Augen Zitate (Seite 22)
Abend
Die Stunden trugen jede eine Last,
Solang' die Sonne wachte, in den Händen,
Als wollte nimmer sich der Kreis vollenden.
Nun aber war der letzte Glanz verblaßt.
Und endlich hob die Krone ab der Tag.
Auf samtnen Schuh'n mit Füßen silberbleichen,
So zog der Abend her aus fernen Reichen
Zur Erde, die noch jüngst in Purpur lag.
Und da der Frieden still ins Zimmer glitt
Und mir die Augen schloß, die heißen, wachen,
Da weckt' er mir ein goldnes Kinderlachen
Und kam mit meiner Jugend frohem...
Friede Henriette Kraze
Vom Abend sprachen wir, und daß die goldnen Streifen
Am Horizont nun schon so früh verblassen
Und daß die Dämmerungen mit den blassen
Händen so sicher nach dem Lichte greifen.
Daß all das Sommerblühen und das Reifen
Des bunten Ernteherbstes so gelassen
Des Sterbens harrt und daß die alten Gassen
Mit ihren hellen Fenstern und den steifen
Giebeln so traut ausschaun im Abenddämmern
Und rings die Welt erfüllt sei von dem Schönen.
Dies alles sagten wir – und mehr noch, um das Hämmern
Des heißen...
Cornelia Kopp
Nun, o Unsterblichkeit, bist du ganz mir!
Du strahlst mir, durch die Binde meiner Augen,
Mit Glanz der tausendfachen Sonne zu!
Es wachsen Flügel mir an beiden Schultern,
Durch stille Ätherräume schwingt mein Geist;
Und wie ein Schiff, vom Hauch des Windes entführt,
Die muntre Hafenstadt versinken sieht,
So geht mir dämmernd alles Leben unter:
Jetzt unterscheid ich Farben noch und Formen,
Und jetzt liegt Nebel alles unter mir.
Heinrich von Kleist
Mutig vorwärts
Mutig vorwärts mußt du schreiten
Auf der ird'schen Lebensbahn,
Wenn auch manches wohl zu Zeiten
Dir nicht glückt nach Wunsch und Plan!
Liebend seitwärts mußt du richten
Deine Augen, willst du seh'n,
Wie sich zweier Wege lichten,
Wenn sie Hand in Hand nur geh'n!
Gläubig aufwärts mußt du blicken! –
Wer es mit dem Himmel hält,
Fühlt sich selbst bei Mißgeschicken
Nicht verlassen in der Welt.
Luise Kleinwort
Wachende Augen für anderer Glück,
Fühlende Herzen für fremdes Geschick,
Schnelles Verständnis für Freude und Not,
Helfende Hände im Leben und Tod,
Liebe, die gern im Verborgenen geht,
Schweigende Opfer und stilles Gebet,
Leis wie die Engel und selten erkannt,
Fern von der Menge und niemals genannt,
Reich im Entsagen und dürftig im Lohn,
Friede im Auge und Freude im Ton,
Selig im Geben, doch selbst wünschelos,
Selbstlose Seelen – wie heilig, wie groß!
Theresa Keiter
Du bist im Strahlenkleide
Die Sonne, lieb und mild,
Du bist auf grüner Heide
Ein schön' Madonnenbild.
Der lichte Schein des Goldes
Erglänzt in deinem Haar:
Blau-Äugelein, du holdes,
O schütz' mich immerdar.
Ich sinke vor dir nieder
Voll sehnender Begier,
Und jedes meiner Lieder
Ist ein Gebet zu dir,
Ein Flehen nur, ein scheues,
Um Rettung aus Gefahr;
Blau-Äugelein, du treues,
O schütz' mich immerdar.
O diese Augen beide
So mild, so fromm, so gut,
Darüber das Geschmeide
Der zarten Wimper...
Eduard Ernst Heinrich Kauffer
Soll ich denn kommen, wenn das Herbstlaub sinkt
und sanftes Gold in deinen Augen blinkt?
Soll Mandoline lernen, Arien lallen
und Verse lesen, um dir zu gefallen?
Die andere Schwester treibt es gar so toll –
es kommt ein Tag, da weiß ich, was ich soll,
ich sag zum Vater: "Höre meine Wahl:
Gib mir die Blonde, Mann, den Sonnenstrahl!"
Erik Axel Karlfeldt
Ziehst du, süßestes Gefühl
Ziehst du, süßestes Gefühl
Der Müdigkeit in mein verwundetes Herz,
legst tröstlich deine mildernde Hand
auf mein Leid, auf mein innres Gewühl,
nimmst mich aus meinem Schmerz
in dein fernes heiliges Land.
Deine Hand küß ich in Ergriffenheit,
ich bin so wund, ich will schlafen,
meine Trauer nimmst du im Schlafen, liebe Müdigkeit.
Schon neigen sich ferne Gesichte
ernst geschlossenen Augen,
Die Nacht kommt in ihrem Lichte.
Eugen von Kahler
In der abendlichen Sonne
In der abendlichen Sonne
sitzen wir gebeugten Rückens
auf den Bänken in dem Grünen.
Unsere Arme hängen nieder,
unsere Augen blinzeln traurig.
Und die Menschen gehn in Kleidern
schwankend auf dem Kies spazieren
unter diesem großen Himmel,
der von Hügeln in der Ferne
sich zu fernen Hügeln breitet.
Franz Kafka
In der Sommernacht
Mit großen Augen blick ich in die Nacht.
Der Schmerz hält bei mir seine treue Wacht
und schaut mich an in tiefer, heiliger Ruh.
Der Sommerwind trägt durch mein Fensterlein
von reifen Ähren mir den Duft herein, –
und unter Tränen lächle ich dazu.
Ein banger Seufzer zittert durch die Flur.
Mir ist, als sänge leise die Natur
das Rätsellied vom Werden und vom Sein.
Geheimnisvoll weht es durch mein Gemach;
ich singe träumend ein paar Töne nach, –
und unter Tränen lächelnd schlaf...
Frida Jung
Die alte Jungfer
Niemand zu Liebe, niemand zu Last,
Ist sie erloschen und verblaßt.
In ihrem Stübchen sann sie und sann,
Bis ihr einsames Leben darüber verrann.
Keiner hat nach ihr die Hand ausgestreckt
Und die flügelgebundene Seele erweckt.
Keiner hat in der Sommernacht
Zu seligem Weinen sie gebracht.
Und doch flogen Locken auch ihr ums Gesicht,
Und ihre Augen glänzten jung und licht.
Und doch schlug auch ihr in verschwiegener Brust
Die Sehnsucht nach Sonne und Frühlingslust.
Niemand zu...
Maria Janitschek
Nicht?
Mund, der dürstend mir am Munde lag,
Und die Augen halb erschöpft geschlossen,
Füßchen, die ich hob zum Wagenschlag,
Irre Worte, die in eins verflossen,
Nachts in finst'ren Fluren Kuß um Kuß,
Lange Blicke, die wie Fackeln brannten,
Zwischen Tagesanfang und -beschluß
Briefe und Verse, die mir Flammen sandten – –
Komm' nur her und sprich, du liebst mich nicht!
Und hast mondelang um mich geworben,
Mondelang bist du um mich gestorben!
Jetzt her den Blick und sprich: "Du liebst mich nicht!"
Ludwig Jacobowski