Alleine Zitate (Seite 18)
Aufschrei
Was ich getan, das läßt sich nicht bessern,
Es läßt das Gewissen sich nicht verwässern.
Ich stehe schuldlos vor meinem Verstand
Und fühle des Schicksals zermalmende Hand.
Der Mut versiegt, es wachsen die Schmerzen,
Und öd' und trostlos wird es im Herzen.
Ich bin verstoßen, ich bin verdammt,
Ringsher von Rachegluten umflammt.
Wenn jetzt mich Irrsinn lindernd umfinge,
Wenn ich verkappt in den Himmel ginge!
Verschlossen ward mir die Seligkeit,
Ich schlich mich ein im Schellenkleid.
Was...
Frank Wedekind
In einer Herbstnacht einsam sitzend
Einsam sitzend, bekümmert ob der grauen Schläfen,
Im leeren Zimmer ersehn ich die zweite Nachtwache.
Wilde Beeren fallen im Rauschen des Regens,
Unter der Lampe zirpt eine Heuschrecke.
Des Schopfs Ergrauen ist schließlich unumkehrbar,
Das Lebenselixier hat niemand je zustandegebracht,
Wer wissen will, was Krankheit und Alter überwindet,
Der muß sich allein dem Ungeborenen widmen.
Wang Wei
Da ging ich an dem Bach zu fischen
Mit meiner Angel hin,
Und hörte hinter Erlenbüschen
Die schöne Nachbarin.
Ich ließ die Angel an dem Bach,
Und ging dem lieben Mädchen nach.
So einsam, Mädchen? Darf ich stören?
Hier sitzt man kühl und frisch.
»O gern! Ich suchte Heidelbeeren
In dieses Tals Gebüsch.
Allein die Mittagssonne sticht,
Auch lohnet es die Mühe nicht.«
Johann Heinrich Voß
Fast ein Nebel
Es ist die langsame Erinnerung
Nicht die, die manchmal überfällt
Die schwebend ist, fast unsichtbar
wie Wolken sich verdichtet
an Tagen, die nur manchmal sind.
Die ist es, die Dir Fragen stellt.
Nach Kindheit so,
daß Du den Sand noch in den Haaren spürst
und jedes aufgeschlag’ne Knie
die Tränen und den Trost.
Nach Jugend so,
daß Du noch weißt
wie’s war beim ersten Mal
nach jener neuen, frischen Zeit
in der der Lauf der Welt
allein in Deinen Händen lag.
Einstweilen...
Götz vor dem Gentschenfelde
Zu Gott, den er im Staub verehrte, sprach
Einst ein Kalif in seiner letzten Stunde
Als einziges Gebet die frommen Worte:
"Ich bringe Dir, allein'ger höchster Herrscher,
Dir, einzig unbeschränktes Wesen, Alles,
Was du entbehrst in Deiner Herrlichkeit
Und nur uns Erdenwürmern wolltest gönnen:
Schuld, Reue, Elend und Unwissenheit."
– Doch hätt' er noch die Hoffnung nennen können.
Voltaire
Du, Kind, glaubst an den Kaffeegrund,
Aufs Lottospiel verläßt du dich:
An deine Augen glaube ich.
An Unglückstage, Märchen und
An Träume glaubst du, die nicht trügen,
Ich glaub allein an deine Lügen.
An Gott glaubst du ganz wesenlos,
Du weißt, daß man zu Heil'gen fleht,
Für jeden Kummer ein Gebet.
Ich glaube an die Stunden bloß,
Die blau und rosig mir erblühen
In unsrer blassen Nächte Glühen.
Und alles dieses glaube ich
So fest und unerschütterlich,
Daß ich nur lebe noch für dich.
Paul Verlaine
Letzte Hoffnung
Am Kirchhof steht ein Baum alleine
In seiner jungen Herrlichkeit.
Ihn pflanzt kein hergebrachtes Leid, –
Sanft neigt er sich dem schlichten Steine.
Im Sommer wie im Winter singt
Ein Vöglein auf dem Baum, wie klingt
So zart der Schmerz der treuen Töne.
Der Vogel und der Baum sind wir,
Du das Gedenken, ich die Ferne.
Der einst'gen Tage, mild wie Sterne –
Ach lebt ich noch zu Füssen dir!
Ach leben, leben! Meine Schöne,
Das kalte Nichts besiegte mich,
Doch leb ich dir im...
Paul Verlaine
Die Geliebte
Die ich mir zum Mädchen wähle,
Soll von aufgeweckter Seele,
Soll von schlanker Länge sein.
Holde Sanftmut, Witz im Scherze
Rührt mein Herze,
Nicht ein glatt Gesicht allein.
Allzu jung taugt nur zum Spielen.
Fleischig sei sie anzufühlen,
Und gewölbt die weiße Brust.
Die Brünette soll vor allen
Mir gefallen:
Sie ist dauerhaft zur Lust.
Setzt noch unter diese Dinge,
Daß sie artig tanz' und singe:
Was ist solchem Mädchen gleich?
Sagt, ihr Menschenkenner, saget:
Wers erjaget,
Hat der...
Johann Peter Uz
Die Nacht
Du verstörst uns nicht, o Nacht!
Sieh! wir trinken im Gebüsche;
Und ein kühler Winde erwacht,
Daß er unsern Wein erfrische.
Mutter holder Dunkelheit,
Nacht! Vertraute süßer Sorgen,
Die betrogner Wachsamkeit
Viele Küsse schon verborgen!
Dir allein sei mitbewußt,
Welch Vergnügen mich berausche,
Wann ich an geliebter Brust
Unter Tau und Blumen lausche!
Murmelt ihr, wann alles ruht,
Murmelt, sanftbewegte Bäume,
Bei dem Sprudeln heischrer Flut
Mich in wollustvolle Träume.
Johann Peter Uz
Schäfers Sonntagslied
Das ist der Tag des Herrn!
Ich bin allein auf weiter Flur;
Noch eine Morgenglocke nur!
Nun Stille nah und fern!
Anbetend knie ich hier!
O süßes Grau'n, geheimes Weh'n!
Als knieten viele ungeseh'n
Und beteten mit mir!
Der Himmel nah und fern,
Er ist so klar, so feierlich,
So ganz als wollt' er öffnen sich!
Das ist der Tag des Herrn!
Ludwig Uhland
Von vier Uhr bis sieben
Im Herz, wie im Spiegel, ein Schatten,
Auch unter den Leuten – alleine geblieben…
Der Tag geht nur langsam von statten
Von vier Uhr bis sieben!
Ich brauch keine Menschen – sie lügen
Und werden grausam bei Dämmerung.
Ich könnte weinen. Zur Schnur
Haben die Finger das Tüchlein gewrungen.
Hab ich dich beleidigt – verzeih,
Doch bitt ich, mich nicht zu betrüben!
– Ich spüre unendliche Traurigkeit
Von vier Uhr bis sieben.
Marina Ivanovna Tsvetaeva
Verstand wird Rußland nie verstehn,
Kein Maßstab sein Geheimnis rauben;
So wie es ist, so laßt es gehn –
An Rußland kann man nichts als glauben.
Der kühle, wägende Verstand
Kann Rußlands Wesen icht verstehen;
Denn daß es heilig ist, dies Land,
Das kann allein der Glaube sehen.
Fjodor Iwanowitsch Tjuttschew