Drs Zitate (Seite 10)
Kriecht die Hoffnung aus dem Loche
Kriecht die Hoffnung aus dem Loche
meiner Glücksverlassenheit?
Putzt sich eine Glanzepoche
aus der Trübnis dieser Zeit?
Irgendwo vernahm ich Laute
wie von schüchternem Applaus,
und ich sah ein Licht, das schaute
wie verlegene Liebe aus.
Blitzt' es nicht auch in der Ferne
wie von schimmerndem Metall? –
Zweifellos: es drängen Sterne
durchs Gewölk sich überall …
Andrerseits ist zu erwägen:
Hoffnung hat ein großes Maul,
und des Dichters armem Brägen
deucht ein...
Erich Mühsam
Fallt, ihr Blätter
Fallt, ihr Blätter, fallet
Winter wird es wieder,
Traumverloren wallet
Sacht zur Erde nieder.
Schwindet, Blümlein, schwindet,
Sommer ist vergangen,
Wenn der Frost euch findet,
Ach, da sollt euch bangen.
Willst, mein Herz, du zagen
Ob des Winters Dräuen?
Harre ohne Klagen,
Wirst dich dennoch freuen.
Frieren mags und tosen,
Must geduldig warten:
Bald erblühn die Rosen
In des Christkinds Garten.
Helene Most
Früh im Wagen
Es graut vom Morgenreif
In Dämmerung das Feld,
Da schon ein blasser Streif
Den fernen Ost erhellt;
Man sieht im Lichte bald
Den Morgenstern vergehn,
Und doch am Fichtenwald
Den vollen Mond noch stehn:
So ist mein scheuer Blick,
Den schon die Feme drängt,
Noch in das Schmerzensglück
Der Abschiedsnacht versenkt.
Dein blaues Auge steht,
Ein dunkler See, vor mir,
Dein Kuß, dein Hauch umweht,
Dein Flüstern mich noch hier.
An deinem Hals begräbt
Sich weinend mein Gesicht,
Und...
Eduard Mörike
Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
laß dies Herz alleine haben
seine Wonne, seine Pein!
Was ich traure, weiß ich nicht:
Es ist unbekanntes Wehe;
immerdar durch Tränen sehe
ich der Sonne liebes Licht.
Oft bin ich mir kaum bewußt,
und die helle Freude zücket
durch die Schwere, so mich drücket,
wonniglich in meiner Brust.
Laß, o Welt, o laß mich sein!
Locket nicht mit Liebesgaben,
laß dies Herz alleine haben
seine Wonne, seine Pein!
Eduard Mörike
Pflügerin Sorge
Über der Erde Stirne,
durch Tag und Nacht,
pflügt ein hagres Weib
hin und her…
Wilde Stiere,
kaum zu hemmen, ziehn,
reißen ihre Pflugschar durch den Grund:
Doch je rasender die Nacken zerrn,
nur so tiefer drückt den Baum sie ein.
Über der Erde Stirne,
durch Tag und Nacht,
führt Frau Sorge
Furche, Furche, Furche…
Leidenschaften,
kaum zu zähmen, ziehn,
reißen ihre Pflugschar durch den Grund:
Doch je wilder die Dämonen zerrn,
nur so tiefer gräbt den Stahl sie ein.
Christian Morgenstern
Non veder non sentir m'e gran ventura ...
Geschlossenen Auges laß mich gehn,
mein Schicksal,
bis der Tag vorüber,
der trüb und trüber
sich umzieht.
Nicht sehn,
nicht hören!
Wie die Maske sieht
aus leeren Löchern
und den Wogenschall
die Muschel fängt,
nur so noch laß mein Leben sein,
indes
die Seele tief in Schlummer liegen mag,
bis sie ein beßrer Tag
zu neuem Blühen
drängt.
Christian Morgenstern
Die drei Spatzen
In einem leeren Haselstrauch
da sitzen drei Spatzen, Bauch an Bauch.
Der Erich rechts und links der Franz
und mitten drin der freche Hans.
Sie haben die Augen zu, ganz zu,
und oben drüber da schneit es , hu!
Sie rücken zusammen, dicht an dicht.
So warm wie der Hans hat's niemand nicht.
Sie hör'n alle drei ihrer Herzlein Gepoch.
Und wenn sie nicht weg sind, so sitzen sie noch.
Christian Morgenstern
Wohl dem, der schon aus seiner Frühlingswelt
zurück zur Heimat kehrt, wo keine Blume
Verwelkt, kein Sommer drückt, kein Herbstwind rauscht,
Die falben Blätter über Stoppeln jagend,
Kein Wintersturm, die greisen Locken schüttelnd,
Mit Schnee die Flur sowie das Herz bedeckt!
