Alte Zitate (Seite 18)
Sonett
Wie schien die alte Feindschaft nun besiegelt
In gültigem Vertrag: ein Lächeln hing
Geheimnislos von einem Lächelnden; verriegelt
Schloß sich der Mund dem Schweigenden, es fing
Die Rede sich in anmutvollem Spiel
Verschlungen wandelnd, schwesterlich vertraut:
Wie war den Wandernden verwandt das Ziel
Wie sicher schien das (alte) Haus gebaut:
Da traf ein Blick aus alten Feindschaftstagen:
Nachtdunkler Weg erstand ins Unbekannte
Aus sanften Worten strömten wilde Klagen.
Gesprochenes...
Maria Luise Weissmann
Lern es einmal doch
Herz, du bist so alt geworden,
Und bist noch so jung,
Noch so kindisch jung geblieben,
Daß du immer für dein Lieben
Noch begehrst Erwiderung.
Daß du meinst, für treues Mühen
Zieme sich auch Dank,
Nicht an still erlittner Plage
Allerletztem Leidenstage
Noch im Kelch der bittre Trank.
Herz, du bist so alt geworden:
Lern es einmal doch,
Daß du sollst nach bess'rem Lohne,
Anderm Kranz und andrer Krone
Sänftlich tragen Kreuz und Joch.
Sei die Blume, die zertreten,
Da sie eben...
Karl Heinrich Wilhelm Wackernagel
Das ist wohl eine alte Lehr'
Das ist wohl eine alte Lehr'
Die kommt von langen Tagen her:
Wer Minne will genießen,
Muß Lust mit Leiden büßen.
Und wer die Minne erst erstand,
Der trug wohl vieles Leid ins Land,
Daran die Herzen kranken
Und das sie doch ihm danken.
Denn hätt' ich niemals dich geseh'n
Und müßt' an dir vorübergeh'n
Und dürfte dich nicht lieben –
Wie arm wär' ich geblieben.
Karl Stieler
Das Leben ach! – O Mutter, bleib am Leben!
Spinn noch dies schöne alte Märchen fort
und teil mit uns, was du uns ja gegeben.
Es ist so traut im alten Lehnstuhl dort,
wenn ich die Hände leg' in deine Hände,
wenn sich dein Herz auf alte Zeiten besinnt;
o sag: Noch ist das Märchen nicht zu Ende –
und ich will lauschen – wie ein selig Kind.
Karl Stieler
Läut' aus, du altes Jahr!
Laß deine vollen Glockentöne klingen
In mächt'gen Schwingen über Stadt und Land,
Daß überall sie Trost und Frieden bringen,
Wo diese Himmelsgaben unbekannt!
Läut' aus das Leid, in dessen eh'rnen Banden
Der Tiefgeknechtete nach Freiheit lechzt!
Läut' aus die Schwachheit, daß in Schmach und Schanden,
Dem Sklaven gleich, nicht mehr die Menschheit ächzt!
Läut' aus die Falschheit, die das Haupt zu heben
Nur wagt, wohin das Himmelslicht nicht scheint,
Läut' aus den...
Margarete Stege
Wie du's ihnen einmal recht gemacht,
so wollen sie's immer haben,
Und ob du zehnmal Bessres erdacht,
Sie hadern mit deinen Gaben.
Was schiert sie, daß dich das Leben geführt,
Und anders dein Müssen und Sollen!
Du sollst nur können, was sie berührt,
Und kannst nichts, was sie nicht wollen.
Daß du sie führest so wie du mußt,
Nie werden sie dir's erlauben!
Das alte Lied und der alte Wust,
Man predigt Blinden und Tauben!
Otto Roquette
Ein Nagel saß in einem Stück Holz.
Der war auf seine Gattin sehr stolz.
Die trug eine goldene Haube
Und war eine Messingschraube.
Sie war etwas locker und etwas verschraubt,
Sowohl in der Liebe, als auch überhaupt.
Sie liebte ein Häkchen und traf sich mit ihm
In einem Astloch. Sie wurden intim.
Kurz, eines Tages entfernten sie sich
Und ließen den armen Nagel im Stich.
Der arme Nagel bog sich vor Schmerz.
Noch niemals hatte sein eisernes Herz
So bittere Leiden gekostet.
Bald war er beinah...
Joachim Ringelnatz
Die alte Uhr
Bald hättest, alte Rathausuhr,
du nimmer dürfen Stunden weisen;
sie hätten bald in altem Eisen
versplittert deine letzte Spur.
