Rainer Maria Rilke Zitate über nichte
Deutscher Dichter 4. Dezember, 1875 – 29. Dezember, 1926
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Zitate
Geduld
Und ich möchte dich
so gut ich kann bitten,
Geduld zu haben gegen alles Ungelöste
in deinem Herzen,
und zu verstehen.
Die Fragen selbst lieb zu haben
wie verschlossene Stuben.
Und wie Bücher, die in einer fremden Sprache
geschrieben sind.
Forsche jetzt nicht nach Antworten,
die dir nicht gegeben werden können,
weil du sie nicht leben könntest.
Und es handelt sich darum
alles zu leben.
Vielleicht lebst du dann
allmählich – ohne es zu merken –
in deine Antworten hinein.
Rainer Maria Rilke
Verblühst du schon?
Du verblühst schon, holde Rose,
weckt dich nicht der Sonne Strahl?
O, du liebe, kleine, lose,
o, erblühe noch einmal!
Einmal öffne noch die Hülle,
sieh, ich will bescheiden sein,
einmal lass mich noch der Fülle
deines Glanzes voll erfreun!
Willst das Köpfchen nicht mehr heben?
Senkst die Blätter welk und fahl?
Ach! es wird ja Lenz im Leben
nur ein einzig, einzig Mal!
Rainer Maria Rilke
Vermeiden Sie, jenem Drama, das zwischen Eltern und Kindern immer ausgespannt ist, Stoff zuzuführen; es verbraucht viel Kraft der Kinder und zehrt die Liebe der Alten auf, die wirkt und wärmt, auch wenn sie nicht begreift. Verlangen Sie keinen Rat von ihnen und rechnen Sie mit keinem Verstehen; aber glauben Sie an eine Liebe, die für Sie aufbewahrt wird wie eine Erbschaft, und vertrauen Sie, daß in dieser Liebe eine Kraft ist und ein Segen, aus dem Sie nicht herausgehen müssen, um ganz weit...
Rainer Maria Rilke
Wandelt sich rasch auch die Welt
wie Wolkengestalten,
alles Vollendete fällt
heim zum Uralten.
Über den Wandel und Gang,
weiter und freier,
währt noch dein Vor-Gesang,
Gott mit der Leier.
Nicht sind die Leiden erkannt,
nicht ist die Liebe gelernt,
und was im Tod uns entfernt,
ist nicht entschleiert.
Einzig das Lied überm Land
heiligt und feiert.
Rainer Maria Rilke
Ich liebe diese Stunde, die anders ist, kommt und geht. Nein, nicht die Stunde, diesen Augenblick liebe ich, der so still ist. Diesen Anfangs-Augenblick, diese Initiale der Stille, diesen ersten Stern, diesen Anfang. Dieses Etwas in mir, das aufsteht, wie junge Mädchen aufstehn in ihrer weißen Mansarde...
Diese Nacht liebe ich. Nein, nicht diese Nacht, diesen Nachtanfang, diese eine lange Anfangszeile der Nacht, die ich nicht lesen werde, weil sie kein Buch für Anfänger ist. Diesen Augenblick...
Rainer Maria Rilke
Ich begreife immer weniger, was eigentlich uns in der Liebe zu Gott aufhält und irre macht. Eine Zeitlang konnte man denken, daß es die Unsichtbarkeit sei - aber gehen nicht seither alle unsere Erfahrungen dahin, daß die Gegenwart eines geliebten Gegenstandes zwar für den Beginn der Liebe hilfreich ist, ihrem späteren Großsein aber Kummer und Abbruch tut?
Rainer Maria Rilke
Gerüchte gehen, die dich vermuten,
und Zweifel gehen, die dich verwischen.
Die Trägen und Träumerischen
mißtrauen ihren eignen Gluten
und wollen, daß die Berge bluten,
denn eher glauben sie dich nicht.
Du aber senkst dein Angesicht.
Du könntest den Bergen die Adern aufschneiden
als Zeichen eines großen Gerichts;
aber dir liegt nichts
an den Heiden.
Du willst nicht streiten mit allen Listen
und nicht suchen die Liebe des Lichts;
denn dir liegt nichts
an den Christen.
Dir liegt an den Fragenden...
Rainer Maria Rilke
Als ich die Universität bezog
Ich seh zurück, wie Jahr um Jahr
so müheschwer vorüberrollte;
nun endlich bin ich, was ich wollte
und was ich strebte: ein Skolar.
Erst 'Recht' studieren war mein Plan;
doch meine leichte Laune schreckten
die strengen, staubigen Pandekten,
und also ward der Plan zum Wahn.
Theologie verbot mein Lieb,
konnt mich auf Medizin nicht werfen,
so daß für meine schwachen Nerven
nichts als - Philosophieren blieb.
Die Alma mater reicht mir dar
der freien Künste...
Rainer Maria Rilke
Dies überstanden haben, auch das Glück
ganz überstanden haben, still und gründlich, –
bald war die Prüfung stumm, bald war sie mündlich,
wer schaute nicht verwundert her zurück.
Gekonnt hats keiner; denn das Leben währt
weils keiner konnte. Aber der Versuche
Unendlichkeit! Das neue Grün der Buche
ist nicht so neu wie das uns widerfährt.
Weils keiner meistert, bleibt das Leben rein.
Ists nicht verlegne Kraft wenn ich am Morgen turne?
Und von der Kraft, die war, wie leise spricht...
Rainer Maria Rilke
Mit nichts kann man ein Kunst-Werk so wenig berühren als mit kritischen Worten: Es kommt dabei immer auf mehr oder minder glückliche Mißverständnisse heraus. Die Dinge sind alle nicht so faßbar und sagbar, als man uns meistens glauben machen möchte: Die meisten Ereignisse sind unsagbar. vollziehen sich in einem Raume, den nie ein Wort betreten hat, und unsagbarer als alles sind die Kunst-Werke, geheimnisvolle Existenzen, deren Leben neben dem unseren, das vergeht, dauert.
Rainer Maria Rilke
Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen, die sich über die Dinge ziehn. Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen, aber versuchen will ich ihn. Ich kreise um Gott, um den uralten Turm, und ich kreise jahrhundertelang: und ich weiß noch nicht, bin ich ein Falke, ein Sturm oder ein großer Gesang.
Rainer Maria Rilke
Ich bin nur einer deiner Ganzgeringen,
der in das Leben aus der Zelle sieht
und der, den Menschen ferner als den Dingen,
nicht wagt zu wägen, was geschieht.
Doch willst du mich vor deinem Angesicht,
aus dem sich dunkel deine Augen heben,
dann halte es für meine Hoffahrt nicht,
wenn ich dir sage: Keiner lebt sein Leben.
Zufälle sind die Menschen, Stimmen, Stücke,
Alltage, Ängste, viele kleine Glücke,
verkleidet schon als Kinder, eingemummt,
als Masken mündig, als Gesicht – verstummt.
Rainer Maria Rilke
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