtet einst in Urgroßmutters Garten;
Das war ein Platz, weltfern, weit, weit dahinten.
Dunkle Zypressen –
Die Welt ist gar zu lustig:
Es wird doch alles vergessen.
Theodor Storm
Herbstgedanken
Verlassene Gartenmöbel fürchten den Umzug in ihr Winterquartier
dünne Pullover trotzen dem ersten Frost und
hochgeschlagene Mantelkrägen eilen durch dunkle Straßen
Regen tropft, Nebel kriecht
frierende Geranien erschlaffen in braunem Gewand
Morgentau verliert sich in verlassenen Spinnennetzen
kurze Tage stehlen wertvolle Zeit
ungeliebter
Herbst
warme Gedanken erinnern an milde Sommerabende
Kaminknistern vor flauschigen Wolldecken weckt Gemütlichkeit
die Stube wird...
Bernhard Stöhr
Der Spruch
In einem alten Buche stieß ich auf ein Wort,
Das traf mich wie ein Schlag und brennt durch meine Tage fort:
Und wenn ich mich an trübe Lust vergeb,
Schein, Lug und Trug zu mir anstatt des Wesens hebe,
Wenn ich gefällig mich mit raschem Sinn belüge,
Als wäre Dunkles klar, als wenn nicht Leben tausend wild verschlossne Tor trüge,
Und Worte wieder spreche, deren Weite nie ich ausgefühlt,
Und Dinge fasse, deren Sein mich niemals aufgewühlt,
Wenn mich willkommner Traum mit Sammethänden...
Ernst Maria Richard Stadler
Anrede
Ich bin nur Flamme, Durst und Schrei und Brand.
Durch meiner Seele enge Mulden schießt die Zeit
Wie dunkles Wasser, heftig, rasch und unerkannt.
Auf meinem Leibe brennt das Mal: Vergänglichkeit.
Du aber bist der Spiegel, über dessen Rund
Die großen Bäche alles Lebens geh'n,
Und hinter dessen quellend gold'nem Grund
Die toten Dinge schimmernd aufersteh'n.
Mein Bestes glüht und lischt – ein irrer Stern,
Der in den Abgrund blauer Sommernächte fällt –
Doch deiner Tage Bild ist hoch und...
Ernst Maria Richard Stadler
Am Brunnen hab' ich gestanden
Und wußte nicht, wie mir war –
Das Wasser rann über den Eimer,
Und ich ward's nicht gewahr. –
Ich sah in die dunkle Tiefe,
Es fielen die Thränen hinab.
Was weiß der tiefe Brunnen,
Daß ich geweinet hab?
Er hat mir Lieb' versprochen
Und kommt doch nimmermehr.
Ich trag' die Eimer zum Heime,
Die Last ist gar zu schwer.
Karl Siebel
Es wohnt ein Gott hoch über unserm Kreise,
Ein Gott der Huld, ein starker Gott der Macht.
Er ist allein der Ordnende, der Weise,
Er wohnt im Licht und weiß, was er vollbracht.
Mag wunderbar das dunkle Schicksal walten,
Er wird es hell und freundlich einst entfalten,
Denn er ist Gott, und unten wohnt die Macht.
Ernst Schulze
Nacht, wie bist du lang und bange,
Wenn sich auf den müden Mann nicht
Mit dem Schatten auch der Schlummer
Und der Traum herniedersenkt.
Rastlos graben die Gedanken
In dem Schutte des vergangnen,
Alten Lebens Trümmer wühlen
Sie hervor, doch nirgends fröhlich
Haftet drauf der Blick, er schaut nur
Dunkle, trübgespenst'ge Bilder,
Ihnen fehlt des Tages Sonnlicht.
Unerquickt dann in die Ferne
Schweift der Geist dess', dem der Schlaf fehlt,
Schmiedet Pläne, faßt Entschlüsse,
Baut sich...
Joseph Victor von Scheffel
Das Grab
Das Grab ist tief und stille
Und schauderhaft sein Rand;
Es deckt mit schwarzer Hülle
Ein unbekanntes Land.
Das Lied der Nachtigallen
Tönt nicht in seinem Schoß;
Der Freundschaft Rosen fallen
Nur auf des Hügels Moos.
Verlassne Bräute ringen
Umsonst die Hände wund;
Der Weise Klagen dringen
Nicht in der Tiefen Grund.
Doch sonst an keinem Orte
Wohnt die ersehnte Ruh;
Nur durch die dunkle Pforte
Geht man der Heimat zu.
Das arme Herz hinieden
Von manchem Sturm bewegt,
Erlangt den wahren...
Johann Gaudenz Freiherr von Salis-Seewis
Die Sterne
Wenn sich die Nacht zaghaft mit euch besteckt,
wie eine dunkle Tänzerin den seide-
weichen Leib mit spärlichem Geschmeide,
wenn ihr gleich brennendem Staub den Himmel deckt
und leuchtend in das Nichts hinüberleckt,
fliegt wohl von dieser dürren Lämmerheide
und abgegrasten Trübsalsrinderweide
die Seele lechzend zu euch hoch und reckt
der Sehnsucht Fackel hoch in euch empor,
bis sie vom Weine der Unendlichkeiten
trunken taumelt und ein wirrer Flor
sich um die Sinne legt –: aus euren...
Gustav Sack
Böse Jahre
In meinem Leben gab es böse Jahre –
Wie jene aus der Bibel waren's sieben –
Da hat mich ein Verhängniß umgetrieben,
Ich wandelte – und lag doch auf der Bahre.
Nicht ein Erinnern, das ich voll bewahre
Aus jener Zeit, wo, ohne Frucht geblieben,
Mein Geist in ödem Denken sich zerrieben,
Und Gram und Sorge bleichten meine Haare!
Gleich schwerem Traum zerfloß ihr dunkles Walten,
Und auf vernarbte Wunden kann ich zeigen,
Kaum wissend mehr, von wem ich sie erhalten.
Nur manchmal, einzeln...
Ferdinand von Saar