Des Tages Heute Zitate
Alte Uhr
Leis tickt die Uhr, der Pendel schwingt,
die zarte Heimchenstimme klingt.
Der Zeiger rückt von Ort zu Ort,
so geht es heut', so geht es fort.
Es sah die Uhr schon manche Zeit,
sie tickte Glück, sie tickte Leid!
Und endet' sie des Tages Lauf,
dann zog der Mensch sie wieder auf.
Es starb der Mensch und ward geborn,
die alte Uhr gib nicht verlorn.
Sie schlug den sanften Silberschlag,
sie schlägt ihn heute, Tag um Tag!
Jüngst zog sie auf ein junger Mann,
heute rührt ein Greis den Pendel...
Gertrud Koehler
Auf Goldgrund
Ins Museum bin zu später
Stunde heut ich noch gegangen,
Wo die Heilgen, wo die Beter
Auf den goldnen Gründen prangen.
Dann durchs Feld bin ich geschritten
Heißer Abendglut entgegen,
Sah, die heut das Korn geschnitten,
Garben auf die Wagen legen.
Um die Lasten in den Armen,
Um den Schnitter und die Garbe
Floß der Abendglut, der warmen,
Wunderbare Goldesfarbe.
Auch des Tages letzte Bürde,
Auch der Fleiß der Feierstunde
War umflammt von heilger Würde,
Stand auf...
Conrad Ferdinand Meyer
Was unabwendbar auch im raschen Flug der Zeiten
Das wechselnde Verhängnis jedem bringt,
Ob heit're Tage sich, ob trübe sich verbreiten,
Des Lebens Wohlfahrt steiget oder sinkt –
Ein Glaube ist's, nach dem der Weise handelt,
Und eine Hoffnung, der sein Herz sich weiht:
Vertrau' auf den, der in Gewittern wandelt
Und mild im Sonnenstrahl erfreut!
Er winkt! Sein Sturm erwacht, und seine Blitze fliegen,
Der Donner rollt, es bebt der Hochgebirge Schoß,
Die Eiche stürzt, doch die Orkane wiegen
Der...
Siegfried August Mahlmann
Letztes Gedicht
Wie danke ich dafür,
daß Gott die Träume schuf!
Durch diese einzige Tür
kommst du, Geliebteste, zu mir
Was soll mir das Gedränge
des Tages und alle Pein,
Was soll mir noch die Enge
der Mauern im Exil?
Die Nacht, die Nacht allein
verheißt mir Sinn und Ziel
Du kommst, Geliebteste, zu mir
Durch diese leise Tür.
Heute nacht mein Herz vergaß
zu schlagen, du tratest ein
mit wunden Händen, blaß
vom langem Einsamsein
Geliebteste, mein Kind
Sieh wie wir elend sind.
Ich warf mich hin...
Camill Hoffmann
Um Mitternacht
Bedächtig stieg die Nacht ans Land,
Lehnt träumend an der Berge Wand;
Ihr Auge sieht die goldne Waage nun
Der Zeit in gleichen Schalen stille ruhn.
Und kecker rauschen die Quellen hervor,
Sie singen der Mutter, der Nacht, ins Ohr
Vom Tage,
Vom heute gewesenen Tage.
Das uralt alte Schlummerlied
Sie achtet's nicht, sie ist es müd';
Ihr klingt des Himmels Bläue süßer noch,
Der flücht'gen Stunden gleichgeschwungnes Joch.
Doch immer behalten die Quellen das Wort,
Es singen die...
Eduard Mörike
Und wer franzet oder britet,
Italienert oder teutschet,
Einer will nur wie der andre,
Was die Eigenliebe heischet.
Denn es ist kein Anerkennen,
Weder vieler noch des einen,
Wenn es nicht am Tage fördert,
Wo man selbst was möchte scheinen.
Morgen habe denn das Rechte
Seine Freunde wohlgesinnet,
Wenn nur heute noch das Schlechte
Vollen Platz und Gunst gewinnet.
...
Johann Wolfgang von Goethe
Michelangelo hing nicht weniger von seinem Gönner ab als der Bildhauer und Maler von heute, nur waren die Kunstkenner jener Tage weit entfernt von der verrückten Menge. Sie empfanden es als Ehre, wenn sie am Altar des Meisters ihre Andacht verrichten durften. Der Kunstgönner unserer Tage kennt nur mehr ein Kriterium, einen Wertmesser – den Dollar.
Emma Goldman
Wer sich der Norm des Waffentragens unterwirft, trägt, wenn er es gewissenhaft tut, dazu bei, eine Ordnung zu schützen, die wir noch nicht durch eine neue Ordnung zu ersetzen vermocht haben. Wer sich der Norm des Waffenverzichts unterwirft, muß hoffen, heute schon ein Beispiel der Ethik zu geben, die eines Tages die allgemeine sein wird.
Carl Friedrich von Weizsäcker
Aus deinem Auge wisch die Trän
Sei stolz und laß die Klage;
Wie dir wird's manchem noch ergehn
Bis an das End' der Tage.
Noch manch ein Rätsel ungelöst
Ragt in die Welt von heute,
Doch ist dein sterblich Teil verwest,
So kommen andre Leute.
Die Falten um die Stirne dein
Laß sie nur heiter ranken;
Das sind die Narben, die darein
Geschlagen die Gedanken.
Und wird dir auch kein Lorbeerreis
Als Schmuck darum geflochten:
Auch der sei stolz, der sonder Preis
Des Denkens Kampf gefochten.
Joseph Victor von Scheffel
Dankbares Leben
Wie schön, wie schön ist dieses kurze Leben,
Wenn es eröffnet alle seine Quellen!
Die Tage gleichen klaren Silberwellen,
Die sich mit Macht zu überholen streben.
Was gestern freudig mocht' das Herz erheben,
wir müssen's lächelnd heute rückwärts stellen;
Wenn die Erfahrungen des Geistes schwellen,
Erlebnisse gleich Blumen sie durchweben.
So mag man breiter stets den Strom erschauen,
auch tiefer mählich sehn den Grund wir winken
Und lernen täglich mehr der Flut vertrauen.
Nun...
Gottfried Keller
Der Morgen
O sieh den Morgen lächelnd sich entschleiern,
O sieh den Turm, wie er von Strahlen glüht.
Horch! Wie dem Ruhm die Freude, zieht
Des jungen Tages ersten Feuern
Entgegen schon der Wälder erstes Lied.
Ja, lächle nur bei all dem Schönen.
Dieselbe Sonne leuchtet deinen Tränen,
Wenn morgen mich der dunkle Sarg verschlingt.
Ob meinem Grabe von denselben Tönen
Erschallt der Wald, davon er heute klingt?
Dann aber wird die Seele selig schweben
Im Grenzenlosen über Raum und Zeit.
Im Morgenrot...
Victor Marie Hugo