Dann ist der Tod ein treuer Freund, der nur
Zu sanftem Schlummer uns die Augen schließt,
Der aus dem Labyrinth des Lebens uns entführt
Und zu dem bessern Sein uns aufwärts trägt.
Minerva, »Taschenbuch für Damen
Erbsenparabel
Vier Erbsen in einer Schote saßen,
Eine fett, dickköpfig, aufgeblasen,
Die andern drei verschrumpft und klein.
Weil jene sich zu viel Nahrung genommen,
Mußten diese vertrocknen, verkommen,
Und verkümmerten in sich hinein.
So auch der Kampf ums tägliche Brot:
Ein Geizhals drückt drei Arme tot.
Otto Michaeli
Ewig jung ist nur die Sonne
Heute fanden meine Schritte
mein vergeßnes Jugendtal,
Seine Sohle lag verödet,
seine Berge standen kahl.
Meine Bäume, meine Träume,
meine buchendunkeln Höhn –
Ewig jung ist nur die Sonne,
sie allein ist ewig schön.
Drüben dort in schilf'gem Grunde,
wo die müde Lache liegt,
Hat zu meiner Jugendstunde
sich lebend'ge Flut gewiegt,
Durch die Heiden, durch die Weiden
ging ein wandernd Herdgetön –
Ewig jung ist nur die Sonne,
sie allein ist ewig schön.
Conrad Ferdinand Meyer
Dank
Es gilt das Vorwärtsstreben,
was gestern war verging,
es lehrte mich das Leben:
Sei fröhlich, lach und sing.
Das ist nicht immer leicht,
wenn mich die Sorgen drücken,
doch hab' ich viel erreicht
in winzig kleinen Stücken.
Ich singe meine Lieder,
sie tragen mich durchs Leben
und lache endlich wieder.
Das hast DU mir gegeben.
Nicht nur im Heute sein,
die Zukunft froh zu schauen,
allein und doch zu zwei'n
beflügelt vom Vertrauen.
Regina Meier zu Verl
Wie das Meer
Sei still in Gott, still wie das Meer!
Nur seine Fläche streift der Wind,
und tobt als Sturm er noch so sehr,
wiß, daß die Tiefen ruhig sind.
Sei weit in Gott, weit wie das Meer!
Es wogt nicht bloß am heim'schen Strand,
und wird dir's auch zu glauben schwer,
wiß, drüben gibt's doch wieder Land.
Sei tief in Gott, tief wie das Meer!
Nach dort, wo dich die Welt vergißt,
sei dein Verlangen, dein Begehr,
wiß, daß die Tiefe Höhe ist.
Ja, sei, mein Herz, stets wie das Meer
in...
Karl May
Stets öffne huldvoll Freunden deine Hand
Und setz den Fuß nicht in des Geizes Schlucht;
Nie leihe ihnen, doch auch nehme nie,
Dieweil das Leihen der Freundschaft Schere heißt.
Mach durch Geschenke sie von Bürden frei
Und drücke nie sie durch des Leihens Last;
Doch tritt mit Vorsicht auf des Schenkens Bahn,
Sonst hängst du selbst des Leihens Last dir an.
Maulânâ Abdurrhamân Dschâmî
Freude und Sorgen
Gehen stets Hand in Hand;
Heute wie morgen
Wechseln sie schnell ihr Band.
Nur in der Kürze,
Die Freude uns beschert, –
Liegt ja die Würze,
Die den Genuß vermehrt,
Denn hinter Sorgen,
Die uns wie Wolken droh'n, –
Lachet verborgen
Auch neue Freude schon.
Willst du drum zagen,
Wenn Dich der Kummer drückt?
Nein! – frisch getragen!
Hoffnung bleibt stets geschmückt!
Heinrich Martin
Der Geizhals
Du, schmutz'ger Geizhals, dort bei Deinen Schätzen!
Ha, könnt' ich gegen Dich die Geißel schwingen,
Daß meine Hiebe bis ins Mark Dir dringen –
Ich würde mit Vergnügen Dich zerfetzen.
Du spielst mit Menschenrechten und Gesetzen;
Versteh'st Dich schlau der Strafe zu entringen;
Doch, kommt die Stunde, wird Vergeltung bringen,
Wenn Dich die Fur'en des Gewissens hetzen.
Ja, wüßtest Du, wie viele Freuden sprießen,
Wie leicht Du Dich und Andre kannst beglücken –
Dein Leben würdest edler...
Heinrich Martin