Der Geizhals hätt zum letztenmal
sein Haupt gewiegt in starrem Trotzen,
zum letztenmal der Tod mit Glotzen
geschwungen seinen Sensenstahl.
Dann hätt der Hahn auch ausgekräht.
Und heut noch kräht er; freilich heiser,
noch nickt der Geizhals fort, und leiser
droht ihm des Todes Majestät.
Rainer Maria Rilke
Fürchte dich nicht, sind die Astern auch alt,
streut der Sturm auch den welkenden Wald
in den Gleichmut des Sees -
die Schönheit wächst aus der engen Gestalt;
sie wurde reif, und mit milder Gewalt
zerbricht sie das alte Gefäß.
Sie kommt aus den Bäumen
in mich und in dich,
nicht um zu ruh'n;
der Sommer ward ihr zu feierlich.
Aus vollen Früchten flüchtet sie sich
und steigt aus betäubenden Träumen
arm ins tägliche Tun.
Rainer Maria Rilke
Antik und modern
Alte, neue Poesie, –
Was ist d'rüber nicht zu lesen!
G'rade so, als wären sie
Eines nicht im tiefsten Wesen!
G'rade so, als wenn der Strahl,
Den Horaz einst liebvoll hegte,
Heute nicht wie dazumal
In des Dichters Brust sich regte!
Laßt ihr Guten! immerhin
Eure Silbenstecherfehde.
Alt und neu hat keinen...
Betty Paoli
Die zwei Wurzeln
Zwei Tannenwurzeln groß und alt
unterhalten sich im Wald.
Was droben in den Wipfeln rauscht,
das wird hier unten ausgetauscht.
Ein altes Eichhorn sitzt dabei
und strickt wohl Strümpfe für die zwei.
Die eine sagt: knig. Die andre sagt: knag.
Das ist genug für einen Tag.
Christian Morgenstern
Abendlied
Rose Marie, Rose Marie,
Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
Rose Marie, Rose Marie,
Aber du hörtest es nie.
Jedwede Nacht, jedwede Nacht,
Hat mir im Traume dein Bild zugelacht,
Kam dann der Tag, kam dann der Tag,
Wieder alleine ich lag.
Jetzt bin ich alt, jetzt bin ich alt,
Aber mein Herz ist noch immer nicht kalt,
Schläft wohl schon bald, schläft wohl schon bald,
Doch bis zuletzt es noch hallt:
Rose Marie, Rose Marie,
Sieben Jahre mein Herz nach dir schrie,
Rose Marie, Rose...
Hermann Löns
Amarylle
Oh stille Amarylle,
Du blühst, wenn Herbst schon leer.
Von Frucht- und Blütenfülle
Bliebst du mir und nichts mehr.
Ich trug dich in mein Zimmer,
Balkon war schon zu kalt.
Leucht Sommers letzten Schimmer
Du mir. Das Jahr ist alt.
Und alt ist auch mein Herz schon,
Und weiß ist schon mein Haar.
Sei du mein letzter Herbstlohn –
Stumm, traurig. Und was mir war
An Herzblühn und Geistfruchtzeit,
Ist abgewelkt, wurmtaub.
Auf Schmerz und Mühn und Sucht streut
Enttäuschung totes Laub.
Ach wenn...
Otto zur Linde
Man merkte, daß der Wein geraten war:
Der alte Bettler wankte aus dem Tor,
Die Wangen glühend, wie ein Rosenflor,
Mutwillig flatterte sein Silberhaar.
Und vor und hinter ihm die Kinderschar
Umdrängt' ihn, wie ein Klein-Bacchantenchor,
D'raus ragte schwank der Selige empor,
Sich spiegelnd in den hundert Äuglein klar.
Am Morgen, als die Kinderlein noch schliefen,
Von jungen Träumen drollig angelacht,
Sah man den braunen Wald von Silber triefen.
Es war ein Reif gefallen über Nacht;
Der Alte lag...
Gottfried Keller
In dem Hause
In dem Hause wo ich wohne
lebt ne Hübsche, die heißt Bohne
wie die Bohne, die zum Schießen
leider tut sie mich nie grüßen
in dem Hause wo ich weile
wohnt ne Frau, ja die heißt Feile
wie die Feilen, die … abreiben
doch mit mir will sie's nicht treiben
in dem Hause wo ich penne
wohnt ne Frau, ja die heißt Henne
wie die Hennen, die was legen
meine tat sie nie bewegen
In dem Hause wo ich sterbe
wohnt ne Frau, ja die heißt Erbe
wie das Erbe, … zum Genießen
will sie mich vielleicht...
Kurt Hermann Wilhelm Hübner